VorbemerkungDemons of Air and Darkness, das vierte Buch des DS9-Relaunch, ist gleichzeitig Teil der breit angelegten Gateway-Reihe. Ähnlich wie im Fall der kleineren Sektion-31-Bände handelt es sich um einen relativ lockeren Romanverbund, der unter anderem die TV-Serien TOS, TNG, DS9 und VOY einschließt und dessen Klammer das Leitthema der geheimnisvollen iconianischen Portale ist. Aus kommerziellen Gründen ist der siebte Band der Gateway-Reihe, What Lay Beyond, kein eigenständiges Buch, sondern eine Art Sammelband, der jeweils eine Auflösung oder Ergänzung der einzelnen Gateway-Romane enthält. Aus diesem Buch wird in der folgenden Rezension zusätzlich die DS9-Fortsetzung zu Demons of Air and Darkness, Horn and Ivory, betrachtet. Da derselbe Autor Horn and Ivory verfasst hat, wird eine gesamtheitliche Bewertung vorgenommen.
InhaltEinst bewegten sich die Iconianer zwischen den Welten durch unermessliche Tore, welche die gesamte Milchstraße miteinander verbanden. Sie waren die Herren über Raum und Zeit, und diejenigen, die sie fürchteten, gaben ihnen einen Namen, der ihren Mythos begründete: Dämonen der Luft und der Dunkelheit. Vor langer Zeit jedoch brachen sie auf, ließen ihr Imperium und dessen wundersame Technologie verwaist zurück.
Jahrtausende später, im irdischen 24. Jahrhundert, hat der Alpha-Quadrant, kaum konnte ein zweiter Krieg mit dem Dominion abgewendet werden, schon wieder ein neues Problem. Aus einem unklaren Grund öffnen sich plötzlich alle in der erforschten Galaxis gefundenen iconianischen Portale und schaffen Verbindungsbrücken zwischen weit auseinander gelegenen Raumgebieten. In Kürze zeichnet sich ab, dass die Quadranten ins Chaos stürzen. Die Föderation ahnt, dass irgendjemand in den Besitz eines Schlüssels gekommen sein muss, der diese Katastrophe anrichtete. Nun gilt es, ihn zu finden.
Als die Gatewaykrise schließlich auch die Regionen im Einflussbereich des bajoranischen Sektors erreicht, ist die Mannschaft von DS9 nur wenig darauf vorbereitet. Die Defiant befindet sich auf der anderen Seite des Wurmlochs und weiht im Gamma-Quadranten eine neue Relaisstation ein. Letztere soll als Kommunikationsanker mit der Station dienen, wenn das Schiff unter dem Kommando von Commander Elias Vaughn in wenigen Wochen seine große Forschungsreise in diesen fremden Teil des Alls antreten wird. Nachdem der Test der KOM-Phalanx geglückt ist, ruft Kira die Defiant unverzüglich für eine Notfallseinsatzbesprechung zurück.
Wie Vaughn und seine Leute bald herausfinden dürfen, passieren seltsame Dinge. Nicht nur erhalten sie kurz vor ihrem Rückflug über die KOM-Phalanx den Notruf eines marsianischen Frachters, der nach Schilderung seines Captains plötzlich vom Sol-System in den Gamma-Quadranten versetzt wurde. Wieder zuhause, erfährt die Defiant-Crew, dass Europa Nova, eine nahe gelegene menschliche Kolonie mit drei Millionen Einwohnern, kurz vor der Verseuchung steht – offenbar durch hochgiftigen Antimateriemüll aus dem Delta-Quadranten.
Eine umfassende Evakuierungsoperation erscheint unumgänglich. Allerdings läuft die Zeit gegen Kiras Team – und die Kapazitäten von DS9 reichen beileibe nicht aus. Der Colonel sieht sich gezwungen, das Angebot eines Mannes anzunehmen, von dem sie nicht genau weiß, ob sie ihm über den Weg trauen kann. Doch außer dem Kreuzer Gul Macets, Cousin von Skrain Dukat, stehen ihr nur wenige weitere Schiffe zur Verfügung. Als sich abzeichnet, dass niemals die komplette Bevölkerung Europa Novas binnen Stunden Richtung Bajor transportiert werden kann, muss Kira sich auf eine Gelegenheit einlassen, die ein iconianisches Portal auf der Oberfläche der Koloniewelt eröffnet: Es führt auf die Klasse-M-Welt Torona IV. Doch aus früheren Erfahrungen weiß die Kommandantin um die Xenophobie der auf ihr heimischen Spezies, genannt Jarada.
