Gul Dukat: Portrait eines vielschichtigen Schurken
Star Trek war immer nur so gut wie die Geschichten, die es erzählte – und hier geht es ganz maßgeblich um die Antagonisten, die es dem Publikum im Sinne eines dunklen Gegenentwurfs präsentiert. Genau dies wird als ein besonderes Asset von Deep Space Nine gesehen: dass es nicht einfach nur schnurrbartzwirbelnde Schurken anbot, sondern sich Zeit nahm, diese gegnerischen Figuren intelligent auszuleuchten, ihnen Tiefe, Schattierungen und manchmal auch eine gewisse Ambivalenz zu verleihen. Und doch mussten es letzten Endes diejenigen bleiben, die auf der entgegengesetzten Seite unserer Helden standen.
Bei vermutlich keinem anderen Gegenspieler ist dieses dramaturgische Kunststück so gelungen wie bei Gul Skrain Dukat, jenem Mann der von der Pilotfolge bis zum Serienfinale einer der durchgehenden roten Fäden in der komplexen Erzählung ist – und auf einer sehr persönlichen Ebene die Nemesis von Benjamin Sisko. Dukat war immer mehr als lediglich ein machtgieriger, egoistischer und manipulativer Cardassianer, der sich danach sehnte, an seinen alten Ruhm anzuknüpfen. So sehr er auch Täter war, so sehr verblüffte er durch Anpassungsfähigkeit, Selbstironie und Leidensfähigkeit. Im Laufe der Serie gibt es immer wieder Episoden und Augenblicke, in denen man als Zuschauer denkt: „So übel ist Dukat doch gar nicht.“ – Nur um dann erdrutschartig eines Besseren (oder besser gesagt: Schlechteren) belehrt zu werden.
Hinter seinem Lächeln steckte oft mehr als nur das Paradebeispiel des shakespearschen Widersachers. Im Laufe von sieben Staffeln zeigte uns Dukat, dass er innerlich zerrissener war als es zunächst den Anschein machte, und dass er zu Liebe und Selbstabrechnung sehr wohl in der Lage war… Selbst, wenn er letzten Endes buchstäblich in einen dunklen Abgrund stürzte. Dennoch war er über weite Strecken der Serie vor allem eines: nie so wie man ihn erwartet hat. Dukat überraschte uns alle, auch dank der großartigen schauspielerischen Leistung von Marc Alaimo.
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Ein Gegner mit Glaubwürdigkeit und Tiefe
Große Antagonisten, sagt man, haben etwas mit Zwiebeln gemein. Sie sind vielschichtig. Und um dieses Potenzial zu nutzen, muss man sie mit Ruhe und Muße Schicht für Schicht erschließen. Auf Skrain Dukat traf genau das zu. Er ist womöglich die komplexeste Zeichnung einer antagonistischen Figur, die Star Trek als Ganzes zu bieten hat. Sagte er es nicht selbst in der Serie, als er sich (in Zu neuer Würde) an Kira Nerys wandte und zum Besten gab: „Ich bin ein wesentlich komplizierterer Mann als Sie es mir zutrauen.“
Blickt man auf die Produktionsgeschichte und die Einblicke, die Mitglieder des damaligen Writers Room in ihre kreative Arbeit gegeben haben, kommt es einer Ironie gleich, dass Dukat ursprünglich einfach nur ‚der Feind‘ sein sollte. Doch die Drehbuchschreiber fanden Stück für Stück Gefallen daran, sich mit ihm zu beschäftigen, seiner Figur Geschichte und schillernde Facetten hinzuzufügen, und zusammen mit Alaimos Interpretation von Dukat wurde es möglich, die Feindesdarstellung auf eine ganz andere Ebene zu hieven als ursprünglich intendiert. Das ist, wenn man so will, die beiläufige Entdeckung des enormen narrativen Potenzials des Antipoden, der gerade in Science-Fiction-Shows oftmals zweidimensional bleibt. Nicht so Dukat.
