The Next Generation Season 4 - 6:

 

Die Blüte der neuen Ära

 

Im dritten Jahr legte TNG einen steilen Aufstieg hin – die Qualität der Geschichten verbesserte sich erheblich. Ab der vierten Staffel „explodierte“ die Serie regelrecht, wie Rick Berman in einem Interview rückblickend feststellte. Man fand die perfekte Form für die Show und behielt dieses Konzept bis zum Schluss bei. Dabei hatte man es erreicht, Roddenberrys Vermächtnis fortzuführen, ohne sich an alle ehernen Gesetze des Star Trek-Schöpfers zu ketten, die sich in den ersten beiden Staffeln teilweise als Hemmschuh für die Serie erwiesen hatten. Spätestens zu Beginn des vierten Jahres stand fest, dass TNG nicht mehr so schnell von den Bildschirmen verschwinden würde. Und dies lag bei Weitem nicht nur an den Borg.

Noch stärker als in der Übergangsstaffel drei wurde in den kommenden Jahren mit dem Prinzip gebrochen, keine zusammenhängenden Episoden zu erzählen (man nenne es einen Schritt in Richtung horizontales Erzählen). Geschichten wie Die alte Enterprise sowie Klingonenbegegnung und Die Sünden des Vaters wurden zum Ausgangspunkt für komplexe Handlungsbögen, die gleich mehrere Staffeln überwölbten und eine bemerkenswerte Setting-Kontinuität keimen ließen. Mit dem dramatischen Zwischenschritt Tödliche Nachfolge kulminieren diese Plots nun in Showdowns wie Der Kampf um das klingonische Reich (die Duras-Schwestern fordern Gowron heraus!) und Wiedervereinigung? (bewegen sich Vulkanier und Romulaner aufeinander zu?). Hier werden mit den Klingonen und Romulanern zentrale Star Trek-Kulturen schöpferisch vertieft, große Politik und Diplomatie betrieben (man denke beispielsweise an Picard als Überwacher des Nachfolgeritus, seine besonnenen Entscheidungen während des klingonischen Bürgerkriegs) und die Themen Moral, Ehre und Anstand beleuchtet. Es ist eine unschlagbare Kombination, die zudem Platz schafft für wiederkehrende Gastrollen wie den machtbewussten Gowron und die verschlagene Sela (die zudem eine wechselvolle Geschichte mit der Enterprise verbindet).

 

Ab der vierten Staffel wendet sich TNG dann einem neuen Volk zu, das bis zum Ende der Serie immer wieder in Erscheinung treten wird: den Cardassianern, der bislang bestgelungensten Allegorie auf die Menschen des 20. und 21. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt stehen vor allem die Herausforderungen, die durch den nicht ganz einfachen Friedensvertrag mit den Cardassianern entstehen. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass großartige Folgen wie Der Rachefeldzug, Fähnrich Ro oder Geheime Mission auf Celtris III den Boden für Deep Space Nine bereiten, welches die Cardassianer zumindest anfänglich zu seinen zentralen Antagonisten macht. Dabei werden sowohl politische Probleme (Einrichtung der Entmilitarisierten Zone, Entstehung des Maquis, Umgang mit den Bajoranern) beleuchtet, die in der dritten Star Trek-Serie aufgegriffen und intensiv vertieft werden, als auch bereits ein scharfes Bild dieses hochinteressanten Volkes gezeichnet, das wie kein zweites dadurch authentisch wird, dass es sich dem klassischen Schwarzweißschema entzieht. Mit Figuren wie Gul Madred gibt es bereits eine Steilvorlage für die Erschaffung des hochfaszinierenden Garak oder Gul Dukat. Ein wenig schade ist nur, dass die Geschehnisse rund um die Cardassianer in TNG – insbesondere jene in Geheime Mission auf Celtris III – nicht in DS9 aufgegriffen werden. Zu dieser Inkonsequenz passt auch, dass das einzige genuine Crossover zwischen TNG und DS9, der Zweiteiler Der Moment der Erkenntnis in der sechsten Staffel, enttäuschend ausfällt.

