InhaltDer Föderationsbeitritt Bajors rückt immer näher. Während die Bajoraner sich für ihren Beitritt zur intergalaktischen Gemeinschaft herausputzen, gibt es innen- wie außenpolitische Probleme. Zum einen steht das bajoranische Glaubenssystem unmittelbar vor einer schwierigen Kai-Wahl vor der Zerreißprobe, seitdem Kira Nerys die Ohalu-Schriften der nationalen Öffentlichkeit zugänglich machte. Eine neue religiöse Gruppierung bildet sich um die Stationskommandantin, ob diese nun will oder nicht. Zum anderen haben die Sticheleien und Provokationen des amtierenden Premierministers Shakaar Edon das Verhältnis zu Cardassia stark eingetrübt, sodass eine Aussöhnung beider Welten vor dem Föderationsbeitritt in weite Ferne gerückt zu sein scheint.
KritikIm Gegensatz zum komplexeren Vorgängerband, This Gray Spirit, weist der dritte Part der Mission Gamma-Odyssee eine ziemlich stringente und einfach gestrickte Geschichte auf, was es dem Leser jedenfalls leichter macht, mitzukommen. Leider ist der leserfreundliche Aufbau diesmal eher einer der wenigen Punkte, die ich loben kann. Fiel bereits This Gray Spirit gegenüber dem ersten Band, Twilight, spürbar zurück, lässt das vorliegende Buch nochmals Federn und hinterlässt mich zum ersten Mal seit dem Start des DS9-Relaunch etwas unbefriedigt.
Von den Charakteren her gesehen kann man den Autoren Michael A. Martin und Andy Mangels nicht viel vorwerfen. Mit Nog, Ezri und vor allem Bashir stehen drei zentrale Figuren im Vordergrund, die einem an und für sich interessanten Experiment ausgesetzt werden: Man nehme ihnen einen wesentlichen Teil ihrer Identität (und ihres persönlichen Leidensweges), und man schaue, was aus ihnen wird. So wird im Laufe der Geschichte, insbesondere am Doktor, deutlich, was die Personen im Innersten zusammenhält und dass die wertvollsten Facetten ihres Ichs eng mit ihrem Schmerz verbunden sind (Sagte nicht schon James Kirk im fünften ST-Film, er brauche seinen Schmerz, um zu wissen, wer er sei?). Ein faszinierendes Was-wäre-wenn-Szenario wird entfaltet und mit visionsartigen Zuständen über alternative Lebenswirklichkeiten verwoben.
Gerade die Schilderungen rund um Bashirs Gedankenwelt – man möchte fast sagen: Innerkosmos – fassen einen an. Es könnte kaum besser passen, dass dieser seine Erinnerungen in einer Art mentalen Kathedrale organisiert hat. Hat er etwas vergessen, sucht er in der richtigen Ecke dieser gewaltigen geistigen Bibliothek. Im Verlauf seiner genetischen Degeneration, die durch das fremdartige Artefakt im Weltraum ausgelöst wurde, werden allerdings immer mehr Gänge seiner inneren Kathedrale unpassierbar, und unheimliche Spinnenwesen treiben sich dort herum.
Auf der anderen Seite der Galaxis, im Alpha-Quadranten, wird die bisherige Handlung dicht an Charakteren wie Kira, Ro und Quark weiterverfolgt, und auch hier sind die Personae dramatis gewohnt gut gezeichnet. Während Kira immer stärker mit den Ergebnissen ihrer Handlungen in Avatar konfrontiert wird und sich hinsichtlich ihrer religiösen Einstellung ganz neu positionieren muss, beschäftigt Ro und Quark ihr persönliches Verhältnis und die Frage, wie es nach einem Aufgehen Bajors in der Föderation mit ihnen beiden weitergeht. Hatte man zu Anfang noch Probleme, sich die ruppige Bajoranerin und den schlitzohrigen Ferengi als Paar vorzustellen, so ist es der Leistung des Autorentandems zu verdanken, dass dies jetzt in den Bereich des Vorstellbaren rückt.
Trotzdem kann ich nicht behaupten, dass mir Cathedral besonders gefallen hat. Das hat vor allem zwei Gründe. Zum einen passiert insgesamt viel zu wenig, gemessen daran, dass der Roman mehr als vierhundert Seiten hat. Zugegeben, es wird zwar extrem tief in die Seelen dreier Serienprotagonisten geschaut, aber die Handlung im Gamma-Quadranten dümpelt dennoch über weite Strecken arg vor sich hin, demonstriert immer wieder Lückenbüßerszenen und zuweilen auch blanke Einfallslosigkeit. So werden wir beispielsweise Zeuge, wie sich Beziehungsprobleme zwischen Ezri und Bashir auftun und in dem Maße schlimmer werden, je mehr letzterer sich in einen Dummkopf verwandelt.
Erst, als sich herausstellt, dass Nog, Ezri und Bashir akut gefährdet sind und bald in einer anderen, alternativen Dimension verschwunden sein könnten, steigt der Druck, zu Lösungen zu finden, erheblich an. Allerdings sind die beiden, um das rätselhafte Alien-Artefakt kämpfenden Völker, die der Defiant im Weg stehen, wenig beeindruckend dargestellt, sodass dieser Handlungsbogen eine tolle Charakterstudie ohne ein packendes Umfeld bleibt. Die Selbstfindungsprozesse Bashirs münden in ein mittelmäßig peinliches Gespräch mit Vaughn, das nicht recht zu Star Trek passen will. Damit gibt es eine im wahrsten Wortsinn verhunzte Schlussmoral einer ohnehin nicht besonders ausgefallenen Geschichte.
