Pilotfilm Voyager: Der Fürsorger
Stringente und viel versprechende Einleitung
Als damals, zu Beginn des Jahres 1995, parallel zur dritten Season von DS9 und kurz nach dem Ende von TNG, Der Fürsorger (im Original: Caretaker) erstmals bei UPN ausgestrahlt wurde, war die Geschichte offen, wie es so schön heißt. Der Pilotfilm etablierte ein bestimmtes Setting und gab Handlungslinien vor, schuf damit Erwartungshaltungen. Daher möchte ich ihn als für sich stehenden Auftakt in die vierte Star Trek-Inkarnation bewerten.
Da Michael Piller und Jeri Taylor für das Drehbuch verantwortlich zeichneten, stand zur erwarten, dass es eine merkliche Nähe und keinen harten Bruch mit den ST-Schwestern geben würde. Genau so ist es dann auch gekommen: Betrachtet man die ersten Minuten von Voyager, ist auffällig, wie groß die inszenatorischen Parallelen mit Deep Space Nine sind. Wie schon beim Vorgänger-Piloten erläutert ein Lauftext die Ausgangslage, wobei es im vorliegenden Fall um den Maquis-Konflikt geht, einen explosiven Spaltpilz in den fragilen Beziehungen zwischen den Cardassianern und der Föderation. Es folgt eine kurze, intensive Actionsequenz im Sinne einer Vorerzählung, die bereits einen Teil der späteren Ausgangslage der Serie determiniert: Ein Maquis-Raider unter dem Befehl des abtrünnigen Sternenflotten-Commanders Chakotay – bei ihm sind zudem die Halb-klingonin B’Elanna Torres und der Vulkanier Tuvok – wird während einer dramatischen Flucht vor einem cardassianischen Kriegsschiff mitten durch die Plasmastürme der Badlands von einer Art energetischer Schockwelle erfasst.
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Dann landen wir in der eigentlichen Jetzt-Zeit der Serie. In einer Strafanstalt auf Neuseeland rekrutiert Captain Kathryn Janeway den früheren Sternenflotten-Offizier und Kurzzeit-Maquis Tom Paris, um den verschollenen Maquis-Raider in den Badlands aufzuspüren. Um den Frieden mit Cardassia zu bewahren, macht die Sternenflotte Jagd auf ihre eigenen Leute. Janeway eröffnet Paris, dass ihr vulkanischer Sicherheitschef als Spion auf Chakotays Schiff eingeschleust wurde und sie seinen Verbleib mit Paris‘ Hilfe aufklären möchte. Dieser zeigt sich zunächst skeptisch, wie ein Schiff der Sternenflotte in den Tiefen der Badlands sicher manövrieren möchte, doch Janeway ist sicher, dass ihr Raumschiff – die funkelnagelneue U.S.S. Voyager (NCC-74656) – die Herausforderung meistern wird. Und tatsächlich gelingt es kurze Zeit nachdem das Schiff von Deep Space Nine abgelegt hat die Fährte des Maquis-Raiders aufzunehmen…um daraufhin von genau der gleichen Energiewelle erfasst zu werden.
