2311: Tomed-Zwischenfall

 

 

Der Tomed-Zwischenfall stellt den Höhepunkt einer längeren und sich bis 2311 stark zuspitzenden außenpolitischen Krisenphase zwischen Vereinigter Föderation der Planeten und Romulanischem Sternenimperium dar. Zugleich markiert er einen erheblichen Wendepunkt in den Beziehungen zwischen beiden Staaten. Ein immer wahrscheinlicher werdender Krieg der beiden Mächte wird durch dieses Ereignis abrupt abgewendet. Kurz darauf ziehen sich die Romulaner unerwartet hinter ihre Grenzen zurück und beginnen die zweite große Isolationismusphase des Sternenimperiums, die bis in die 2360er Jahre – ganze fünf Jahrzehnte – vorhalten wird. Vorher wird noch der Vertrag von Algeron ausgehandelt, der den bestehenden Friedensvertrag zwischen Föderation und Romulanern auf eine neue Grundlage stellt.

 

 

Hintergrund

 

Anders als das Verhältnis zu den Klingonen blieben die Beziehungen zu den Romulanern in den ersten einhundertfünfzig Jahren der Föderationsgeschichte schlecht. Nachdem sich das Romulanische Imperium infolge seiner Kriegsniederlage gegen die Föderationsgründungsstaaten (2156-60) konsolidiert und in der zweiten Hälfte des 23. Jahrhunderts als Großmacht zurückgemeldet hatte (Neutrale-Zone-Zwischenfall, 2266), entwickelte sich eine Phase neuer politischer Unsicherheit.

 

Das Verhalten der Romulaner war von Widersprüchen geprägt. Auf der einen Seite suchten sie durchaus das politische Gespräch, entsandten Diplomaten und verzichteten darauf, länger im Verborgenen zu bleiben. Die – zumindest formale – Beteiligung am Friedensprojekt ‚Planet des Galaktischen Friedens‘, das auf Nimbus III gestartet wurde, ist wohl das beste Beispiel hierfür. Auf der anderen Seite gab es in den Jahrzehnten seit der romulanischen Rückkehr auf die galaktische Bühne immer wieder Zusammenstöße und Konflikte mit der Föderation. Die Romulaner nutzten verschiedene Gelegenheiten, um sich gegenüber der Planetenallianz Vorteile zu verschaffen, wie beispielsweise die kurze Technologieallianz mit dem Klingonischen Reich (2268) zeigt.

 

Die Involvierung des romulanischen Botschafters Nanculus in das Komplott zur Ermordung des klingonischen Kanzlers Gorkon stellte einen erneuten Einschnitt und Tiefpunkt in den sich nur zaghaft normalisierenden Beziehungen zwischen Föderation und Sternenimperium dar. Nachdem bekannt geworden war, dass Teile der romulanischen Führung maßgeblich an der Verschwörung beteiligt gewesen waren, das Zustandekommens eines Friedens zwischen VFP und Klingonen (2293) zu sabotieren, wuchs das Misstrauen gegenüber dem Sternenimperium wieder. Außenpolitisch gerieten die Romulaner ernsthaft in die Defensive. Angesichts des Schulterschlusses zwischen Erde und Qo’noS drohte es auf längere Sicht machtpolitisch ins Hintertreffen zu geraten. Trotzdem verhielten sich die Romulaner in den kommenden Jahren zunächst abwartend und ruhig.

 

 

Situation ab 2300: Steigende Konfliktkurve

 

Mit dem Beginn des 24. Jahrhunderts kam es zu einer merklichen Veränderung des romulanischen Verhaltens. Am deutlichsten wurde dies, als das Imperium das Nimbus-Projekt scheitern ließ, indem es bei verschiedenen drängenden Streitfragen, für die teils bereits Lösungsvorschläge auf dem Tisch lagen, Fundamentalpositionen bezog. Erst mit der Zeit wurde erkennbar, was die Ursache für das neue Blockadeverhalten des Imperiums war: Auf Romulus war eine neue Administration an die Macht gekommen. Sie verzichtete auf Ankündigungen oder Gespräche, sondern schuf mit einem neuen Kurs Fakten. So setzten die Romulaner etwa die Barolianer unter Druck, eine angedachte zollfreie Handelsroute für verschiedenste Völker platzen zu lassen, und entzog ihnen damit faktisch die Selbstständigkeit.