Eine wichtige Voraussetzung, dass die Drehbuchautoren so lange Gelegenheit hatten, konsequent an ihm zu arbeiten, waren seine lange Lebensdauer sowie sein ungeheures Anpassungsvermögen. Dukat war das, was man einen Überlebenskünstler nennen kann, sodass die Crew von DS9 immer wieder mit ihm zu tun hatte, in ganz unterschiedlichen Situationen und Rollenkonstellationen.
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Gekränkter Stolz, Sehnsucht nach Anerkennung
Als Dukat in Der Abgesandte erstmals in Erscheinung trat, blickte er auf eine Militärkarriere zurück, in der er fast ein Vierteljahrhundert lang während der cardassianischen Besatzung Bajors cardassianischer Präfekt und Kommandant der Raumstation Terok Nor gewesen war. Den anno 2369 eilig ins Werk gesetzten Beschluss seiner Regierung, Bajor aufzugeben und sich zurückzuziehen (Ursachen hierfür waren eine Mischung aus zerbröselndem cardassianischem Imperium, massivem Druck des bajoranischen Widerstands und politischem Drängen durch die Föderation, die die Freigabe Bajors als Voraussetzung für den Friedensvertrag mit Cardassia erachtete), hatte Dukat niemals geteilt. Doch er hatte dabei weniger die politische Großwetterlage im Blick als die Tatsache, dass seine Karriere im cardassianischen Zentralkommando mit der schmachhaften Aufgabe Bajors empfindlich beeinträchtigt wurde. Dukat würde fortan für einen Teil cardassianischer Kolonialgeschichte stehen, die in jeder Hinsicht unbefriedigend geendet hatte. Was für eine Demütigung für ein Volk, das sich maßgeblich über seinen Dienst und seine Verdienste am Staat definiert. Die Entdeckung des bajoranischen Wurmloches kurz nach Abzug der cardassianischen Truppen wurde ihm übrigens auch als Niederlage angerechnet; immerhin hatte er das System viele Jahre lang beherrscht, Drehkörper studiert und war dennoch nicht auf die Anomalie gestoßen (die sich allerdings vielleicht erst durch Siskos Gegenwart geöffnet hatte). Dennoch hatte Dukat als Kommandant des Zweiten Ordens weiterhin die Möglichkeit, die Beziehung zur Föderation und nach Bajor zu beeinflussen.
Zudem kann man Dukat durchaus abnehmen, dass er bis zum Schluss nie verstanden hatte, wieso es überhaupt so weit gekommen war, dass seine eigene Regierung Bajor als ein verlorenes Unterfangen erkannte und entsprechende Schlüsse daraus zog. Somit können wir sagen, dass der Mann, der im Pilotfilm durch die Bürotür des neuen Sternenflotten-Commanders Benjamin Sisko spaziert, von einem tief verletzten Stolz geprägt wurde, der aus dem Zusammenbruch seiner Karrierepläne und seines Prestiges resultiert.
Noch weniger als die politischen Handlungen des Zentralkommandos hatte Dukat verstanden, weshalb die Bajoraner ihn während seiner Zeit als Präfekt zusehends leidenschaftlicher und verbissener bekämpften. Tatsächlich hatte er sich in seinem Amt als Gouverneur von Bajor dafür eingesetzt, dem bajoranischen Widerstand den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er wollte sich in seiner Arroganz gerne als milder Übervater und fürsorglicher Herrscher sehen, und so fuhr er die Zahl der Arbeitslager deutlich zurück, verbot die Kinderarbeit und intensivierte die Versorgung mit Nahrung und Medikamenten. Womöglich hätte ein anderer Präfekt an seiner Stelle nicht so viel für die Bajoraner getan, das ist durchaus gut vorstellbar, denn die Cardassianer schauten gerne auf dieses Volk herab und erachteten seine Welt vor allem als riesige Rohstoffader.