Auch die Borg werden weiter verfolgt, wenn ihnen auch nicht mehr jener Schrecken anhaften mag, den sie noch in In den Händen der Borg/Angriffsziel Erde ausstrahlten. Stattdessen besinnt sich TNG hier auf eine der größten Star Trek-Tugenden, indem es den Feind umarmt. In Ich bin Hugh erleben wir erstmals einen vom Kollektiv losgelösten Borg, der mithilfe von Geordi LaForge seine Individualität entdeckt. Hugh ist keine gerettete assimilierte Person, sondern jemand, der kein anderes Leben kennt (Seven of Nine lässt grüßen). Er versucht zu verstehen und sich den neuen Umständen anzupassen. Die Sternenflotte stürzt sich relativ bald auf ihn und möchte ihn am liebsten als Überträger eines tödlichen Virus verwenden, der ins Kollektiv eingeschleust werden soll. Am Ende dieser herausragenden Folge fällt ausgerechnet Picard, der vor nicht allzu langer Zeit selbst assimiliert war, eine moralische Entscheidung zugunsten der Borg: Er entspricht Hughs Wunsch, ihn zum Kollektiv zurückzuschicken, verzichtet aber darauf, das Virus einzusetzen. Dafür legt er sich sogar mit der hohen Admiralität der Sternenflotte an und riskiert seine Karriere. In Angriff der Borg am Ende der sechsten Staffel werden die Folgen von Picards Entscheidung sichtbar, auch wenn diese sich offenkundig nur auf ein einziges Borg-Schiff auswirken wird. 

 

TNG ist in seiner Blütezeit gespickt nicht nur mit technologischen und wissenschaftlichen Bezügen (Soliton-Welle, Dyson-Sphäre etc.), sondern weit mehr noch mit sozialen und sozialkritischen Bezügen zur Gegenwart. Themen wie Folter (Geheime Mission auf Celtris III), Vergewaltigung (Geistige Gewalt), die verheerende Prägkraft des Kriegs (Der Rachefeldzug), die Macht sozialer Normen (Verbotene Liebe), Einmischung in andere Kulturen (Erster Kontakt), Sicherheitsparanoia (Das Standgericht), menschengemachte Umweltzerstörung (Die Raumkatastrophe), die Bedeutung von Bildern und Worten bei der Völkerverständigung (Darmok) und die Frage, ob und wann Maschinen Intelligenz entwickeln (Datas Hypothese) haben auch Jahrzehnte nach der Produktion der Serie kein Bisschen an Aktualität eingebüßt. Ganz im Gegenteil. Anders als in den ersten Staffeln haben sich die Autoren entschieden, mit all diesen Bezügen offener und teilweise schonungsloser umzugehen als es vermutlich Roddenberry getan hätte. Das krasseste Beispiel hierfür ist und bleibt Gul Madreds Versuch, Picard psychisch zu brechen. Es gibt wohl nur wenige Momente der Film- und Fernsehgeschichte, die sich so klar gegen die Anwendung von Folter positionieren. Als eine der besten Episoden der gesamten Serie zu rühmen ist Das Standgericht, wo ausgerechnet eine vielgeachtete Sternenflotten-Admiralin sich in Misstrauen und Fremdenhass zu verlieren droht und eine kaum für möglich gehaltene Hexenjagd veranstaltet, weil sie die Sicherheit der Föderation gefährdet sieht. Picard stellt sich ihr entgegen und hält ein beeindruckendes Plädoyer für die freiheitliche demokratische Gesellschaft, die ihren eigenen Bürgern vertraut anstatt sie auf Schritt und Tritt zu überwachen und zu verdächtigen. In Zeiten entfesselter Geheimdienste und autoritärer Machthaber ist dieses Plädoyer gegenwärtiger denn je zuvor.