Schwer beschädigt und mit einer Reihe von empfindlichen Verlusten in der Crew, findet sich die Voyager im Umfeld einer gewaltigen Phalanx wieder, die ominöse Impulse an einen unbestimmten Ort abfeuert. Ebenfalls in der Nähe ist der Maquis-Raider, nach dem Janeway gesucht hat. Man stellt fest, dass diese Energiefront die Voyager über 70.000 Lichtjahre von der alten Position weggezogen hat. Das bedeutet auf konventionellem Weg einen fünfundsiebzig Jahre dauernden Rückflug in die Heimat. Als wäre dieser Schock nicht schon genug, wird die Mannschaft ohne Vorwarnung auf die Phalanx teleportiert und dort einer äußerst peinvollen medizinischen Prozedur unterzogen. Im Anschluss werden Fähnrich Harry Kim von der Voyager und B’Elanna Torres vom Maquis-Raider nicht auf ihre jeweiligen Schiffe zurückgeschickt, sondern mit einer schweren Infektion zum Planeten Ocampa. Die indigene Bevölkerung dieser Welt ist nach einer Naturkatastrophe unter die Erde gezogen und von den Energielieferungen der Phalanx ihres sogenannten Fürsorgers völlig abhängig. Doch lange lässt sich diese Situation nicht mehr aufrecht erhalten – der Fürsorger liegt im Sterben, und mit den Kazon gibt es bereits aggressive Wesen in der Nähe, die nur darauf warten, sich über die vom alten Wesen protegierte Zivilisation herzumachen… |
Kraftvolle Inszenierung
Ganz ohne Zweifel macht der Pilotfilm von Voyager eine Menge richtig. Anders als in Mission Farpoint, dem initialen Abenteuer der Next Generation, kommt so gut wie nie Langweile auf, weil die Geschichte stringent, gefällig und kurzweilig erzählt ist. Es gibt eine stimmungsgeladene Atmosphäre, die von der Phase des Abflugs in die Badlands (Titanic-Atmosphäre) bis zur Darstellung der Fremdartigkeit und Ödnis auf der anderen Seite der Galaxis reicht. Das Innenleben des neuen Protagonistenschiffes der Intrepid-Klasse, das eine modernisierte, noch stärker professionalisierte Sternenflotte repräsentiert, trägt ebenfalls von Anfang an zum Flair bei. Zwar gab es durchaus umfangreiche Änderungen, aber das Korridorset an Bord der Voyager ist immer noch als jenes der Enterprise-D deutlich auszumachen, wohingegen andere Räumlichkeiten komplett umgestaltet wurden.
Die Prämisse der Gesamtserie wird klar im Pilotfilm hergeleitet und gesetzt, und die hatte es für damalige Verhältnisse wahrlich in sich: Die Voyager bleibt im Delta-Quadranten, auf sich allein gestellt, eine kaum vorstellbar lange Reise liegt vor ihr. Ehrlicherweise wird man sagen müssen, dass die statistischen Chancen am Beginn dieser Odyssee eindeutig gegen Janeway und ihre Leute stehen. Eine weitere Besonderheit dieses Serienbeginns liegt darin, dass sich die heterogene Stammcrew erst im Verlauf der Doppelfolge zusammensetzt, wo andere ST-Serien diese von Anfang an vorgeben. Im Unterschied zum DS9-Auftakt Der Abgesandte, der einen fixen, komplexen Schauplatz etabliert, werden nicht so viele mögliche Handlungsfäden für die Zukunft gesponnen; die Story ist eher kompakt und stromlinienförmig wie das neue Sternenflotten-Schiff selbst. |
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Der Showdown um die Fürsorger-Phalanx, bei dem Janeway eine harte Entscheidung treffen muss, mag gewisse Ungereimtheiten und bei genauerem Blick Logikprobleme mit sich bringen (wieso kann man Torpedos eigentlich nicht zeitversetzt zünden?), doch das Ganze ist dennoch packend und folgenschwer inszeniert. Sicher ist es so, dass Janeway die Nichteinmischungsdirektive mit ihrem Entschluss, die Phalanx uneigennützig zu zerstören, verletzt. Die Frage ist indes, ob sie stattdessen nicht einem viel höheren Gut Rechnung trägt: dem Schutz unschuldigen Lebens. Denn es ist doch klar, was die Kazon mit den Ocampa anstellen werden, sobald sie in den Besitz der Phalanx gelangen. Der Fürsorger, der damit scheiterte, sich fortzupflanzen und einen Nachfolger zu kreieren, hat Janeway zumal fast angefleht, sich zugunsten der Ocampa einzumischen. Wenn Janeway die Überreste des in großer Sorge verendeten Wesens in Händen hält und schwermütig zu Tuvok sagt „Wir wollten uns nie einmischen, aber wir tun es“, so meint sie, dass die Voyager – ob sie will oder nicht – nun Teil einer Situation ist, in der sie sich nicht vor ihrer Verantwortung davonstehlen kann. Es mag einen Haufen Leute geben, die Janeways Entschluss, die Fürsorger-Station auszulöschen, scharf kritisieren. Aus der Hitze des Augenblicks heraus und angesichts des enormen Zeitdrucks würde ich aber sagen, dass ihre Instinkte ihr einen richtigen und moralisch einwandfreien Weg gewiesen haben.