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Doch trotz dieser Bemühungen ließen die Guerillas nicht nach, cardassianische Truppen anzugreifen, Attentate zu verüben und große Schäden anzurichten. Und das nahm Dukat zutiefst persönlich. Ihm war, als habe ihn das bajoranische Volk, dem er sein Mitgefühl geschenkt hatte, persönlich beleidigt. Später sollte er sich zur verräterischen Aussage hinreißen lassen, er habe die Bajoraner behandelt, als wären sie seine eigenen Kinder, ohne dafür Dank erhalten zu haben. Dukats Gebaren beschrieb fortwährend einen gekränkten Mann, der nie das Gefühl gehabt hatte, dass ihm vergeben werden musste, sondern dass vielmehr er anderen vergeben müsse, was sie ihm an Unrecht angetan hatten (man erinnere sich: In Sieg oder Niederlage? sagte er sowohl zur sterbenden Ziyal als auch zu Sisko, dass er ihnen „vergebe“).
Diese Selbstsicht ist bemerkenswert und offenbart nicht nur eine weit entwickelte Fähigkeit zum Selbstbetrug, sondern präsentiert Dukat als Produkt seiner Gesellschaft. Aus seiner Sicht war er kein böser Mann, sondern war überzeugt, Güte zu zeigen, doch aus Sicht der Bajoraner offenbarte er damit nur umso mehr seinen autoritär-chauvinistischen Duktus. Dukat konnte und wollte sich nie als Despoten sehen, obwohl er ganz ohne Zweifel einer gewesen war (vergessen wir nicht, dass er in seiner Zeit als Präfekt wie selbstverständlich Folterverhöre und Exekutionen anordnete, von den grausamen Taten seiner Truppen auf Bajor einmal abgesehen), aber wahrscheinlich ein in erster Linie systemgemachter. Die faschistoide Ideologie, von der er durchdrungen war, nahm ihm zusammen mit seinem Stolz die Fähigkeit, sich selbst und seine Taten hinterfragen zu können. Er berief sich darauf, dass er Befehle auszuführen hatte, Teil einer Ordnung gewesen war und nicht tun konnte, was er wollte. Das ist zweifellos richtig. Dukat ist von einer inhumanen und ungerechten Ordnung sozialisiert worden, hat in diesem Gedanken- und Gesellschaftsgerüst Karriere gemacht, und vielleicht hat er ja sogar zu Bajors Gunsten Spielräume genutzt, um die Situation der Bajoraner ein Stück weit zu verbessern. Dennoch bleibt Unrecht Unrecht. Oder um mit einem Philosophen zu sprechen: „Es kann kein richtiges Leben im falschen geben.“
Dukat hat es nie ganz direkt ausgesprochen, aber seine Äußerungen und auch seine Handlungen im Laufe der Serie lassen erkennen, dass er sich immer zutiefst nach der Anerkennung der Bajoraner gesehnt hat. Ein gut abgeschirmter Teil von ihm hat dieses Volk stets aufrichtig bewundert und beneidet, für seine Unbeugsamkeit, für seine Selbstgenügsamkeit und seinen spirituellen Kompass.
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Dukat erfindet sich neu
Der Rückzug von Bajor war nicht das Ende von Dukats schmerzhaftem Abstieg; zeitweilig sollte es noch schlimmer für ihn kommen. Wie entbehrlich Dukat für das Zentralkommando geworden war, zeigte sich selten so deutlich wie in Der Maquis. Dort wurde ihm vom Zentralkommando in die Schuhe geschoben, was es eigentlich selbst tat: das vertraglich verbotene Schmuggeln von Waffen in die Entmilitarisierte Zone, um cardassianische Kolonien aufzurüsten. Dukat gestand daraufhin vor Sisko in der ihm angestammten euphemistischen Weise: „Es sieht fast so aus, als hätte sich meine Beziehung zum Zentralkommando etwas verschlechtert.“ Daraufhin arbeitete er immerhin mit der Sternenflotte zusammen, um den Frieden zu wahren, auch wenn sich die EMZ weiter in einen Dauerbrandherd verwandelte.