 

Bis 2307, als der Planet des Galaktischen Friedens offiziell am Ende war, zeichnete sich ab, dass die neue romulanische Administration vor allem gegen die Föderation quer schoss und mit zunehmender Arroganz und Verachtung der Planetenallianz gegenüber auftrat. Infolgedessen erlebte kein in den frühen 2300er Jahren in Vorbereitung befindliches Abkommen je seine Geburt. Verträge zur Begrenzung der militärischen Rüstung, Handelserleichterungen oder auch eine stärkere und geordnetere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung intergalaktischer Piraterie – all das und noch mehr scheiterte kläglich, bevor es in eine abstimmungsfähige Vertragsform hätte gegossen werden können.    

 

Obwohl nach wie vor über die konkreten Motivationen des neuen Prätors und seiner Verbündeten gerätselt wurde, zeitigte die romulanische Blockadehaltung beträchtliche Auswirkungen. In dem Maße, wie das Sternenimperium sich jedem Kompromiss verweigerte, verloren auch die Klingonen – die seit Gorkons Ermordung ohnehin negativ gegen Romulus eingestellt waren – ihre Geduld und wurden misstrauisch gegenüber einer fortgesetzten Dreierkonstellation. Sie zogen es nun vor, separat mit der Föderation weiterzuverhandeln.

 

In der Rückschau waren die zahlreichen Verträge oder auch das Nimbus-Projekt, welche das Imperium allesamt spektakulär platzen ließ, erst der Anfang eines grundsätzlich neuen Kurses der Romulaner. Spätestens ab 2309 wurde sichtbar, dass eine beispiellose militärische Aufrüstung der romulanischen Flotte einsetzte. Gleichzeitig blieben die notwendigen Informationen darüber aus, was die Romulaner eigentlich im Schilde führten. Ungeachtet der sich ändernden interstellaren Großwetterlage wähnte sich die Föderation aufgrund des erzielten Friedens mit den Klingonen in einer günstigen Ausgangslage und bot den Romulanern auch weiterhin den diplomatischen Austausch an. Das Angebot wurde allerdings nicht (mehr) erwidert.      

 

 

Aggressiver romulanischer Expansionskurs

 

Nur wenige Jahre später folgte eine seit dem Irdisch-Romulanischen Krieg nicht mehr gekannte Expansions- und Annexionswelle, bei der die romulanische Flotte unverhohlen als Unterjochungswerkzeug verwendet wurde. In einer Blitzaktion fiel die imperiale Navy im Herbst 2311 in den Boralis-Sektor ein und besetzte dabei mehrere bewohnte Systeme, darunter beispielsweise Okriil.

 

Der neue Anführer der romulanischen Streitkräfte – ein Flotten-Admiral namens Terix, über den der Sternenflotten-Geheimdienst ansonsten so gut wie nichts wusste – verkündete persönlich die Angliederung des Boralis-Sektors an das Imperium. Der Umstand, dass es dem Imperium gelungen war, diesen bis dato blockfreien Raumbereich nahe der Neutralen Zone unter Kontrolle zu bringen, ohne auch nur ein Schiff zu verlieren, deutete darauf hin, dass es sich bei Terix um ein unorthodoxes taktisches Genie zu handeln schien. Ihm war es gelungen, alle eingenommenen Welten frühzeitig zur Kapitulation zu bewegen.

 

Innerhalb der Föderation schossen sogleich Spekulationen ins Kraut, ob die Romulaner den Boralis-Sektor eingenommen hatten, weil sie sich für einen größeren Konflikt mit der Föderation wappnen wollten. Immerhin besaß das unter Kontrolle gebrachte Gebiet reichhaltige Dilithium- und Boromit-Vorkommen, und strategisch gesehen bot es dem Imperium die Möglichkeit, näher an die Föderationsgrenze heranzurücken.