Folgen wie Das Standgericht stehen gewissermaßen auch sinnbildlich für eine deutliche Absatzbewegung gegenüber den ersten Roddenberry-Jahren, in denen die Föderation und die Sternenflotte im Hinblick auf ihre moralische Korrumpierbarkeit und Integrität niemals angekratzt wurden. Doch eine Reihe von Episoden ab Staffel vier (u.a. Der Rachefeldzug, Fähnrich Ro, Das Pegasus-Projekt) zeichnet ein zusehends anderes Bild: Die Föderation erscheint nicht mehr unfehlbar, die Admiräle und Captains der Sternenflotte sind es auch nicht. Stattdessen werden die Enterprise und ihr Captain Picard zum Ort, an dem hehre ethisch-moralische Prinzipien und ehrenvolle Tugenden hochgehalten und verteidigt werden (diplomatische Lösungen haben Vorrang!), während außerhalb die Föderationswelt nicht nur von Gutmenschen bevölkert ist, sondern durchaus auch von Karrieristen, Machtpolitikern, Intriganten und Verschwörungstheoretikern. Deep Space Nine wird diese Linie weiterverfolgen und spätestens mit dem putschenden Sternenflotten-Admiral Leyton und der Sektion 31 auf die Spitze treiben.

 

Jenseits der sehr stark repräsentierten moralisch und politisch aufgeladenen Episoden, die teilweise grandiose Lehrstücke in punkto Humanismus bereithalten, gibt es eine Phalanx von großartigen Folgen, die in andere Schubladen fallen. Eine sich in TNG vortrefflich entwickelnde Kategorie ist dem Mystery- und Horrorgenre zuzuordnen. Diese Episoden werden teilweise geschickt mit Science-Fiction-Phänomenen und -Fragestellungen verwoben. Prominente Beispiele hierfür sind Das Experiment, Beweise, Der unbekannte Schatten, Déjà Vu, In den Subraum entführt, Phantasie oder Wahrheit und Gefangen in einem temporären Fragment.

Das Thema galaktische Archäologie, das mit Die Iconia-Sonden und Picard macht Urlaub schon einige Testläufe hatte, findet in Das fehlende Fragment seine Vollendung. Hier erfährt der Zuschauer nicht nur eine Menge über das Leben, gegen das Picard sich entschied sowie über seinen früheren Mentor Richard Galen. Am Ende der Episode steht gar die umwälzende Erkenntnis, dass nichts so ist wie gedacht: Das intelligente Leben in der Milchstraße geht offenbar auf ein Urvolk von Humanoiden zurück, was schön erklärt, warum wir in Star Trek so vielen menschenähnlichen Aliens begegnen. Die Art und Weise, wie Picard dieses Geheimnis lüftet, gehört zum Besten, was TNG zu bieten hat. Man hätte gut und gerne eine Doppelfolge daraus machen können, um die Bedeutung dieser Geschichte noch besser zu betonen und zu entfalten.

 

Eine weitere zentrale Kategorie der Staffeln vier bis sechs sind Charakterepisoden, die teilweise von einer Tiefe und Intensität sind, wie sie vorher in TNG nicht denkbar gewesen wären. Allem voran gilt dies für Picard, der mit Familienbegegnung, Das zweite Leben und Willkommen im Leben nach dem Tode drei Glanzstücke bekommt. Familienbegegnung schließt unmittelbar an Angriffsziel Erde an. Picards Verletzlichkeit kommt in dieser langsamen, einfühlsamen Episode voll zur Geltung, während er seinen missgünstigen Bruder Robert und dessen Familie in Frankreich besucht. Im Laufe des Besuchs sinkt Picards Deckung immer weiter, bis man seine schweren emotionalen Wunden sieht. Der Charakter des Mannes, der noch in den ersten zwei Staffeln als 'Teflon-Captain' galt, ist hier so anfassbar wie nie und öffnet ihn auf Dauer. Das Trauma von Picards Assimilation sollte noch Stoff für einen ganzen Kinofilm bieten. Der Erste Kontakt widmet sich verstärkt den Rachegefühlen, die Picard in Folge seiner Peinigung empfindet, als die Borg Jahre später eine erneute Invasion der Föderation starten.