Mit dem Zusammenbruch des Zentralkommandos infolge von Enabran Tains fatalem Alleingang im Gamma-Quadranten stand er in der realen Gefahr, für immer als einflussreiche politische und militärische Figur von der Bildfläche zu verschwinden. Es war die drohende Apokalypse seiner eigenen Heimat, die Dukat in eine Chance verwandelte, wieder Auftrieb zu erhalten. Die fürchterliche Invasion des Klingonischen Reichs im Jahr 2372 nutzte er vortrefflich, um sich neu zu erfinden. So diente er sich in Rekordtempo der neuen demokratischen (Kurzzeit-)Regierung als erfahrener Militärberater an. Nachdem er während des Einfalls der Klingonen sein Leben riskiert hatte, um den Detapa-Rat zu retten und in Eigenregie auf einem erbeuteten Bird-of-Prey gegen die eroberungswütigen Truppen Gowrons kämpfte, hieß man Dukat auf Cardassia einen Patrioten (Zu neuer Würde). Er schwenkte sein Fähnchen meisterhaft nach dem Wind und schwor den neuen zivilen Machthabern die Treue, nur um sie wenig später umso perfider zu betrügen.
Noch während er den Anschein weckte, an der Seite der Föderation und des Detapa-Rats gegen die irrlichternden Klingonen zu stehen, führte er Geheimverhandlungen mit dem Dominion, die ihm einen glanzvollen und nie da gewesenen (Wieder-)Aufstieg verhießen (Im Lichte des Infernos). Dukat schien nach langer Entbehrungs- und Durststrecke am Ziel seiner Träume angelangt, wenn auch zu einem schrecklichen Preis, denn er hatte die Cardassianische Union in die Hände des Dominion gelegt, einer Macht, die bewiesen hatte, wie viele Völker sie gewaltsam in ihren Herrschaftsapparat eingegliedert und dauerhaft gefügig gemacht hatte. |
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Anschluss an das Dominion
Nun kann man zu Recht die Frage stellen: Warum hat Dukat proaktiv in die Wege geleitet, dass die Cardassianische Union sich dem Dominion anschloss? Steckten lediglich Narzissmus und Größenwahn, seine Ehre wiederzuerlangen und selbst an die Spitze des cardassianischen Staates treten zu wollen, dahinter oder gab es noch andere Kalküle? Nun, ganz sicher gab es sie. Auf den zweiten Blick nämlich ist Dukats Entscheidung, mit dem Dominion gemeinsame Sache zu machen, gar nicht so leichthin als Werk eines Selbstsüchtigen zu verdammen.
Führen wir uns vor Augen, wo die Cardassianische Union stand, als Dukat sich in Geheimverhandlungen mit den Gründern begab. Dukat hatte es selbst gesagt: Im Zuge von Dekolonialisierungsprozessen, Wirtschaftsnöten, Maquis-Chaos, Zusammenbruch der alten politmilitärischen Ordnung und vor allem dem verheerenden Krieg gegen die Klingonen (der sich in cardassianischem Raum abgespielt hatte) war die Union auf der Skala der großen Mächte abgestiegen und stand in der realen Gefahr, eines Tages erobert zu werden oder vielleicht aufgrund innerer Spannungen auseinanderzubrechen. Zu dem Zeitpunkt, als das Dominion auftauchte, waren die Cardassianer damit so geschwächt wie selten zuvor in ihrer jüngeren Geschichte und drohten angesichts ihrer relativ nahen Lage am Wurmloch die ersten Opfer der Gründer zu werden…oder doch noch von Gowrons Streitkräften annektiert zu werden.