Andernorts, auf dem Verbrecherplaneten Farius Prime, lässt sich Quark mit falschen Karten auf ein gefährliches Spiel mit dem Orion-Syndikat ein, das angeblich den Kontakt zu den Iconianern hergestellt hat. Wie es scheint, aktivierte das mysteriöse Volk die Portale absichtlich, um sein Erpressungspotenzial zu demonstrieren, und ist nun bereit, im Rahmen einer Auktion die Nutzungsrechte bzw. das Kontrollinterface der Portale an den Meistbietenden zu übergeben. Quark dient sich dem Orion-Syndikat als Unterhändler an, selbst wurde er jedoch von der Sternenflotte engagiert und hilft Ro Laren dabei, das Verbrecherkartell zu infiltrieren. Er ist sich darüber im Klaren, dass er im Reich des Syndikats nicht nur auf Messers Schneide tanzt, sondern von seiner Mission die Rettung des Alpha-Quadranten abhängen könnte.
Nog und sein Kollege Shar finden indes heraus, dass im Radius von zehn Lichtjahren um Bajor keinerlei Gatewayaktivität registriert wurde. Sofort vermuten sie eine besondere Protektion durch Wurmloch und Propheten. Wenn es gelingt, die Ursache der Anomalie ausfindig zu machen, gelingt es vielleicht, die Tore galaxisweit in einer Kettenreaktion zu stillzulegen.
Vaughn glückt es, erfolgreiche Verhandlungen mit den Jarada abzuschließen, die sich für eine gewisse Gegenleistung bereit erklären, vorübergehend 500.000 Europeaner aufzunehmen. Anschließend machen sich Kira und Taran'atar mit einem Runabout auf, durch die im Orbit von Europa Nova befindliche Gatewayöffnung zu fliegen, um die Quelle des nicht enden wollenden Antimateriemülls zu lokalisieren. Im Delta-Quadranten angelangt, geraten sie in die Fänge eines Hirogenjägers.
Der Leser erfährt, dass die Malon für den Antimateriemüll verantwortlich sind. Ihnen gelang es, ein angreifendes Hirogenschiff zu zerstören, deren Anführer setzte aber auf den Frachter über und eliminierte die Crew. Jetzt betrachtet er Kira als seine Beute. Taran'atar muss sich einem Feind stellen, der einiges mit ihm gemein zu haben scheint. Als es ihm gelingt, Kira zu befreien, hat die Bajoranerin den Plan, das Runabout mithilfe von Schildmodifikationen zur Blockade des Gatewayspalts zu benutzen, um den Antimateriemüll vorerst aufzuhalten. Taran'atar muss an Bord des Malonfrachters bleiben, um den Hirogen daran zu hindern, sie zurückzubeamen.
Bevor das Runabout auseinanderbricht, beamt sich Kira auf einen nahe gelegenen Wüstenplaneten. Dort angekommen, wartet sie eine lange Zeit auf Taran’atar, doch nichts geschieht. Angesichts ihrer prekären Lage kann sie nicht länger hier zubringen und schreitet durch ein Portal, das sie entdeckt. Sie findet sich 30.000 Jahre vor ihrer Geburt auf Bajor wieder und nimmt hierbei die Identität einer anderen Person ein, die in einen Krieg verwickelt wird.