Noch deutlich mehr aufgestoßen hat mir diesmal der Plot im Alpha-Quadranten. Denn dort geschieht effektiv noch viel weniger. Bajor bereitet sich weiter auf seinen anstehenden Föderationsbeitritt vor, wobei die Irritationen mit den Cardassianern aufgrund von Shakaars brüskierendem Verhalten groß sind und vielleicht die einzige Chance bereits vergeben wurde, vor Bajors Integration in den planetaren Völkerbund zu einer politischen Aussöhnung mit den ehemaligen Besatzern zu gelangen. Zudem ist Sicherheitschefin Ro weiter mit der Aufklärung des Selbstmords von Shars Bündnispartnerin Thriss befasst, und sie stellt sich Gedanken über ihre eigene Zukunft. Das alles ist jedoch nur die Kulisse. Wirklich vorankommt die Handlung einzig in einem Bereich: Das Schisma der bajoranischen Glaubensgemeinschaft wird weiter vertieft, und Kira steht als diejenige, die Ohalus Schriften öffentlich machte und damit die Spaltung auslöste, im Mittelpunkt dieser Entwicklung mit ungewissem Ausgang. Wir verfolgen, wie sie einerseits immer stärker von der Vedek-Versammlung isoliert wird, sich auf der anderen Seite aber eine Art Sekte um sie herum bildet.
Vieles hatte sich in den zurückliegenden Bänden angekündigt. Cathedral ist nun das Buch, das vom Zerbrechen der bajoranischen Religionseinheit erzählt. Und genau hier wird es mir einfach viel zu platt. Es ist nicht nur der ohnehin stark religiöse Anstrich dieses Buches, der für den gemeinen Westeuropäer teilweise befremdlich ist, sondern vor allem der Umstand, dass Mangels und Martin ihre Darstellung der bajoranischen Religionsgemeinschaft zu offensichtlich an der katholischen Kirche orientieren – und ihrem Werk damit wiederum etwas entlarvend Amerikanisches geben. Ich persönlich fand es nie schlimm, dass Star Trek sich mit DS9 dem Thema Religion zugewandt hat und damit ein Stück lebensnäher, weniger rationalistisch und mysteriöser wurde, ohne seine Wurzeln aufzugeben. Aber hier wird der Bogen eindeutig überspannt.
Kira Nerys kommt wie ein weiblicher Martin Luther herüber, deren Publikmachung der zensierten Schriften die Massen ihres Volkes erreichen und so stark aufwiegeln, dass physische Gewalt die Folge ist. Die Querverbindungen zum großen (bajoranischen) Schisma, zu Predigten oder gar Konklaven, die hergestellt werden, wirken manchmal fast schon etwas lächerlich und haben mit entgrenzender Science-Fiction nur noch wenig zu tun. Die ‚Ökumene‘ mit den cardassianischen ‚Lutheranern‘ vom Orelianischen Weg ist dann der Gipfel des ins DS9-Universum gebeamten Christentums. Hinzu kommt, dass Martin und Mangels wie zwei ausgemachte Prediger an vielen Stellen die Bibel zitieren, dem Leser aber vorgaukeln, es handele sich um die bajoranische Konfession. Hier ist der Fremdschämfaktor erschreckend hoch.
Zwar kann ich der Idee viel abgewinnen, dass ausgerechnet die Anhänger der verschütteten cardassianischen Religion (Orelianer) maßgeblich dazu beitragen, dass doch noch eine Aussöhnung zwischen Cardassia und Bajor stattfinden kann. Dennoch ist das nicht die Handlung, die man in erster Linie sehen möchte. Es scheint, als verirre sich die DS9-Story hier: Anstatt die Intrigen rund um Shakaar zu lüften, wird ein Nebenplot sehr stark aufgeblasen. Erst am Ende kommt die Haupthandlung wieder in Fahrt, aber da ist das Buch schon vorbei, und man kann nur dem nächsten Werk hoffnungsvoll entgegenblicken.
So bleibt der größte Pluspunkt von Cathedral die Auseinandersetzung mit drei komplexen Biografien, insbesondere jener Julian Bashirs. Da die Weiterentwicklung dieser Protagonisten über das Serienniveau deutlich erlebbar ist, lässt dies hoffen, dass in zukünftigen Romanen neue persönliche Potenziale ausgespielt werden können. So zeigt uns das Buch immerhin, dass die letzte Grenze nicht nur da draußen im All liegt, sondern auch in den unendlichen Weiten der menschlichen Seele und ihrer Fähigkeit, aus guten wie schlechten, manchmal auch traumatischen Erfahrungen eine unverwechselbare Persönlichkeit entstehen zu lassen.
FazitWenn die Charaktere, wie es so schön heißt, das Salz in der Suppe sind, dann gibt es diesmal zu wenig Suppe oder die Suppe ist übersalzen. Beides scheint auf das selbe Problem hinauszulaufen: Eine wunderbare Figurenentwicklung bei gleichzeitig ziemlich dünner, aber auch mieser und zuweilen hanebüchener Story. Diese unausgegorene Mischung kennzeichnet Cathedral und macht es zu meiner ersten nennenswerten Enttäuschung seit dem Anbruch der DS9-Fortsetzung.
Ich hoffe auf Besserung im letzten Band der Mission Gamma-Reihe. Mit Hängen und Würgen vergebe ich:
6/10 Punkten. 7-2014 |
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