In Das zweite Leben wird Picard von einer fremden Sonde gescannt, und er landet im Leben Kamins, einem der letzten Vertreter einer längst durch eine Naturkatastrophe ausgelöschten Spezies. Nach und nach akzeptiert Picard sein neues Leben, zu dem eine Gattin, Freunde, Kinder und Enkel gehören. Picard lernt seine neue Zivilisation zu schätzen, und wenn er am Ende der Folge um ihr Schicksal trauert, trauert man mit ihm. Zweifellos handelt es sich um einen der größten schauspielerischen Momente Stewarts in der Serie. In Willkommen im Leben nach dem Tode stirbt Picard am Versagen seines künstlichen Herzens. Q empfängt ihn im Jenseits und gibt ihm die Möglichkeit, herauszufinden, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn er sein echtes Herz niemals verloren hätte. Diese Episode ist nicht nur ein spannendes Was-wäre-wenn-Szenario und die Erforschung einer Schlüsselstelle in Picards Vergangenheit. Vor allem läuft Q als Mentor, der Picard etwas über sich selbst beibringt, zu ungeahnten Höhen auf, abgesehen davon, dass die Episode vor komischen Momenten nur so strotzt. Vielleicht die beste Geschichte, die es rund um den allmächtigen Quälgeist gibt.

 

Neben Picard entwickelt sich Data besonders stark weiter. Nachdem er in der dritten Staffel versuchte, einen Nachkommen zu erschaffen, geht er im vierten Jahr seine erste Beziehung ein (Datas erste Liebe). Leider ist die Folge einer der wenigen negativen Ausreißer in persönlichkeitsbildenden Episoden des Androiden. Sie läuft über vor Klischees, übertriebenen Gesten und peinlichen Momenten, die Data teilweise wie eine Karikatur wirken lassen. Dafür ist der ‚Familienplot‘ gut gelöst: In Die ungleichen Brüder stößt Data auf seinen Erschaffer Dr. Noonien Soong, und auch sein zynischer ‚Bruder‘ Lore ist wieder mit von der Partie. Das Familienmotiv wird beibehalten und kommt in Der Moment der Erkenntnis voll zur Entfaltung. Hier überwindet Data die Grenzen seiner ursprünglichen Programmierung, indem er einer rätselhaften Vision auf den Grund geht, in der er seinen Vater sieht. Ansonsten darf sich Data in weiteren Episoden als Bezugsperson eines Waisenkinds versuchen (Der einzige Überlebende) und Trauzeuge sein. Die Episode Datas Tag ist ausgesprochen liebenswürdig aus seiner Perspektive verfasst und steht Pate für die spätere, ebenfalls sehr gute Enterprise-Folge Lieber Doktor.

Der dritte Hauptcharakter, der sich in den Staffeln vier bis sechs erheblich entwickelt, ist Worf. Hatte man schon in Staffel drei sein großes Potenzial erkannt, wird dieses nun noch wesentlich stärker genutzt. Mehr Geschichten als nur die fantastische Doppelfolge Der Kampf um das klingonische Reich führen Worfs Ritterlichkeit (die der der meisten Klingonen an Ehre weit überlegen ist), aber auch seine Verletzlichkeit und vor allem seine innere Zerrissenheit als Mann zwischen zwei Welten vor Augen. Der Moment der Erkenntnis gibt ihm die Gelegenheit, sich seinem Kindheitstrauma (Khitomer-Massaker, Verlust seiner klingonischen Familie durch einen Hinterhalt der Romulaner) zu stellen. Worf spielt hier eine ungemein glaubwürdige, wenn auch fehlbare Rolle, doch all diese Erfahrungen werden ihm helfen, Frieden zwischen seiner klingonischen Natur und seiner menschlichen Prägung zu stiften. Einzig die Szenen, in denen er in der Rolle des alleinerziehenden Vaters gezeigt und sein schwieriges Verhältnis zu seinem Sohn Alexander beleuchtet wird, können nicht vollends überzeugen. Immerhin wird über diese Schiene aber seine Beziehung zu Deanna Troi weiterentwickelt.