Hatte Dukat also abseits seiner egoistischen Ambitionen in erster Linie den Schutz und den politischen Wiederaufstieg seines Volkes im Sinn? Womöglich sah er die einzige Chance darin, Cardassia dem Dominion zu einem teuren Preis zu verkaufen, ehe es zu spät war. Die Gründer brauchten einen Brückenkopf im Alpha-Quadranten sowie einen Partner, der sich in diesem Teil der Galaxis auskannte. Zweifellos war Dukat sich darüber im Klaren, dass das Dominion und die Cardassianer einander nur benutzten und dass das Imperium der Formwandler Cardassia niemals als gleichwertige Partner ansehen würden. Es spricht einiges dafür, dass er die ganze Bündniskonstruktion nur als temporäre Lösung erachtete, um die Union wieder zu Stärke zu führen. Eines Tages, so vermutlich seine Hoffnung, würde er dann dafür sorgen, dass Cardassia nichts mehr mit seinen ungeliebten Alliierten teilen musste. Ob diese Rechnung aufgegangen wäre, ist mit Blick auf die Stärke und machtpolitische Gnadenlosigkeit des Dominion höchst fraglich.
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Nach der Einnahme von DS9 übte Weyoun beständig Druck auf Dukat aus, das Minenfeld zu neutralisieren, damit Jem’Hadar-Nachschub durch das Wurmloch kommen konnte. Wer weiß, es wäre vorstellbar, dass Dukat schon früher eine Möglichkeit gesehen hatte, die Minen abzutragen. Er zögerte die Umsetzung jedoch so lange hinaus, wie er konnte (bis sich abzeichnete, dass die Sternenflotte und die Klingonen zurückschlagen würden), denn ihm war klar, dass die Cardassianer angesichts von Abertausenden Schiffen an Dominion-Verstärkung rapide an Wert verlieren würden. Daran zeigt sich, dass Dukat möglicherweise kurzfristigen Bedürfnisbefriedigungen für sich und sein Volk mehr Gewicht eingeräumt hatte als langfristigen strategischen Überlegungen. Zugleich konnte er auch für sich in Anspruch nehmen, Cardassia immerhin eine neue Chance als Teil des Dominion gegeben zu haben.
Auszuloten, wo die Selbstsucht endet und wo der Patriotismus beginnt, ist nicht ganz einfach, doch Dukat hat – wie auch andere Cardassianer – im Laufe seines Lebens durchaus große Opfer für das Wohl seines autoritären, erbarmungslosen Staates gebracht, also kann man ihm durchaus abnehmen, dass er nicht nur sein eigenes Fortkommen im Blick hatte. Gewiss ging es ihm von auch darum, Terok Nor zurückzubekommen und unter neuen Vorzeichen nach Bajor zurückzukehren, um den langen, dunklen Fleck auf seiner Uniform loszuwerden. Dukat ist eben immer von seiner Vergangenheit verfolgt worden. Wie verhängnisvoll sich Dukats Entscheidung, mit dem Dominion zu paktieren, letztlich für sein eigenes Volk auswirken würde, konnte er zu diesem Zeitpunkt unmöglich wissen, auch wenn ihm klar war, dass er in den Krieg gegen Föderation und Klingonen ziehen würde. Letzten Endes, so zeigte uns das Finale der Serie, musste Cardassia durch Dukats ‚Anschluss‘ mehr leiden denn je zuvor. |
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Ambivalenter Charakter
Trotz seiner Überheblichkeit und seines Selbstbetrugs, in dem er gefangen war, hatte Dukat auch seine Stärken und anerkennenswerten Seiten. Selbst Jene, die nur Verachtung für ihn übrig hatten, wussten um seine Intelligenz, um sein Charisma und um seinen ganz eigenen Charme. Zuweilen konnte sein Humor so trocken wie seine geliebte Heimatwelt sein. Dukat konnte Bedauern, Selbstkritik, Dankbarkeit und Bescheidenheit an den Tag legen, nur um sich im nächsten Moment an sich selbst zu berauschen. Er konnte vorsichtig und geradezu zärtlich vorgehen, nur um kurz darauf zuzugreifen und einen zu überrennen, das Gefühl von Kontrolle und Macht zu genießen. Manchmal war er ein Raubtier auf der Lauer – systematisch und taktisch –, doch manchmal ergab sich der schnelle Wechsel seines Gebarens ganz situativ und abhängig von den Personen, mit denen er zu tun hatte. Diese Palette an Emotionen und Befindlichkeiten schlummerte in ihm, und nicht immer spielte er bewusst auf der Klaviatur seiner Persönlichkeit. Oft war er ein Mann des Affektes, und das verlieh seinen Aktionen und Reaktionen immerhin etwas Ehrliches. Selbst, wenn Dukat – entgegen seines verklärten Bildes von sich selbst – nie eine sonderlich empathische Person gewesen war, gab es Situationen, in denen er zu Gnade und Nachsicht fähig war. Dukats Makel ließ das zuweilen so faszinierend wie seine Verdienste wirken.