 

Offensichtlich verunsichert vom romulanischen Vorstoß, äußerte die Föderationsregierung einen scharfen Protest mit Verweis auf eine Verletzung des interstellaren Völkerrechts und forderte das Imperium auf, den annektierten Sektor umgehend wieder freizugeben.      

 

 

November 2311: Pulverfass Tongrel und Ende der diplomatischen Beziehungen

 

Jenseits einer Intensivierung der Grenzpatrouillen gab VFP-Präsidentin sh’Prange wenige Wochen später eine Souveränitätsgarantie für ein halbes Dutzend im blockfreien Raum angesiedelte Welten ab, darunter Tongrel und Vanivat. Die Föderation, so die Präsidentin, werde die Selbstständigkeit dieser Planeten mit allen erforderlichen Mitteln schützen. Diese verspätete Drohkulisse wurde mit einem folgenschweren Schritt verknüpft: Um die Romulaner von einem weiteren Ausgreifen abzuschrecken, wurde kurzfristig mit der Regierung auf Tongrel ein Assoziierungsabkommen geschlossen, das die Installation einer massiven planetaren Ionenkanone vorsah.

 

Zusammen mit einem Begleitschiff erhielt das Sternenflotten-Flaggschiff U.S.S. Enterprise, NCC-1701-B, den Auftrag, die gewaltige Abwehranlage auf Tongrel zu errichten. Bevor dieses Vorhaben jedoch vollständig umgesetzt werden konnte, tauchte eine romulanische Flotte auf, bombardierte Tongrel und brachte die beinahe fertiggestellte Ionenkanone in ihren Besitz. Bei dieser Gelegenheit trat Flotten-Admiral Terix erstmals in Erscheinung. An Captain John Harriman, den Captain der Enterprise, gerichtet, gab er die Einnahme Tongrels durch das Sternenimperium bekannt. Terix schlug Harrimans Protest in den Wind und hielt der Föderation vor, ein illegales Abkommen mit einer Welt geschlossen zu haben, die stets zum Unterleib des romulanischen Reichs gehört habe. Infolgedessen sehe sich das romulanische Militär nun gezwungen, diese Welt ganz offiziell dem imperialen Herrschaftsgebiet einzuverleiben.

 

Bei diesem Aufeinandertreffen sagte Terix zum ersten Mal etwas über das Ansinnen der Romulaner seit ihrem Kurswechsel. Vorwürfe Harrimans, das Imperium bewege sich ganz offensichtlich auf einen Krieg zu und lege es auf eine Revanche seit der historischen Niederlage von Cheron an, wies Terix scharf zurück. Vielmehr gehe es darum, dem Imperium zu einer neuen Position der Stärke zu verhelfen und nicht länger faule Kompromisse zu Lasten der romulanischen Nation schließen, die die Föderation ihr in der Vergangenheit immer wieder aufgebürdet habe. Unter dem Ultimatum Terix‘ und der Überlegenheit seiner Flotte musste sich die Enterprise schließlich zurückziehen und die Tongrel ihrem Schicksal überlassen.  

 

Die Krise bei Tongrel war genau jener gefürchtete Schritt gewesen, der eine Eskalationsspirale in Gang setzte. Im Föderationsrat wurde eine hitzige Debatte geführt. Kein Geringerer als Botschafter Sarek, einer der höchst dekorierten Diplomaten der Föderation, sagte in seiner Rede, was im Tongrel-System geschehen sei, sei nicht mehr und nicht weniger als der radikale Bruch mit einem hundertfünfzig Jahre bestehenden Friedenssystem. Infolge der Aussprache beschloss der Föderationsrat, die Sternenflotten-Außenposten entlang der Neutralen Zone erheblich aufzurüsten.