 

Weitgehender Stillstand herrscht hingegen bei den übrigen Charakteren. Deanna Trois Figur hat nach wie vor Probleme, ihre Nische zu finden, insbesondere seit Guinan höchst erfolgreich zur informellen Schiffspsychologin und Beraterin Picards wurde. Die Episode Das kosmische Band steht beinahe sinnbildlich für die Malaise des Troi-Charakters: So wie der Counselor hier den Verstand zu verlieren droht, müssen die Autoren daran verzweifelt sein, Troi irgendwo sinnvoll einzusetzen. Riker bekommt nach seinem furiosen und für den Zuschauer neuartigen Kommando in Angriffsziel Erde zwar einige Folgen, in denen er im Mittelpunkt steht (u.a. Gedächtnisverlust, Verbotene Liebe, Riker : 2 = ?), kann aber in keiner davon richtig brillieren. Während Picard, Data und Worf noch richtige Schübe nach vorn machen, scheint seine Entwicklung bereits abgeschlossen zu sein. Ähnliches gilt für Geordi LaForge. Zwar ist er in einige dramatische Geschehnisse verwickelt (Entführung und Gehirnwäsche durch die Romulaner, Transformation in ein Alien), doch letztlich agiert er in besagten Folgen als weitgehend austauschbarer Statist. So ist LaForge von seiner Freundschaft mit Data und seinem wiederkehrend thematisierten Frauenproblem abgesehen (Die Begegnung im Weltraum, Aquiel) einfach nur der sympathische Chefingenieur mit einem Hang zum Technobabble.

Während Season vier gemeinhin als ‚Familienstaffel‘ gilt, in der wichtige Hauptfiguren über familiäre Erfahrungen reifen, werden im fünften Jahr einige Akzente verändert. So deutlich wie nie schlägt hier die Stunde der Gastcharaktere. Mit der Bajoranerin Ro Laren steigt nach Barclay ein weiterer Antityp der vermeintlich perfekten Sternenflotte in die Serie ein. Ros Einstieg in die Show liefert eine wichtige Aufbauleistung für die Bajor-Cardassia-Situation, selbst wenn – insbesondere in ihrer Debütfolge Fähnrich Ro – klar erkennbar ist, dass beide Völker noch nicht die Form haben wie später in DS9 (Bajoraner als vertriebenes Volk, Erscheinung und Verhalten der Cardassianer). Es ist schade, dass Ros Charakter bereits wenige Folgen nach ihrer Einführung in die Serie zu verblassen beginnt. Nach nur einer Handvoll Auftritten, von denen neben Fähnrich Ro wohl So nah und doch so fern noch am besten gelungen ist, schreiben die Autoren sie zu Beginn von Staffel sechs wieder aus der Serie. Allerdings wird sie kurz vor Ende von TNG noch einmal zurückkehren und einen Abgang bekommen, der ausgesprochen gut zu ihrer Rolle und zu ihrem spezifischen Verhältnis zu Picard passt (Die Rückkehr von Ro Laren).

 

Barkeeperin Guinan erweist sich in zahlreichen Szenen erneut als weise Seele mit einem besonderen Gespür für die Zeitlinie. In Gefahr aus dem 19. Jahrhundert erfahren wir etwas über ihre Vergangenheit und wie sie und Picard sich erstmals begegneten. Auch der bereits erwähnte Barclay hat mit Reise ins Ungewisse und Todesangst beim Beamen wieder seine Auftritte. Anders als in der dritten Staffel, wo er teilweise noch etwas überzeichnet wirkte, teilweise die Autoren unsicher schienen, wie sie ihn handhaben sollten, hat der neurotische Ingenieur ab Staffel vier voll und ganz zu sich selbst gefunden und lockert die Crew auf. Zu ihm gesellen sich neben Transporterchief Miles O’Brien und seiner Frau Keiko, die vor allem in Datas Tag und Der Rachefeldzug größere und überzeugende Parts haben, neue permanente Gastfiguren: Schwester Alyssa Ogawa auf der Krankenstation, der aufgedrehte Friseur Mister Mot sowie Worfs Sohn Alexander Rozhenko. Dafür verlässt Wesley Crusher in der ziemlich unsäglichen Folge Die letzte Mission die Enterprise, um auf die Akademie der Sternenflotte zu gehen. Die Episoden in Staffel fünf, in denen er als Gastfigur zurückkehrt (Gefährliche Spielsucht, Ein missglücktes Manöver), zeigen ihn als reiferen und nicht unfehlbaren Charakter, was gegenüber der flachen Wunderkindrolle, die er in den ersten Jahren einnahm, eine klare Verbesserung ist. Trotzdem wäre die Behauptung wohl übertrieben, dass Wesley ernsthaft vermisst wird.

