Avatar #2

Autorin: S.D. Perry
Erscheinungsjahr: 2001
Seitenzahl: 235
Band: 8.2

Zeitraum: 4/2376

 

Inhalt

 

Die vereinte Flotte der Anti-Dominion-Allianz ist auf dem Weg in den Gamma-Quadranten, bereit, nicht nur die Hintergründe des Jem'Hadar-Angriffs auf DS9 zu klären, sondern auch eine Drohkulisse sprechen zu lassen. Währenddessen scheint auf der Heimatwelt der Gründer jedoch niemand etwas über die Geschehnisse auf der anderen Seite der Galaxis zu wissen. Nur Odo steht im Mittelpunkt der Debatte unter den Wechselbälgern, herrschen doch trotz seiner Bemühungen nach wie vor Skepsis und Misstrauen gegenüber den Solids vor.

 

Das Gefühl der Verwundbarkeit infolge des verlorenen Kriegs beschäftigt die Große Verbindung. Zudem schwächen Aufstände auf peripheren Welten des Dominion die Machtposition der Gründer weiter. Umso mehr muss Odo sein Volk davon überzeugen, dass es der falsche Weg wäre, jetzt eine Art Repressionskurs zu fahren. Dennoch steht ein kurzfristiger Erfolg eher nicht zu erwarten: Recht schnell musste Odo einsehen, dass er Denkweisen und Gewohnheiten der Formwandler nicht von heute auf morgen ändern kann.

 

Auf DS9 ist Jake mehr und mehr zur Überzeugung gelangt, dass die Prophezeiung aus B'hala, die er von Istani Reyla erhielt, ihn persönlich dazu anhält, seinen Vater aus dem Himmlischen Tempel zurückzuholen. Mit einem von Quark bezogenen Shuttle hat er sich im Schutze der Trümmer des von den Jem'Hadar zerstörten Sternenflotten-Kreuzers ins Wurmloch aufgemacht - was bald schon bemerkt wird. Doch Jakes Shuttle wird verunglücken und er verloren gehen (seine Geschichte wird in Rising Son fortgesetzt werden).

 

Kitana'klan - der Jem'Hadar, der behauptet, ein Bote Odos zu sein -, steht nach wie vor unter Beobachtung, gewinnt aber allmählich das Vertrauen von Ezri Dax. Ro brütet indes weiter über der Avatar-Prophezeiung und glaubt, das Buch sei der Schlüssel zur Aufklärung von Istanis Mord. Obwohl Kira zunächst von dieser Theorie alles andere denn begeistert ist, erfährt sie, dass der oberste Zirkel der Vedek-Versammlung von dem Buch wusste und verhindern wollte, dass seine Existenz bekannt wird. Die Spitzen der bajoranischen Konfessionsvertreter stufen die Prophezeiung als ketzerisch ein und wollen das Volk unter allen Umständen vor seinem Inhalt schützen. Ro eröffnet, dass Istanis Mörder selbst ein Vedek gewesen war, und es kommt heraus, dass dieser im Auftrag der Einflussreichen der Vedek-Versammlung gehandelt hat. Kira bekommt zum ersten Mal ernsthafte Zweifel an der Rechtschaffenheit der religiösen Institution.

 

Kurz darauf trifft die Enterprise bei DS9 ein. Picard und Elias Vaughn kommen an Bord, um Kira den in den Badlands gefundenen Drehkörper zu überreichen. Als Picard berichtet, wo das Artefakt gefunden wurde, erinnert sich Kira an einen Traum, den sie hatte und in dem Benjamin Sisko vorkam. Das Sicherheitsbüro ruft sie. Dort sind Ro, Vedek Yevir und Kasidy Yates in einen handfesten Streit verwickelt. Yevir beschuldigt Ro, die Prophezeiung ins bajoranische Kommunikationsnetz hochgeladen zu haben, und Kasidy wird seitdem mit Anrufen von besorgten Bajoranern bombardiert. Zum Verwundern aller gesteht Kira, dass sie es war, die das Buch hochlud, da sie der Meinung war, dass das Volk den Inhalt des Buches selber beurteilen sollte. Darüber ist nicht nur Yevir entsetzt, sondern auch Kasidy. Sie wirft ihr vor, eine Entscheidung getroffen zu haben, ohne die Konsequenzen für sie zu berücksichtigen.

 

So richtig beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen, als Kitana'klan von der Krankenstation Reißaus nimmt, dabei Bashir und mehrere Sicherheitsleute verletzt und sich tarnt. Dem Eindringlingsalarm folgend, erklärt sich Vaughn als altgedienter Taktik- und Kampfexperte bereit, sofort die Verfolgung des Jem'Hadar aufzunehmen, der offenbar doch nicht so friedliebend ist wie er vorgab.

 

Es beginnt eine nervenaufreibende Verfolgungsjagd, die im zentralen Kern der Station endet. Denn Kitana'klan hat nichts anderes vor, als den Reaktor von DS9 zu vernichten. Da taucht im letzten Moment ein anderer Jem'Hadar namens Taran'atar auf und erklärt, er sei der wahre Entsandte in Odos Namen. Odo habe ihn geschickt, damit die Jem'Hadar erfahren, was friedliche Koexistenz bedeutet. Und dass der Saboteur und Lügner Kitana'klan zu einer Gruppe abtrünniger Jem'Hadar gehöre, die sich weigerten, den Frieden mit dem Alpha-Quadranten zu akzeptieren...