 

Nach einem schwerwiegenden Datendiebstahl aus dem Herzen der Utopia Planitia-Flottenwerften machte die Föderation romulanische Spione verantwortlich. Die romulanische Regierung leugnete dies und forderte die Planetenallianz auf, Beweise für ihre Anschuldigungen zu erbringen. Kurz darauf erreichten die interstellaren Beziehungen einen beispiellosen Tiefschlag. Mit dem 26. November 2311 zog das Sternenimperium sämtliches diplomatische Personal von der Erde und anderen Föderationswelten ab. Darüber hinaus wurden alle vorhandenen Subraum-Kommunikationskanäle bis auf weiteres eingestellt. Damit gab es zum ersten Mal seit beinahe fünf Jahrzehnten keinerlei Beziehungen mehr mit dem Romulanischen Imperium.     

 

 

November/Dezember 2311: Romulanisch-klingonisches Abkommen

 

Mitten in dieser zugespitzten Situation erklärte sich das Klingonische Reich unter Kanzlerin Azetbur völlig überraschend bereit, ein Abkommen mit dem Sternenimperium zu schließen, um das sich letzteres in den vergangenen Monaten vergeblich bemüht hatte. Bis Anfang 2312 sollte ein Vertrag formalisiert werden, der zwar Klingonen und Romulaner als ‚Alliierte‘ bezeichnete, effektiv aber ein Neutralitätsabkommen sein und bis zum Khitomer-Massaker (2346) offiziell Bestand haben sollte. Obwohl die klingonische Führung gegenüber der Erde beteuerte, die lose Übereinkunft mit Romulus ändere nichts am Friedensprozess, war der romulanisch-klingonische Ausgleich für die Föderation eine empfindliche Niederlage, da ein Bündnis zwischen Qo’noS und Romulus ein geschlossenes und entschiedenes Auftreten gegenüber dem Sternenimperium schwächte.

 

Die Gründe für die klingonische Annährung an Romulus war dabei komplex und ausschließlich innenpolitisch begründet. Obgleich Kanzlerin Azetbur es vollbracht hatte, den Frieden mit der Föderation sehr erfolgreich zu gestalten, verlor sie bei einem großen Teil des klingonischen Volkes die Unterstützung. Viele Klingonen sahen in der raschen Öffnung und Abrüstung, die Azetbur vorangetrieben hatte, eine große Gefahr. Da das klingonische Reich nach dem Untergang von Praxis von der Föderation abhängig war und sich keine Konflikte mit ihr leisten konnte, keimten Ängste, von dem früheren Antagonisten auf subtilem Weg unterjocht und ausgebeutet zu werden. Diese Furcht wurde von politischen Agitatoren wie dem ehemaligen Botschafter Kamarag, die Azetbur stürzen wollten, gezielt angefacht; in der Öffentlichkeit kursierten Paranoia und Verschwörungstheorien. Obwohl Azetbur lange Zeit eine entschiedene Gegnerin eines wie auch immer gearteten Bündnisses mit den Romulanern gewesen war, ließ sie sich auf Drängen ihrer Berater schließlich darauf ein, um dem klingonischen Volk zu demonstrieren, dass sich das Reich nicht einseitig an die Föderation band.       

 

 

November/Dezember 2311: Eskalation im Hodrashi-Raum

 

Gänzlich unerwartet und ohne nahe liegende Erklärung ließen sich die Hodrashi, eine kleinere Handelsnation an der Peripherie des Föderationsraums im Beta-Quadranten, auf einen Deal mit dem Sternenimperium ein. Sie vereinbarten, drei ihrer Raumbasen unmittelbar entlang der Föderationsgrenze an die Romulaner zu verpachten. Als die Planetenallianz dies erfuhr, sah sich die VFP-Regierung gezwungen, die Sternenflotte damit zu beauftragen, harte Schritte zu ergreifen, da die Gefahr zu groß war, dass die Romulaner die Basen vielleicht als Sprungbrett für eine Flottenversammlung und spätere Offensive in den Föderationsraum nutzen mochten.

 

Mehrere Raumschiffe, darunter die U.S.S. Enterprise-B, wurden damit beauftragt, in den Hodrashi-Raum einzufliegen und die Stationen zu inspizieren. Obwohl bis auf ein spezielles Lösungsmittel nichts direkt Verdächtiges an Bord gefunden werden konnte, erhielt die Sternenflotte wenig später die Anordnung, den Romulanern die Übernahme der drei Basen vorerst zu verweigern; es wurde unter Verletzung der Hodrashi-Souveränität eine Blockade ins Werk gesetzt.