Dukat hatte zwar vielfach im Laufe seines Lebens getötet und vor allem töten lassen. Selbst ein Mann wie er hatte jedoch seine moralischen Grenzen. In der Abgrenzung zu Weyoun zeigte sich dies deutlich. Weyoun spekulierte in Sieg oder Niederlage? über die präventive Auslöschung der Erdbevölkerung, um nach der Eroberung der Föderation jeden Keim potenziellen Widerstands zu ersticken, woraufhin Dukat einen Moment schockiert wirkte und erwiderte: „Das können Sie nicht machen.“ In seiner Antwort auf die Idee des Vorta offenbarte er sich als traditioneller Imperialist, dem es wichtig war, sein aus seiner Sicht rechtmäßiges Stück vom Kuchen zu bekommen – und vor allem dass seine Feinde seine Größe bereitwillig anerkannten, wie er es selbst ausdrückte. Weyoun und dem Dominion hingegen ging es nicht um solche Dinge; sie waren frei von einem prestigesüchtigen Ego oder dem Bedürfnis nach Ruhm. Sie wollten dauerhafte, ultimative Kontrolle, ohne das geringste Risiko, um die restlose und allumfassende Durchsetzung ihrer totalitären Herrschaftsideologie sicherzustellen – und dazu war jeder Preis recht. Das Dominion war selbst für einen Mann für Dukat zu radikal. Er hatte sich eingebildet, er könnte zu einem Haufen Piranhas ins Becken steigen und diese zumindest vorübergehend irgendwie zähmen, aber dieses Vorhaben endete zwangsläufig damit, dass einem ein Finger abgebissen wurde.
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Respekt gegenüber Sisko
Den Sternenflotten-Offizier Sisko erkannte Dukat von Beginn an als sein Gegenstück, als seinen Kontrahenten und zeitweiligen Verbündeten, für den er dennoch aufrichtigen Respekt empfand. Diese Achtung und Wahrnehmung als ebenbürtigen Gegner drückte sich symbolisch darin aus, dass Dukat während seiner zweiten ‚Amtszeit‘ nach der Eroberung von DS9 durch das Dominion ständig mit Siskos zurückgelassenem Baseball beschäftigt war. Sisko war damit in Dukats Denken ständig präsent. Das wohl ikonischste Bild im Zusammenhang mit dem Baseball ergab sich während der Schlacht um die Rückeroberung der Station durch die Sternenflotte: Dukat hielt das ledernde, runde Objekt ständig in der Hand, so als wolle er dadurch einen Einblick in Siskos Strategie erhalten, wissen, welchen Zug er als nächstes auf dem großen Schachbrett ihrer Konfrontation machen würde. Er wollte unbedingt, dass Sisko sah, dass er es war, der das vom Sternenflotten-Captain errichtete Minenfeld zu Fall brachte. Was es für seine eigene politische Stellung bedeutete, wenn die Jem‘Hadar den Alpha-Quadranten einnahmen, schien ihm bemerkenswerterweise fast weniger wichtig als sein Rivalitätsverhältnis zu Sisko.