 

 

Kritik

 

Während das erste Buch umsichtig die verschiedenen Handlungsstränge ausbreitet, wird im zweiten Band rasant das Tempo angezogen. Die beiden Haupthandlungsstränge werden spannend zu einem Ende gebracht. Eine Verbindung der beiden Plots findet indes nicht statt, was aber auch nicht weiter tragisch ist. Wichtig ist, dass die Prophezeiungsthematik offen bleibt. In einer Kammer von B'hala finden Kira, Ro und Kasidy zwar den Beweis dafür, dass die Zehntausend Todgeweihten nicht die Opfer des Abgesandtenkindes sind. Aber die weitere Rolle der Prophezeiung ist Auslegungs- und Glaubenssache.

 

Damit bleibt auch dem DS9-Relaunch die mysteriös-spirituelle Komponente erhalten, die bereits die Serie auszeichnete; sie ist nach wie vor offen für andere, zum Beispiel wissenschaftliche Deutungen. Mehrere Nebenplots wurden ebenfalls angerissen; sie bieten eine gute Grundlage für Folgeromane. Vielleicht war die Auflösung in Avatar #2 ein bisschen zu schnell, aber daran kranken Cliffhanger des Öfteren. Alles in allem haben wir einen äußerst gelungenen Piloten für dieses Projekt, der wahrhaft Lust auf mehr macht. Ich bin jedoch überzeugt davon, das Niveau lässt sich auf dieser großartigen Grundlage noch weiter steigern.

 

Das liegt eindeutig am Potenzial der Charaktere, das in den Avatar-Bänden deutlich wird. Alte wie neue Personae dramatis bringen sich dabei ein. Auffällig ist, dass eine Reihe von Figuren ‚Erleuchtungen‘ erleben, die ihre Lebenswege massiv beeinflussen, sei es durch bloßen Zufall und höhere Gewalt, Auseinandersetzung mit Glaubensfragen oder übersinnliche Erfahrungen mit Alien-Artefakten.

 

Ezri Dax ist an der Schwelle, sich selbst neu zu entdecken, nachdem sie notgedrungen die Defiant befehligen musste - sie entschließt sich, eine Kommandolaufbahn einzuschlagen. Ro hat ihre überfällige Aussöhnungsszene mit Picard und wird – in guter Tradition von Figuren wie O’Brien oder Worf – als ehemaliger TNG-Charakter auf DS9 rehabilitiert. Besonders gut harmoniert sie dabei mit Quark, der bereits ein Auge auf sie geworfen hat. Zwischen ihnen beiden deutet sich eine besondere Chemie an.

 

Ein richtiger Paradigmenwechsel ist Kiras Exkommunikation als Ahndung ihrer Öffentlichmachung des Buches mit der Prophezeiung. Sie darf nun als "Befleckte" keinen bajoranischen Tempel mehr betreten. Die neue Kira im DS9-Relaunch vollzieht einen Schritt, den die Serie noch nicht wagte. Sie erkennt die Vedek-Versammlung als einen autoritären Vormund, der auch politische Machtgelüste hat, und stellt ihre Auslegungen von Richtig und Falsch grundsätzlich infrage. Kiras Glaube ist dabei, sich zu verändern; er wird freier, ungebundener, individueller, aber auch reflektierter und rechtschaffener. Ich finde es hoch interessant, dass mit Ro - einer erklärten Agnostikerin, die letztlich auch den zentralen Denkanstoß für die Entscheidung ihrer Kommandantin lieferte - und Kira, die ihre Einstellung zur 'Kirche' rejustiert, nun zwei Bajoranerinnen und Hauptfiguren vom spirituellen Mainstream ihrer Heimatwelt abweichen.

 

Der Andorianer Shar scheint ein dunkles Geheimnis zu hüten, das im direkten Zusammenhang mit seinem Volk zu stehen scheint. In den Avatar-Bänden gibt es eine Menge Andeutungen, die sich offenbar auf eine kurze Referenz in TNG (Episode Datas Tag) rückbeziehen. Es bleibt abzuwarten, wohin uns der DS9-Relaunch hier führen wird. Auf jeden Fall ist der Anspruch, in DS9 - das zu Serienzeiten ganz bestimmte Welten bzw. Kulturen fokussierte (z.B. Bajor, Cardassia, Dominion, Ferengi, Trill) - nun auch Andoria zu verankern, vielversprechend; dies passt zu einer so multikulturell ausgerichteten Show.

 

Figuren wie Elias Vaughn und den Jem'Hadar Taran'atar in die Riege der Serienhelden aufzunehmen, ist eine Versöhnungsgeste an Leser, die mit der stark auf den Krieg geprägten Ausrichtung der Serie nicht immer einverstanden waren. Jetzt ergibt sich für einen müden Veteranen die Möglichkeit, durch neuen Forschergeist seine gemarterte Seele zu heilen, und Taran'atar ist als Abgesandter des Dominion auf DS9 die Perspektive für ein dauerhaftes Zusammenleben der Völker - so steinig der Weg dorthin auch werden mag.

 

 

Fazit

 

Ein guter, wenn auch etwas kurzer zweiter Teil des Avatar-Tandems. Es gibt nichts auszusetzen: Vor allem die Atmosphäre wird von Perry bestechend und prägnant herübergebracht, ihr Verständnis von den Charakteren ist, wie ich finde, einzigartig. Es ist somit kein Wunder, dass sie in der achten DS9-Staffel die meisten und wichtigsten Bücher schreibt; sie ist die DS9-Relaunch-Autorin.

 

Perry hat eine gute Balance aus Altbewährtem und Neuem gefunden, was sich besonders in den Charakteren niederschlägt. Avatar ist vor allem ein Wink auf das, was noch kommen mag. Ich freue mich auf mehr.

 

8/10 Punkten.

1-2009