 

Kurz darauf erfassten die Langstrecken-Sensoren einen sich mit niedriger Warpgeschwindigkeit nährenden imperialen Großkonvoi, der auf dem Weg zu den Stationen war. Die Romulaner sprachen eine Drohung aus, die Föderation müsse sich umgehend zurückziehen, oder man werde harte Konsequenzen ergreifen. Nun war eine Situation entstanden, die die reelle Gefahr barg, dass es nach Eintreffen des Konvois in rund zwei Wochen zu offenen Kampfhandlungen kommen würde. Der Ausbruch eines Kriegs schien nur noch eine Frage der Zeit.      

 

 

Dezember 2311: Tomed-Zwischenfall und Initiative des Prätors

 

Bevor es zu einer Begegnung der Sternenflotten- und romulanischen Verbände im Hodrashi-Raum kam, ereignete sich – ebenso abrupt wie andere Entwicklungen – jenes Ereignis, das später als Tomed-Zwischenfall in die galaktische Geschichte eingehen sollte. In einer Überfallaktion tauchte das imperiale, von Flotten-Admiral Terix kommandierte Flaggschiff, die I.R.W. Tulwar, im zur VFP gehörigen Tomed-System nahe der Neutralen Zone auf. Ohne jede Vorwarnung führte der Kriegsvogel einen vernichten Angriff auf eine dortige Föderationskolonie durch. Letztlich konnte die Enterprise-B auf den Notruf der Kolonie reagieren, den Warbird stellen und vernichten. Für die gut viertausend Kolonisten kam jede Hilfe jedoch zu spät.

 

Unmittelbar nach dem Übergriff tauchte ein Geständnis von Flotten-Admiral Terix in Form eines Briefs an seine Frau auf. In dem Schreiben stand, dass Terix gegen den Prätor putschten und eine Militärherrschaft auf Romulus etablieren wolle, so wie einhundertfünfzig Jahre zuvor die Kommandantin Khazara, die den romulanischen Feldzug gegen die Koalition der Planeten (2152-61) geleitet hatte. Obgleich unklar blieb, was Terix ausgerechnet mit dem Angriff auf Tomed bezwecken wollte, schien der Beweis erbracht, dass er von vorneherein einen Krieg gegen die Föderation hatte auslösen wollen.

 

Aufgeschreckt durch das dramatische Ereignis, wandte sich sogleich der Prätor – Priamus – persönlich an die Erde und lud zu einer Krisensitzung auf der romulanischen Algeron-Station ein. Die Föderation erwiderte den Ruf und entsandte ihre fähigsten Diplomaten. Priamus selbst begab sich mit einem Tross von Unterhändlern nach Algeron und distanzierte sich beim Krisentreffen scharf von Terix‘ einsamen Entscheidungen. In der Folge unterbreitete der Prätor, der ganz offensichtlich bereits Pläne für einen radikalen Kurswechsel gefasst hatte, sein Angebot für eine Erneuerung des Friedens zwischen Romulanern und Föderation. Romulus, so Priamus, sei im Lichte der zurückliegenden Ereignisse nicht nur bereit, die eroberten Welten im blockfreien Raum wieder zurückzugeben, sondern werde sich in Kürze vollständig hinter seine Grenzen zurückziehen und bis auf Weiteres jeden weiteren Kontakt mit den meisten Mächten des Quadranten einstellen.         