Dukat funktionierte als Figur so gut, weil er auffällige Gemeinsamkeiten mit Sisko hatte und zugleich vollkommen anders war. Wie Sisko war er Kommandant mit politischem Einfluss, Vater, Soldat und – später – religiöse Figur. Und er hatte die Verantwortung für das bajoranische Sonnensystem und dessen Bevölkerung. Dennoch interpretierte er diese Rollen konträr zu Sisko. Eben in dieser Art von Spiegelung liegt die Quintessenz der komplexen Held-Schurken-Beziehung, die in der Folge Das Gute und das Böse regelrecht plastisch wird.
Dukat war nie ein Mann mit bloß einem einzigen Ziel. Er scheute sich nicht davor, sich selbst zu widersprechen oder sich nötigenfalls vor den Augen aller zu korrigieren, wenn ihm daraus ein Vorteil erwuchs. Seine Motive entsprangen seinem Stolz, aber auch seinen Obsessionen und Liebschaften. Er war Ehemann und Familienvater, hatte sieben Kinder (die er jedoch aufgrund seiner einnehmenden militärischen Karriere kaum zu Gesicht bekam) und war doch auch ein passionierter Ehebrecher, der über diverse bajoranische Mätressen verfügt hatte, darunter auch Kira Nerys‘ Mutter Meru.
Nicht von irgendwoher rührte daher Dukats Besessenheit von Kira Nerys. Oft benahm er sich, als wolle er ihre Beachtung, Anerkennung – und ihre Vergebung. Kira indes zeigte sich zumeist angewidert ob dieser Annäherungsversuche. Eine Ausnahme bildete die kurze Phase nach der Rettung seiner unehelichen bajoranischen Tochter Tora Ziyal, in der Kira Dukat eine Veränderung zum Positiven zugestand und sogar, wenn auch etwas widerwillig, Zeit mit ihm verbrachte. Sein Entschluss, einen scheinbar selbstlosen Guerillakampf gegen die Klingonen führen zu wollen, imponierte einem Teil von ihr. Und doch war das nur ein kurzes Intermezzo in einer unheilbaren Beziehung. Kira konnte Dukat selbstverständlich nie verzeihen, was er während der Besatzung getan hatte, auch wenn sie manchmal gezwungen war, mit ihm zu kooperieren. Er war für sie der Repräsentant der Unterdrückung ihres Volkes.
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Sein nobelster Moment
Es fiel Dukat nicht sonderlich schwer, Unschuldige zu töten oder zu Elend und Tod zu verurteilen, wenn es ihm nutzte, und er konnte es wunderbar rechtfertigen. Dukat hatte immer Gründe gefunden, sein Handeln zu legitimieren. Insofern kostete es ihn keine Skrupel, Ziyal aufzuspüren, um sie zu liquidieren, damit sein gesellschaftlicher Status nicht Schande und Schmach erfuhr. Doch dann begegnete er seiner Mischlingstochter und stellte fest, dass er sein Vorhaben nicht in die Tat umsetzen konnte (Indiskretion). Etwas Ungeahntes erwachte in ihm. Er bekannte sich zu Ziyal und erkannte sie öffentlich an, obgleich er damit seine Ehe und gewissermaßen seine übrigen Kinder opferte. Selbst seine Mutter verstieß ihn. Der Detapa-Rat degradierte ihn, und die cardassianische Gesellschaft zeigte ihm die kalte Schulter. Dukat schien bereit, sich von der Vergangenheit frei zu machen und einen ganz neuen Pfad im Leben einzuschlagen, doch letztlich konnte er kein neuer Mann werden.