Kurz darauf gelingt es Nog, mithilfe eines speziellen Tachyon-Ausstoßes, die Portale kurzzuschließen. Dadurch stellt sich heraus, dass für das Erscheinen der Portale gar nicht die Iconianer, sondern die Petraw verantwortlich sind, die sich unrechtmäßig als Herrscher der Portale präsentieren und nun enttarnt wurden…
KritikNach dem Avatar-Auftakt ist Demons of Air and Darkness hinter Abyss das zweite Einzelabenteuer des DS9-Relaunch. Obwohl sich Autor DeCandido alle Mühe gibt, es bestmöglich in den bisherigen Wagenzug der literarischen achten DS9-Staffel einzuflechten, wirkt der Roman eigentümlich anders. Das liegt zweifellos daran, dass DeCandido mit Demons of Air and Darkness auf zwei Pferden gleichzeitig reiten musste: Einmal galt es, die genuine Story des DS9-Relaunch voranzutreiben, andererseits durfte er die Gateway-Rahmenhandlung mit all ihren Bezügen zu anderen Romanen der Reihe nicht vergessen.
Diese Doppelstrategie, hinter der letztlich ein vernetzender Marketingansatz von Pocket Books steht, schadet dem Gesamtwerk, weil eine Überfrachtung und vor allem Unübersichtlichkeit die Folge ist. Obwohl Demons of Air and Darkness sozusagen das Herzstück der Gateway-Bände ausmacht und hier auch eine wesentliche Auflösung der Rahmenhandlung erfolgt, ist man als Leser nicht immer gänzlich im Bilde über sämtliche chaotischen Vorgänge im Quadranten, da sich das Buch nicht zu sehr mit der Rekapitulation der parallelen Ereignisse aufhalten darf.
Sieht man einmal von den ungünstigen Bedingungen ab, unter denen das Buch entstanden ist, kann man DeCandido jedoch zugute halten, dass er im Saldo eine solide Leistung abgeliefert hat. Der Evakuierungsplot auf der einen und Quarks Agententhriller auf der anderen Seite sind erfrischende Wandlungen der DS9-Story und passen zugleich zum Feeling der TV-Vorlage. Die Idee, einen Jem’Hadar gegen einen Hirogen antreten zu lassen – zweifellos der Showdown des Romans – ist zwar nicht mehr als ein ikonischer Kniff, jedoch spannend geschildert.
DeCandidos große Qualität, auf kleinem Raum mit einer unglaublichen Fülle von Querverweisen durch das halbe Star Trek-Universum zu jonglieren, wird auch in diesem Buch wieder deutlich. Dies tut er immer gezielt, fast chirurgisch präzise, und nicht um Seiten zu füllen. Die Andickung mit Canonbezügen verleiht dem Roman eine atmosphärische Dichte.
Demons of Air and Darkness ist zwar eine Geschichte, in der Action alles in allem größer geschrieben wird als in den drei Vorgängernovellen, nichtsdestotrotz verbleibt auch DeCandido nah bei den Charakteren. So knüpft er gekonnt an die von S.D. Perry etablierten Beziehungen an und vertieft beispielsweise die sich entwickelnde Freundschaft von Nog und Shar. War der Andorianer in früheren Bücher noch weitenteils verschlossen, beginnt er sich Nog allmählich zu öffnen. Gleichzeitig wird Tabula rasa gemacht, und man erfährt endlich, wo die eigentliche Konfliktlinie zwischen Shar und seiner einflussreichen 'Mutter' verläuft beziehungsweise welches Spannungsfeld sich dahinter verbirgt. Dies ist wiederum guter Stoff für kommende Werke.
Während S.D. Perry in den Pilotbüchern versucht hat, alle Figuren zu berücksichtigen, muss DeCandido Schwerpunkte setzen. Neben seiner Behandlung von Nog und besonders Shar werden Vaughn, Ro, Bashir oder Quark diesmal eher ausgespart, stattdessen verschreibt er sich weiter Ezris Emanzipationsprozess (sie kommt unter anderem wieder in den Genuss des Defiant-Kommandos und beginnt sich den Diktaten der Symbiose-Kommission zu entziehen), reserviert für Taran'atar ein paar aussagekräftige Passagen (er beginnt sich allmählich mit seiner neuen Rolle im Alpha-Quadranten zu identifizieren), die Hauptrolle spielt aber eindeutig Kira. Ganz unerwartet hat dieser eigentlich bekannt geglaubte Charakter im DS9-Relanuch wieder Feuer gefangen.