Besonders gelungen finde ich, wie gekonnt im Pilotfilm der Staffelstab von DS9 (das wiederum bereits zahlreiche Vorgaben von TNG erhielt) an die neue Serie quasi organisch weiter gereicht wird. Mir persönlich hätte es gefallen, wenn Janeway vielleicht auch noch bei Benjamin Sisko gewesen wäre, der ihr vor dem Abflug ein paar Tipps und Tricks zu den Badlands hätte mitgeben können. Doch sei es drum, auch die alleinige Szene mit Kim, Quark und Paris in der Ferengi-Bar auf dem Promenadendeck funktioniert. |
Einen großen Vorzug des Auftaktzweiteilers sehe ich darin, dass viele der Hauptfiguren bereits in weiten Teilen scharf umrissen wirken, sichtliche Ecken und Kanten und vor allem ein eigenes Profil haben. Obgleich Janeway in Der Fürsorger relativ brav, streng und Sternenflotten-konform erscheint (was ihrer Entscheidung in Bezug auf die Zerstörung der Phalanx umso mehr Fallhöhe verleiht!), prägt Schauspielerin Mulgrew einen eigenen Stil, der bereits hier seinen Ausgang nimmt. Wenn Janeway zum ersten Mal in Erscheinung tritt und Paris im Straflager aufsucht, wird sie in einer typischen Pose (u.a. Hände in den Hüften, erhobenes Kinn) mit einer Kameraaufnahme von unten in Szene gesetzt; sie erscheint als ziemlich taffe, wenn auch harte Kommandantin. Lediglich die private Szene mit ihrem Lebensgefährten wirkt arg gezwungen, und hier macht sich vielleicht bemerkbar, dass die Autoren dem weiblichen Captain partout eine weiche Seite andichten wollten. Auch Charaktere wie Chakotay und Paris kommen weitgehend konturiert daher, ohne aufgesetzt und künstlich anzumuten. Chakotay ist allerdings an manchen Stellen ein wenig kleinlaut; Tuvoks Verrat scheint ihn nicht lange zu beschäftigen, und Janeways Aufforderungen leistet er nach kurzem Murren Folge.
Der Holodoc kommt im Pilotfilm noch kaum zur Geltung, aber die wenigen Szenen, die er hat, wissen Neugier auf den künstlichen Crewman zu wecken, über den man noch sehr wenig erfährt und der eher spannende Fragen aufwirft. Mit seiner mürrischen Art und seinem prägnanten Mienenspiel macht er einem Doktor McCoy alle Ehre. Man fragt sich indes, wieso ein medizinisches Notfall-Hologramm ausgerechnet mit einem solchen nicht unbedingt patientenkonformen Charakter ausgestattet wird. Neelix wiederum verkörpert im Piloten ein wenig den Halunken und damit das Anarchische der Raumregion, in welcher die Voyager gelandet ist. Szenen wie jene mit der Badewanne, in der sich der bunte Talaxianer genussvoll räkelt, vermitteln authentisch, unter welchen Bedingungen er lange Jahre hier draußen leben musste. |
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An der Stelle erscheint es angebracht, das gesamte Setting in diesem neuen Teil des Alls zu loben. Dieses wird in den ersten Staffeln immer wieder nachwirken. Gerade zu Beginn ihrer Reise scheinen Captain Janeway und ihre Besatzung in einem Gebiet angelangt zu sein, das von großer Armut und Ressourcenknappheit geprägt ist. Denken wir beispielsweise an die Darstellung der Kazon-Ogla bereits in Der Fürsorger: Trotz der technologischen Möglichkeiten, die dieser Spezies zur Verfügung stehen, ist sie von der Not geplagt, mit einem Mangel an Wasser, Medizin und anderen Versorgungsgütern umgehen zu müssen. Auch Neelix hat sich seit geraumer Zeit als Schrotthändler verdingt. Als die Voyager weiter zieht, streift sie immer wieder Kazon-Gebiet, wo sie anderen Kazon-Sekten begegnet. Auch dort trifft sie eher ärmliche Planeten an, die von Ödnis gezeichnet sind, etwa die von den Kazon-Pommar kontrollierte Welt Sobras (Allianzen). Dass sich die Voyager in Der mysteriöse Nebel genötigt sieht, einem gefährlichen Raumphänomen Deuterium zu entnehmen, um ihre Vorräte aufzufrischen, ist ein weiteres Zeichen für die Rohstoffdürre des Gebiets, in der ihre Reise den Ausgang nimmt. Mit dieser Entwicklungsland-Metaphorik einher geht die zivilisatorische Wildheit, Unbelehrbarkeit und Kompromisslosigkeit einiger Spezies, denen die Voyager begegnet. Die Kazon scheren sich nicht um Moral; sie sind begierig, das Schiff und dessen Technologie zur Mehrung ihrer eigenen Macht in Besitz zu bringen. Das alles erscheint grundsätzlich stimmig.