Trotzdem: Sein Entschluss, all diese Opfer zu bringen, um ein echter, liebender Vater für Ziyal zu sein („Du bist das Einzige, was ich habe, das Einzige, was mir etwas bedeutet“), war Dukats nobelster Moment. Und vielleicht war es letzten Endes auch seine einzige selbstlose Tat. Umso grauenvoller war es für ihn, als Ziyal durch die Hand seines engsten Untergebenen Damar starb, eigenmächtig hingerichtet als Verräterin. Sie starb in seinen Armen, während die Föderation und Klingonen DS9 zurückeroberten. Statt mit den Truppen des Dominion zu fliehen, ergab sich Dukat seinen Gegnern – und dem Wahnsinn. Ziyals Tod zerstörte, was das Beste an ihm gewesen war. Es zerstörte sein Herz und seine ‚Menschlichkeit‘, das Potenzial, über sich hinauszuwachsen. Dukat hatte zumindest als Privatperson am Scheideweg gestanden, und durch seinen Schicksalsschlag nahm er nun den denkbar schlimmsten Weg.
Wer weiß, vielleicht steckte in der beispiellosen Zuneigung Ziyal gegenüber auch der unausgesprochene und unbewusste Wunsch, seine Untaten reinzuwaschen sowie das Bedürfnis, auf anderem Weg die nie erhaltene Liebe der Bajoraner zu bekommen. Ziyal war zur Hälfte Bajoranerin und Cardassianerin, also stand sie für die Hoffnung, dass beide Welten eines Tages all das Unrecht, in das Dukat verstrickt gewesen war, hinter sich lassen können.
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Weg in den Wahnsinn
Nachdem er der Haft und der Sternenflotte mit Glück entkommen war, verfiel Dukat dem Wahnsinn. Es ist bezeichnend, dass er in dieser Geisteskrankheit zu dem zurückkehrte, was er in seinem Innern stets bewundert und ersehnt hatte: den Bajoranern.
Dukat unterzog sich einem antiken bajoranischen Ritual und nahm einen dämonischen Pah-Geist in sich auf, den er nach DS9 brachte (Tränen der Propheten). Dort gelang es ihm, das dämonische Wesen in den Himmlischen Tempel einzuschleusen und das Wurmloch zu verschließen, wobei er Jadzia Dax tötete. Diese Erfahrung machte Dukat zum Gläubigen. Er ließ den Kult um die gefürchteten bajoranischen Pah-Geister wieder aufleben (Entscheidung auf Empok Nor) und setzte einen ebenso gerissenen wie grässlichen Plan um: Er ließ sich chirurgisch verändern und trat mit einer neuen Identität als bajoranischer Landwirt (Anjohl Tennan) in Erscheinung. Auf Bajor erschlich er sich mithilfe der von den Pah-Geistern hervorgerufenen Visionen das Vertrauen der moralisch korrumpierten Kai Winn Adami, bewegte und manipulierte sie, ebenfalls zu den Geistern übertreten und benutzte sie, um die Pah-Geister freizusetzen (Im Ungewissen, Bis dass der Tod uns scheide, Ein Unglück kommt selten allein). Am Ende konnte nur Sisko Dukats Wahn noch stoppen; beide stürzten in den physischen Tod (Das, was du zurücklässt).
Manche Leute sagen, niemand sei so schlecht wie seine schlechteste Tat. Und das mag stimmen, womöglich sogar im Fall eines Mannes wie Skrain Dukat. Und doch sollte man – um Kira Nerys zu zitieren – eine Person daran beurteilen, was sie tut. Dukats Leben voller Niedertracht und begangenem Unrecht zeichnet ein deutliches Bild, mag er auch immer ein Potenzial in sich gehabt haben, sich neu zu erfinden und zu hinterfragen. Das Finale von Deep Space Nine lässt indes keinen Zweifel: Dukat endete nicht nur als böser Mann, sondern auch als jemand, der sein Volk auf einen ultimativen Irrweg und in den totalen Zusammenbruch geführt hat. Seine moralische Niederlage ist total. |
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Hinweis: Sämtliches in diesem Artikel verwendetes Bildmaterial entstammt www.trekcore.com (öffentlich verfügbare Screencaps)
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