 

 

Ende Dezember 2311: Vertrag von Algeron

 

So schnell wie wohl noch nie in der Föderationsgeschichte nahm ein umfangreiches bilaterales Abkommen Gestalt an. Innerhalb weniger Wochen entstand bis zum Jahresende 2311 der nach dem Ort des Geschehens benannte Friedensvertrag von Algeron. Dieser überschrieb rechtlich den bislang geltenden Friedensvertrag von 2160. Er trug nicht nur dem Umstand Rechnung, nach der zurückliegenden Konflikt- und Eskalationsphase den Friedenswillen beider Seiten zu bekräftigen. Da die Planetenallianz (durch Beitritt neuer Mitgliedswelten) und das Sternenimperium sich in den vergangenen Jahrzehnten jeweils ausgedehnt hatten und nun Gebiete aneinanderstießen, die nicht im Erfassungsbereich der Neutralen Zone lagen, bestand der Bedarf, die Länge der Zone zu erweitern und in einigen Spezialfällen ihren Verlauf anzupassen, um so potenziell neuen Konflikten vorzubeugen. Auch wurde die Rückgabe der neutralen Gebiete durch das Sternenimperium sowie auf Drängen der Föderationsdiplomaten die Souveränität dieser Welten vertraglich festgeschrieben. Die Romulaner setzten dabei voraus, dass besagte Welten neutral bleiben müssen und nicht eines Tages z.B. in die VFP aufgenommen werden. Ferner ließ sich das Sternenimperium darauf ein, ein gemeinsames Verbot von Subraum- und Metawaffen als Bestandteil des Abkommens zu fixieren – ein echter Fortschritt auf dem Gebiet der Rüstungsbegrenzung.

 

Allerdings koppelten die Romulaner ihre Zustimmung zum Gesamtvertrag an eine Bedingung: Die Föderation habe ein Nutzungsverbot für Tarntechnologie im Alpha- und Beta-Quadranten zu akzeptieren. Explizit band Romulus auch die Rückgabe und künftige territoriale Unversehrtheit der zuvor eroberten Systeme und Planeten hieran. In Anbetracht der erzielten weitreichenden Verhandlungsergebnisse ließen sich die Unterhändler der VFP schließlich auf die Forderung ein. Argumentiert wurde vor allem damit, dass die Föderation als Schutzmacht der freien Völker eine Verantwortung für die während der zurückliegenden romulanischen Kampagne unterjochten Welten trage und alles daran setzen müsse, sie wieder in die Unabhängigkeit zu entlassen. Zudem lässt der Algeron-Vertrag offen, welche Form der Tarntechnologie er überhaupt zum Gegenstand hat. Die Entscheidung der Diplomaten, sich auf ein so pauschal anmutendes Nutzungsverbot für Tarntechnologie eingelassen zu haben, wurde im Nachgang der Vertragsunterzeichnung auf den Mitgliedswelten der Föderation extrem kontrovers diskutiert und sollte in Zukunft für weiteres inneres und äußeres Konfliktpotenzial sorgen (2311-71).

 

 

Ab 2312: Romulanischer Rückzug

 

Nach Abschluss des Algeron-Vertrags verhielten sich die Romulaner auffallend vertragstreu; es kam zu keinen weiteren Spannungen mehr. Die eroberten Welten wurden bereits im Januar 2312 wie vereinbart freigegeben. Kurz darauf zogen sich die Romulaner hinter ihre Grenzen zurück, riegelten diese umfassend ab und stellten jeglichen Kontakt zu weiten Teilen des Quadrantengefüges ein. Dies sollte – mit einigen Ausnahmen wie früher einsetzenden punktuellen Konflikten mit den Klingonen in den 2340 er Jahren (2344, 2346) – bis zum Jahr 2364 so bleiben.  

 

Die Gründe dieser historisch beispiellosen Abschottung sind nicht klar. Sicher ist, dass es nicht nur die eine Ursache gab, sondern ein ganzes Bündel an strategischen Überlegungen seitens des Prätors zu diesem ungewöhnlichen Entschluss von enormer Tragweite geführt hatte. Einerseits hatte Priamus nach dem unerwarteten und aufrüttelnden Tomed-Zwischenfall begriffen, dass weitreichende Veränderungen notwendig waren, um den Frieden im Alpha- und Beta-Quadranten zu bewahren. Vieles spricht dafür, dass der Prätor zu keiner Zeit einen kriegerischen Konflikt mit der Föderation im Sinn gehabt hatte, allerdings vom zusehends autark agierenden Terix übergangen und mit selektiven Informationen versorgt worden war. Möglich ist aber auch, dass Priamus Terix‘ militanten Kurs zeitweilig bewusst hingenommen hatte, um von dessen Beliebtheit in der Bevölkerung zu profitieren. Nachdem die Tulwar mit ihrem eigenmächtigen Vorgehen faktisch einen Krieg mit der Föderation begonnen hatte, war der Prätor bereit gewesen, außergewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen, um die nun sichere Konfrontation beider Großmächte doch noch abzuwenden und der Föderation die Ernsthaftigkeit seiner Absichten zu demonstrieren.