Zurück zu den Figuren: Auch einige Beziehungen der Charaktere untereinander werden sinnvoll gesetzt, wiewohl zum Beispiel das Verhältnis Chakotay-Paris sich im weiteren Verlauf extrem wandeln, um nicht zu sagen revidiert werden wird. Man denke auch an die sich anbahnende Freundschaft zwischen Harry Kim und Tom Paris sowie zwischen B’Elanna Torres und Kim oder auch die langjährige Freundschaft zwischen Janeway und Tuvok. Nicht zuletzt nimmt das ungleiche Paar Tuvok-Neelix („Mister Vulkanier!“) hier seinen Ausgang. |
So wie Identität, Hintergründe und künftige Rolle des Holodocs im Piloten noch nicht abschließend geklärt und festgelegt sind, ist es schön, dass immerhin ein paar Dinge offen bleiben. Dazu zählt beispielsweise auch, mehr über die Hintergründe der fremdartigen Fürsorger-Spezies zu erfahren. Der Verweis des alten, sterbenden Wesens auf eine Gefährtin, die vor langer Zeit weggegangen sei, macht Appetit auf mehr. Das heißt, irgendwo in der stellaren Region ist eine Entität, die mutmaßlich ebenfalls die Fähigkeit besitzt, die Voyager heimzuschicken.
Überhaupt war die Inszenierung des Fürsorgers und die von ihm eingesetzten Illusionen für die Neuankömmlinge von Sternenflotte und Maquis (altes, südamerikanisches Landhaus) ausgesprochen ominös. Sie mag auch Kritik hervorrufen, trägt jedoch auch zu einem Sense of wonder-Feeling bei. Sehr positiv überzeugen die Special Effects, die reichhaltig und gut inszeniert sind. Die Effektaufnahmen sind vor allem in ihrer Anzahl recht beeindruckend. Nicht nur startet die Folge mit einem Raumschiffkampf, auch der Showdown zum Schluss zeigt ein Gefecht voller Schauwerte, in dem die Voyager und der Maquis-Raider gegen mehrere kleinere und ein gigantisches Kazon-Schiff antreten müssen.
Die musikalische Untermalung ist genauso angemessen und gut gelungen. Das Intro empfinde ich gar als hervorragend, voll und ganz im Stile der anderen Star Trek-Einführungssequenzen. Im Laufe der Jahre ist mir die Titelmelodie von Komponist Jerry Goldsmith regelrecht ans Herz gewachsen. Selbiges gilt für die majestätischen Vorbeiflüge der Voyager im Intro, das von Staffel eins bis sieben unverändert blieb. |
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Ein paar Wermutstropfen
Nun ist es an der Zeit, ein wenig Wasser in den Wein zu kippen. Trotz dieses überzeugenden Auftakts gibt es Teile des Drehbuchs, die die positive Grundstimmung etwas trüben. Für mich stellt sich die Frage, warum man aus dem Pilotfilm nicht wenigstens einen Drei- oder Vierteiler hätte machen können. Man merkt der Doppelfolge nämlich an, dass es die Macher ziemlich eilig hatten, die neue Ausgangslage tunlichst herzustellen und zum Tagesgeschäft überzugehen. Darunter leidet jedoch die Authentizität der Handlung.