Spätestens mit dem vierten Jahr war ersichtlich geworden, dass TNG seine eigene Identität gefunden hatte. Also sprach nichts mehr gegen Gastauftritte von TOS-Figuren. Mit Spock (Wiedervereinigung?) und Scotty (Besuch von der alten Enterprise) bekommen wir gleich zwei Classic-Figuren aus der ersten Reihe als Besucher des 24. Jahrhunderts, und beide Auftritte sind sehr gut gelungen. Im Fall von Wiedervereinigung? ist Picards besondere Verbindung mit Sarek (Botschafter Sarek) eine wichtige Voraussetzung für den Umgang mit seinem Sohn. Spock präsentiert sich als deutlich gereifte Figur, die einen Ausgleich zwischen vulkanischer und menschlicher Hälfte gefunden hat und auf ihre alten Tage ziemlich stur sein kann. Das Zusammenspiel zwischen Patrick Stewart und Leonard Nimoy kommt übrigens wesentlich natürlicher daher als das erzwungene Aufeinandertreffen von Picard und Kirk in Treffen der Generationen. Scotty wiederum steht schön für den Kontrast zwischen TOS- und TNG-Ära: Als zupackender, hemdsärmeliger ‚Wunderwerker‘ trifft er auf den wissenschaftlichen, sehr ernsten und seriösen Geordi LaForge, kann ihm aber auch etwas beibringen.

 

Zu den Figuren ist noch zu sagen, dass ab Staffel vier die familiäre Atmosphäre an Bord der Enterprise immer stärker wird. Im letzten Jahr der Serie wird sie so deutlich spürbar sein, dass sie sogar weniger gelungene Episoden rettet. Ebenso werden schwächere Figuren von den stärkeren problemlos mitgezogen. Die starke Verbundenheit der Charaktere untereinander und die Vertrautheit mit dem jeweils anderen sind in keiner zweiten Star Trek-Serie derart klar erkennbar. Es ist schade, dass in den TNG-Kinofilmen kaum darauf aufgebaut wurde.

Eine bleibende stilistische Veränderung, die ab Staffel vier einsetzt, ist das Auftreten von Cliffhangern als spannungsträchtiges Bindeglied zwischen zwei Seasons sowie staffelinternen Zweiteilern. Ohne Zweifel geht dies auf den überaus erfolgreichen Testballon In den Händen der Borg/Angriffsziel Erde zurück. Cliffhanger boten das Potenzial, die Quoten hochzuhalten und erheblich komplexere Geschichten zu erzählen. Sie sollten auch in nachfolgenden Star Trek-Serien des Öfteren eingesetzt werden. In TNG gibt es eine ganze Reihe von sehr guten bis exzellenten Doppelfolgen, wenngleich es mit wenigen Ausnahmen nahezu charakteristisch ist, dass Teil zwei schwächer ausfällt als der erste Teil geendet hat (besonders deutlich bei Wiedervereinigung?, Gefahr aus dem 19. Jahrhundert und Der Moment der Erkenntnis). Dennoch kann gar kein Zweifel bestehen: Mit dem bereits hohen Niveau von Staffel vier angefangen, sind das fünfte und sechste Jahr sogar noch etwas besser. The Next Generation hat in dieser Phase so viele Highlights zu bieten wie keine andere Star Trek-Show vor oder nach ihr. Es ist verständlich, dass Picard, Data, Worf und Co. spätestens in ihrer Blütezeit zum Kult wurden - weit über klassische Science-Fiction-Liebhaber hinaus.

 


Gesamtbeurteilung: TNG at its best, Star Trek at its best. Die Serie produziert gleich eine ganze Phalanx an herausragenden und unvergesslichen Episoden, die vor allem ihren humanistischen Markenkern stärken. Weil die Tendenz von Staffel vier bis sechs zudem noch weiter aufwärts geht, vergebe ich diesmal sage und schreibe neun Punkte. Leider wird TNG dieses enorme Niveau (vom furiosen Finale einmal abgesehen) in seinem letzten Jahr nicht beibehalten können.

 

 

Anmerkung: Die Gesamtbeurteilung ist keine bloße Addition aller Einzelbewertungen, sondern gewichtet prominente bzw. staffelbezeichnende Episoden stärker.