 

Es steht indes zu vermuten, dass der Prätor andere Interessen mit seiner neuen Isolationismuspolitik verband. Bis 2364 würde das Imperium in entlegene Teile des Beta-Quadranten expandieren und eine ganze Reihe von dortigen Welten unter seine Kontrolle bringen. Der Algeron-Vertrag und der darauf erfolgte Rückzug aus nahezu allen interstellaren Affären können also auch als Kalkül gesehen werden, das dem Imperium die nötige Beinfreiheit für militärische Kampagnen in anderen Teilen des Alls verschaffte, wo ihm keine Großmächte wie die Föderation entgegentraten. Inwiefern es eventuell auch eine innenpolitische Komponente geben mag, die die Auslösung eines neuen imperialen Isolationismus begünstigt haben mochte (innere Aufstände oder Umwälzungen?), ist nicht belegt. Fakt ist jedoch, dass der Bruch mit dem bisherigen außenpolitischen Kurs kaum größer hätte ausfallen können. Innerhalb weniger Jahre wechselte man von einer imperialistisch-expansiven Großmachtpolitik in die Schatten und wurde damit gewissermaßen zu einem politischen Phantom, dessen weiterer Status lange Zeit ungeklärt blieb.

 

Die Romulaner hatten im Gefolge des einschneidenden Tomed-Zwischenfalls ihre Optionen neu überdacht. Es sollte nicht vergessen werden, dass es Priamus mit seiner schnellen, umfassenden und konsequenten Reaktion nicht bloß erreichte, den außenpolitischen Status quo zu stabilisieren. Indem er sich als geschickter Diplomat erwies, schaffte er es, der Föderation mit dem Tarnvorrichtungs-Nutzungsverbot ein weitreichendes Zugeständnis abzutrotzen, das dem Imperium längerfristig einen extrem wertvollen taktischen Vorteil verschaffen würde.

 

Höchstwahrscheinlich ließ der Tomed-Zwischenfall, bei dem der lange Zeit so erfolgreiche Flotten-Admiral Terix in Ungnade fiel, in der imperialen Armada viele Köpfe rollen, ehe sich die Romulaner Ruhe veordneten und alle Beziehungen zur Außenwelt kappten. Erst im Jahr 2364 würden sie angesichts der aufkommenden Bedrohung durch das Borg-Kollektiv (2153-2381) wieder von sich hören lassen.

 

 

Verschwörungstheorien

 

Rund um den Tomed-Zwischenfall ranken sich bis zum heutigen Tag allerhand Verschwörungstheorien und Gerüchte. Sie hängen mit der Sprunghaftigkeit der Entwicklungen zusammen sowie mit dem Umstand, dass die Gründe für den romulanischen Angriff auf den Planeten Tomed vollkommen unabsehbar gewesen waren. Tatsächlich hatte jemand wie Flotten-Admiral Terix im Vorfeld immer wieder beteuert, dass es ihm nicht darum gehe, die Föderation kriegerisch herauszufordern. Warum also hatte er schließlich einen solch radikalen und scheinbar heißblütigen Schritt ergriffen und viertausend Föderationsangehörige auf Tomed zum Tode verurteilt? Was hatte er sich hiervon versprochen? Und wie ist der Brief, den er hinterließ, einzuschätzen?