DeCandido vollzieht anschaulich die nächsten Entwicklungsprozesse Kiras. Nach ihrer Exkommunikation beginnt sie ihr früheres und ihr neues Selbst vergleichend zu betrachten und erkennt sich als andere, geläuterte Person. Diese Zäsur wird in Demons of Air and Darkness vielleicht so klar wie nie zuvor. Kiras Reifungsprozess von der ungezügelten, vom naiven Glauben bestärkten Freiheitskämpferin zur nachdenklichen, etwas einsamen Stationskommandatin ist gleichzeitig eine Art Aushängeschild für den DS9-Relaunch, und ich finde es ausdrücklich richtig, in dieses Horn zu blasen.
Insofern findet auch das, was sich DeCandido als Rattenschwanz für die Demons of Air and Darkness-Geschichte in Horn and Ivory hat einfallen lassen, meine Zustimmung. In diesem Abschlussteil, der gleichzeitig als gesonderte Kurzgeschichte gesehen werden kann, konzentriert er sich nur noch auf die Figur Kiras, in der er zweifelsohne großes Potenzial entdeckt hat. Nachdem die Bajoranerin durch das iconianische Portal auf dem Wüstenplaneten getreten ist, landet sie viele Jahrtausende in der Vergangenheit - und zwar auf ihrer eigenen Heimatwelt, wo sie sich einer Rebellion anschließt.
Horn and Ivory ist geschickt so konstruiert, dass Kira - die in Abyss und Demons of Air and Darkness als verunsichert ob ihrer vollzogenen Entscheidungen auftritt (manchmal fragt sie sich, ob sie sich in den Augen der Propheten mit Sünden befleckt hat) - neuen Frieden mit sich machen kann. Darauf arbeitet die Handlung von vorne herein hin. Die ganze Geschichte ist letztlich eine Art kleiner, metaphernreicher Film, der für Kira abläuft und ihr die Parallelen zu ihrer eigenen Zeit als Widerstandskämpferin eröffnet sowie zu der Zeit danach. Ihre Bestärkung rührt auch davon, dass ihr durch diese ominöse Zeitreise vor Augen geführt wird, dass für eine Konfession Dinge wie Machtpolitik immer eine Rolle spielen (man denke nur an die Entwicklung des Christentums im römischen Reich oder an die Christianisierung Russlands). Im Umkehrschluss bedeutet dies, man darf einen anerzogenen Glauben nicht blind übernehmen, sondern hat ihn zu reflektieren und mit eigenem Inhalt zu füllen.
Latent ist während Kiras ominöser Reise das Gefühl vorhanden, zu einem längerfristigen Plan der Propheten zu gehören, worauf sie aber keiner Antwort erhält (Stoff für die Zukunft!). Kira bekommt mit General Torrna eine Figur gegenübergestellt, die ihr sehr ähnlich ist, vergleichbare Lebensumstände in seiner Zeit mitgemacht hat, letztlich aber unter der seelischen Belastung zusammenbricht. Hier wird Kira ein Symbol des inneren Scheiterns vor Augen geführt, das sie selbst niemals zulassen will. Und dies, könnte man sagen, ist im Gefolge einiger zusätzlicher Entwicklungen die Quintessenz des Buches.
Kurz bevor sie nach DS9 in ihre Zeit zurückkehrt, hat sie ein kurzes Gespräch mit einer ominösen Gestalt, die einem echten Iconianer zu entspringen scheint. Nicht nur gibt er ihr eine Antwort darauf, warum es im bajoranischen Sektor keinerlei Gateways gibt, sondern auch eine philosophische Bitte mit: den eigenen Weg nicht aus den Augen zu verlieren.
FazitEin Buch, das zwar fast nichts mit der typischen DS9-Rahmenhandlung zu tun hat, in dem dafür aber umso mehr passiert. DeCandido sorgt für viel bunte Action, ohne die enge Verbindung zu wesentlichen Charakteren aufzugeben. Die Brüche der etwas ungewöhnlichen, manchmal leicht überzogenen Gateway-Handlung werden durch einen authentischen und flotten Schreibstil des Autors wett gemacht, und die Anschlussgeschichte Horn and Ivory verleiht speziell Kira einen nie dagewesenen Tiefgang.
7/10 Punkten. 12-2009 |
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