 

 

Einzelbewertung: Staffel 4

4.01

Angriffsziel Erde [B]

4.02

Familienbegegnung

4.03

Die ungleichen Brüder

4.04

Endars Sohn

4.05

Das Experiment

4.06

Die Rettungsoperation

4.07

Tödliche Nachfolge [K]

4.08

Gedächtnisverlust

4.09

Die letzte Mission

4.10

Das kosmische Band

4.11

Datas Tag

4.12

Der Rachefeldzug [C]

4.13

Der Pakt mit dem Teufel

4.14

Beweise

4.15

Erster Kontakt

4.16

Die Begegnung im Weltraum

4.17 Augen in der Dunkelheit
4.18 Der unbekannte Schatten
4.19 Die Reise ins Ungewisse
4.20 Gefangen in der Vergangenheit
4.21 Das Standgericht
4.22 Die Auflösung
4.23 Odan, der Sonderbotschafter
4.24 Verräterische Signale
4.25 Datas erste Liebe
4.26 Der Kampf um das kling. Reich (1) [K], [R]

 

Einzelbewertung: Staffel 5

5.01

Der Kampf um das kling. Reich (2) [K], [R]

5.02

Darmok

5.03

Fähnrich Ro [C]

5.04

Das Recht auf Leben

5.05

Katastrophe auf der Enterprise

5.06

Gefährliche Spielsucht

5.07

Wiedervereinigung? (1) [R], [S], [K]

5.08

Wiedervereinigung? (2) [R], [S], [K]

5.09

Der zeitreisende Historiker

5.10

Die Soliton-Welle

5.11

Der einzige Überlebende

5.12

Geistige Gewalt

5.13

Das künstliche Paradies

5.14

Mission ohne Gedächtnis

5.15

Ungebetene Gäste

5.16

Die Operation

5.17

Verbotene Liebe

5.18

Déjà Vu

5.19

Ein missglücktes Manöver

5.20

Hochzeit mit Hindernissen

5.21

Eine hoffnungslose Romanze

5.22

Die imaginäre Freundin

5.23

Ich bin Hugh [B]

5.24

So nah und doch so fern

5.25

Das zweite Leben

5.26

Gefahr aus dem 19. Jahrhundert (1)

 

Einzelbewertung: Staffel 6

6.01

Gefahr aus dem 19. Jahrhundert (2)

6.02

Todesangst beim Beamen

6.03

Der unmoralische Friedensvermittler

6.04

Besuch von der alten Enterprise

6.05

In den Subraum entführt

6.06

Eine echte Q

6.07

Erwachsene Kinder

6.08

Eine Handvoll Datas

6.09

Datas Hypothese

6.10

Geheime Mission auf Celtris III (1) [C]

6.11

Geheime Mission auf Celtris III (2) [C]

6.12

Das Schiff in der Flasche

6.13

Aquiel

6.14

Das Gesicht des Feindes

6.15

Willkommen im Leben nach dem Tode

6.16

Der Moment der Erkenntnis (1) [K]

6.17

Der Moment der Erkenntnis (2) [K]

6.18

In der Hand von Terroristen

6.19

Der Feuersturm

6.20

Das fehlende Fragment [C]

6.21

Fantasie oder Wahrheit

6.22

Verdächtigungen

6.23

Der rechtmäßige Erbe

6.24

Riker : 2 = ?

6.25

Gefangen in einem temporären Fragment

6.26

Angriff der Borg (1) [B]

K = Klingonen/Worf-Handlungsbogen, R = Romulaner/Sela-Handlungsbogen, S = Spock/Sarek-Handlungsbogen

B = Borg-Folge, C = Cardassianer-Folge

 

Legende

Outstanding Episode (Prädikat: besonders wertvoll)
gute bis sehr gute Episode
durchschnittliche Episode
schlechte Episode
hundsmiserable Episode (Fremdschämen und/oder zu Tode langweilen garantiert)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hinweis: Sämtliches in diesem Artikel verwendetes Bildmaterial entstammt www.trekcore.com (öffentlich verfügbare Screencaps)

 

B'rel-Klasse Vor'Cha-Klasse K't'inga-Klasse Negh'Var-Klasse K'Vort-Klasse