 

Alternativ denkende Historiker halten es für möglich, dass Terix und sein Schiff die Opfer einer Top-Secret-Operation wurden, die vom Sternenflotten-Geheimdienst durchgeführt worden war. Demnach wurde die Tulwar zunächst unter Vorspielung falscher Tatsachen ins Tomed-System gelockt. Im Kontext des romulanischen Insistierens beim Algeron-Vertrag, der Föderation ein Nutzungsverbot für Tarnvorrichtungen aufzuerlegen, wird der Verdacht geäußert, dass der Tulwar Informationen zugespielt wurden, wonach die Sternenflotte auf Tomed den Prototypen einer eigenen Maskierungsvorrichtung entwickelte. Bei Tomed angelangt, wurde das Schiff von einer Sondereinheit gekapert, übernommen und fremdgesteuert. In dieser radikalen Theorie führten Sternenflotten-Mitglieder selbst einen Angriff auf die Föderationswelt Tomed durch, um den Eindruck zu erwecken, Terix breche einen offenen Krieg vom Zaun. Für die Öffentlichkeit und die galaktische Gemeinschaft sowie auch für den Prätor und den romulanischen Senat sah es so aus, als hätte das romulanische Militär einen aggressiven Vorstoß in eigener Sache gewagt, der unabsehbare Konsequenzen heraufbeschwor.

 

Diese Geheimmission, so die Autoren einiger umstrittener Veröffentlichungen, habe dazu gedient, die romulanische Führung aufzuschrecken und dem Imperium den politischen Wind aus den Segeln zu nehmen, indem es unmittelbar mit der Aussicht eines Kriegs konfrontiert wurde, den es nach Wahrnehmung der Öffentlichkeit selbst ausgelöst hatte. Durch den Tomed-Zwischenfall war schlagartig eine Situation entstanden, in der das Imperium ohne ein hartes Gegensteuern mit großer Wahrscheinlichkeit einer Neuauflage des Irdisch-Romulanischen Kriegs entgegen gesehen hätte. Dafür war man nicht bereit.

 

Besagte Geschichtswissenschaftler gehen deshalb auch davon aus, dass es sich bei Terix‘ Brief um eine authentische Fälschung handelte. Eine Fälschung, so wird zumindest spekuliert, könne auch der Tod Tausender Föderationsbürger gewesen sein, seien doch nie irgendwelche Leichen geborgen worden. Diese Version des historischen Verlaufs wird von der offiziellen Föderationspolitik und der Sternenflotte aufs Schärfste zurückgewiesen. Doch wie so häufig bei Verschwörungstheorien gilt: Je mehr sie abgestritten werden, desto stärker erhalten sie sich am Leben. 

 

Gelegentlich wird auch vermutet, dass die U.S.S. Enterprise-B in die denkbare Kaperung der Tulwar verwickelt gewesen sein mochte. Insbesondere über Captain John Harriman als Urheber und maßgeblicher Akteur bei der Umsetzung des ganzen Plans wird dabei spekuliert. Allerdings fehlen jegliche Beweise, um diese Vermutung zu untermauern. Offiziell schied Harriman bereits Anfang 2312 aus am aktiven Dienst aus. Der Tomed-Zwischenfall bleibt somit ein Ereignis, an dem sich die Geister ebenso wie die Wahrheiten scheiden.

 

 

 

Anmerkung: In der TNG-Episode Die Neutrale Zone, die Ende 2364 spielt, merkt Lieutenant Commander Data an, der letzte Kontakt mit den Romulanern habe vor über 50 Jahren stattgefunden (ich orientiere mich an der deutschen Synchronfassung). Es ist nicht ganz klar, worauf er sich hierbei bezieht und was genau mit 'Kontakt' gemeint ist. Ich interpretiere 'Kontakt' als politisch-diplomatischen Kontakt. Nach Adam Riese gehe ich also davon aus, dass spätestens ab 2313 jede Kommunikation mit den Romulanern erstarb.

 

 

Referenz

TOS TNG DS9 VOY ENT ST-Romane/Comics
1x14 1x26       Future Uncertain (STC)
3x02 3x07       Escalation (STC)
ST VI 3x10       Strategic Decision (STC)
  7x12       Lasting Peace? (STC)
          Serpents Among The Ruins (Lost Era)