Gerade in der zweiten Hälfte von Der Fürsorger wirkt vieles überhastet, und nach der Zerstörung der Phalanx fehlt in meinen Augen sogar ein ganzer Reigen von Szenen, die man eigentlich erwarten würde. Szenen, die ganz handfest zeigen, welche Übereinkunft Janeway und Chakotay letztlich schließen, warum und wie die beiden Crews fusioniert werden sollen. Aufgrund dieser fehlenden Teile der Geschichte ist nachgerade unverständlich, weshalb die Maquis am Ende – scheinbar ohne zu murren – die Uniformen der an und für sich verhassten Sternenflotte überstreifen. Wäre es im Sinne einer gemischten Besatzung – alleine schon optisch – nicht besser gewesen, wenn die Maquis ihre Lederkostüme fürs Erste anbehalten hätten? Der Übergang zum neuen Zustand ist hier viel zu überstürzt, ja er fällt vom Himmel. |
Und vor allem: Wo sind die internen Diskussionen innerhalb der Sternenflotten- und Maquis-Crew? Wo ist das Wunden-lecken, die ganze Aushandlung und vor allem der Deal der beiden Führungspersönlichkeiten an der Spitze? Stattdessen ordnet sich Chakotay mir nichts, Dir nichts willfährig jener Frau unter, die ihn vor kurzem noch gejagt hat und hinter ein Kraftfeld bringen sollte. Wie finden die Sternenflotten-Leute es eigentlich, dass ihnen plötzlich einfach so der Eidbrecher und amtlich verfolgte Chakotay als neuer Befehlshaber vorgesetzt wird? Das ist doch eine extrem kontroverse Entscheidung angesichts der Tatsache, dass in der Föderation die Maquis als Verräter und Radikale gelten (man könnte jetzt einige Zitate aus passenden DS9- und TNG-Episoden anführen). Mehr noch: Janeway nimmt die Strandung in diesem Teil der Milchstraße zum Anlass, kurzerhand eine Forschungsmission in bester Tradition der Sternenflotte auszurufen. Wieso wird das von allen offenbar frei von irgendwelchen Einwänden goutiert? An dieser Stelle ist enorm viel dramatischer Stoff verschenkt worden, und das determiniert eine gewisse Schieflage der Serie, die ja eigentlich gerade crewinterne Konflikte zu ihrem Proprium hatte machen wollen.
Auch dass Janeways Autorität nach dem Verlust nicht weniger Crewmitglieder und ihrer brisanten Entscheidung in letzter Minute, die Voyager auf der anderen Seite der Galaxis auszusetzen, wie selbstverständlich von allen anerkannt wird, ist mindestens bemerkenswert. Ist das wirklich realistisch? Ich würde sagen, nein. Und hier hätte jemand wie Chakotay doch in eine offene Flanke springen können, indem er Janeways natürlichen Führungsanspruch in Zweifel zieht. Er hätte vorschlagen können, dass die Voyager nun nicht mehr unter der Flagge der Sternenflotte unterwegs sein solle. Wäre eine solche Lösung nicht spannend gewesen? Hätte es nicht die Möglichkeit eröffnet, sich aus dem strengen Sternenflotten-Korsett zu befreien? Ehrlicherweise wird man aber natürlich einräumen müssen, dass sich an Bord von Chakotays Maquis-Raider nur eine kleine Schar Abtrünniger befand und die Sternenflotten-Besatzung der Voyager damit den Großteil des Crewkontingents ausmacht. Der Maquis hatte in diesem Sinne nie eine Chance, die Geschicke des Schiffes nennenswert zu beeinflussen. |
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Persönlich stört mich auch, dass Charakterbögen und Konflikte zwischen den Figuren teilweise bereits am Ende des Pilotfilms voreilig aufgelöst werden, wo dies doch erst der Beginn einer längerfristigen Entwicklung hätte sein können. Man denke hier allem voran an die Konfliktlinie Chakotay-Paris. Erbitterte Feindschaft wird begraben, nur weil der eine das Leben des anderen rettet. Aber auch Chakotays Wut über Tuvoks Offenbarung, ein Sternenflotten-Agent zu sein, versandet scheinbar im Nichts. Ähnliches gilt für Neelix, welcher zwar als Enfant terrible eingeführt wird, aber nach der Rettung seiner geliebten Kes (die leicht in einem Debakel hätte enden können!) plötzlich ganz handzahm wird und sein Ziel erreicht zu haben scheint. Dass es gerade Neelix war, der die Voyager aufgrund seines unvorsichtigen Verhaltens in eine Auseinandersetzung mit den Kazon-Ogla gestürzt hat, scheint Janeway nicht mehr so ganz vor Augen zu stehen, als sie ihn und Kes mal eben so als Dauergäste mitnimmt. Wieso geht das alles so glatt ab?
Und wo wir schon bei den Kazon sind: In Der Fürsorger wird binnen kurzer Zeit ein sehr inkonsistentes Bild von diesem Volk gezeichnet, das eine prägende Rolle in den ersten beiden Seasons einnehmen wird. Da sitzen die Kazon-Ogla zunächst auf der staubigen, trockenen Oberfläche von Ocampa und lechzen nach Trinkwasser. Dann aber zeigt sich, dass sie über ein vergleichsweise hohes Technologieniveau verfügen und sogar ein gewaltiges Schlachtschiff gegen die Voyager ins Feld führen können. Dieses wird dann aber relativ schnell zerstört, als Chakotay mit seinem im Vergleich winzigen Raider auf Kollisionskurs geht und diesen opfert (gut, vielleicht hat er den Warpkern überladen oder hatte in Desperadomanier noch irgendwelche Sprengladungen an Bord). Die Kazon scheinen von den Autoren verwendet zu werden wie es diesen gerade passt, und das wird weitere Probleme in der Zukunft nach sich ziehen. |
Zuguterletzt habe ich mir noch eine Frage stellarkartografischer Natur gestellt: Zum Zeitpunkt der Strandung der Voyager im Delta-Quadranten ist das Bajoranische Wurmloch ja bereits seit Jahren entdeckt. Nach Adam Riese dürfte eine Reise der Voyager in den Gamma-Quadranten zum Ende des Wurmlochs kürzer sein als quer durch den Delta-Quadranten zurück zur Föderation. Warum hat Janeway also nicht eine gänzlich andere Reiseroute in Betracht gezogen? Immerhin befand sich zu dieser Zeit der Konflikt mit dem Dominion erst am Anfang, sodass die Überlegung, möglicherweise den Jem’Hadar über den Weg zu laufen, nicht den Ausschlag gegeben haben kann (abgesehen davon, dass es sicher Möglichkeiten gegeben hätte, das Dominion-Territorium irgendwie zu umfliegen). Sehr wohl war hingegen schon klar, dass die Borg im Delta-Quadranten beheimatet sind, womit zumindest damit gerechnet werden musste, eines Tages im Hoheitsgebiet des Kollektivs zu landen (was ja, wie wir wissen, dann auch geschah).
Der Voyager-Pilotfilm ist unter dem Strich eine solide und stringente Angelegenheit. Er besitzt Rasanz, Dramatik und bleibt ausgesprochen übersichtlich. Ohne Zweifel wurde die neue Serie kompetent, spannend und unterhaltsam eingeleitet. Obgleich es in Details immer wieder Ungereimtheiten gibt, die bei genauem Hinsehen störend auffallen, waren die Horizonte für Voyager zu diesem frühen Zeitpunkt tatsächlich sehr weit offen. |
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Gesamtbeurteilung:
Hinweis: Sämtliches in diesem Artikel verwendetes Bildmaterial entstammt www.trekcore.com (öffentlich verfügbare Screencaps)
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