Warpath

Autor: David Mack
Erscheinungsjahr: 2006
Seitenzahl: 330
Band: 9.1

Zeitraum: 1/2377

 

Vorbemerkung

 

Warpath knüpft an die Geschehnisse aus Olympus Descending im dritten Worlds of STDS9-Roman an, gleichzeitig bricht mit dem Buch die neunte Staffel des DS9-Relaunch an, die gegenüber der vorangegangenen achten neue Leitthemen setzt.

 

Zur Erinnerung: Im Frühjahr 2376 entsandte der zu seinem Volk zurückgekehrte Odo Taran’atar, einen Jem’Hadar-Ältesten, in den Alpha-Quadranten, um dort als Kiras persönlicher Beschützer, aber auch als Beobachter der Solids zu fungieren und von ihnen zu lernen. Trotz aller Versuche vonseiten Kiras, Taran’atar bei seinen vielen neuen Eindrücken an die Hand zu nehmen und ihm eine Mentorin zu sein, wurde der Jem’Hadar im kommenden Dreivierteljahr – im Zuge einer Reihe von Missionen und Abenteuern – die inneren Zweifel an seinem Auftrag niemals wirklich los: Taran’atar kann nicht verstehen, weshalb ihn die Gründer, seine Götter, von sich wegschickten und zudem von ihm verlangen, dem Kampf – alles, wofür er in seinem Verständnis geschaffen wurde – zu entsagen, um die Rolle eines friedlichen Vermittlers zu übernehmen.

 

Ende Dezember 2376 schließlich geriet er in eine schwere Identitätskrise. Kurz darauf beschloss er, den weiblichen Gründer, der den Krieg im Alpha-Quadranten leitete, in seiner Haft im Ananke-Alpha-Hochsicherheitsgefängnis aufzusuchen. Dort angelangt, wurde ihm jedoch nur Abweisung zuteil. Der Formwandler, der trotz seiner Skepsis Odos Motiven und Handlungen gegenüber nicht bereit war, den Befehl seines Auftraggebers aufzuheben, eröffnete ihm überdies, dass die Gründer keine Götter seien und erschütterte seinen Glauben nachhaltig, konnte Taran’atar doch nur daraus schlussfolgern, von seinen Göttern verstoßen worden zu sein.

 

In den kommenden Tagen seit seiner Rückkehr schloss er sich in seinem Quartier auf DS9 ein, aber sein Gemütszustand wurde immer schlechter und schlug in offene Aggression um, als er sein Quartier verwüstete. Vom Sicherheitsalarm hergeholt, wurden Kira und Sicherheitschefin Ro Laren schließlich Opfer des außer Kontrolle geratenen Jem’Hadar: Nachdem er beide Frauen tödlich verletzt hatte, ergriff er die Flucht.

 

 

Inhalt

 

Warpath setzt die Handlung unmittelbar fort: Taran’atar kapert das Runabout Euphrates, welches vor kurzem einen neuen Warp-acht-Antrieb erhielt und von Prynn Tenmei testgeflogen werden soll. In Kürze gelingt es ihm, das Schiff unter Kontrolle zu bekommen, und er zwingt Tenmei dazu, die Station zu verlassen und einen Kurs in cardassianisches Territorium zu setzen. Elias Vaughn, der in Kürze von dem Blutbad Taran’atars und dessen anschließender Fahnenflucht erfährt, nimmt sofort mit der Defiant die Verfolgung der Euphrates auf.

 

Unterdessen wird auf DS9 ermittelt, dass Taran’atars Gedanken schon seit längerem von einer fremden Instanz kontrolliert werden. Zudem werden starke Hinweise darauf gefunden, dass der Jem'Hadar möglicherweise in das Massaker in der bajoranischen Provinz Hedrikspool involviert war (Fragments and Omens). Fremde Transmissionen an Taran’atar gingen von dem cardassianischen Industrieplaneten Harkoum aus, auf dem eine große Gefängnisanlage ist.

 

Währenddessen kämpft Doktor Bashir auf der Krankenstation von DS9 um das Leben von Ro und Kira. Während Ro in der Gefahr schwebt, für den Rest ihrer Tage querschnittsgelähmt zu sein, zeichnet sich schnell ab, dass das Herz der Stationskommandantin derart schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, dass nur noch der Einsatz eines künstlichen Herzens eine Aussicht auf die Rettung ihres Lebens bietet. Kira, die im Koma liegt, erfährt eine Vision von Benjamin Sisko – jenem Abglanz ihres einstigen Befehlshabers, der (nach seiner Rückkehr nach Bajor in Unity) in der Sphäre der Propheten zurückgeblieben ist (oder, wie er behauptet, schon immer dort war).

 

Kurz darauf wird Kira von einem rätselhaften Traum verschlungen, der sie - ähnlich wie in der Kurzgeschichte Horn and Ivory - in die bajoranische Vergangenheit zurückbringt. In der Rolle einer Generälin erreicht sie nach einem ausgedehnten Feldzug die Tore der Hauptstadt Idran (interessanterweise der Name des Systems auf der anderen Seite des Wurmlochs im Gamma-Quadranten!) und muss feststellen, dass diese von unbekannten Wesen besetzt wurde, die einen Einlass verweigern. Nun geschieht etwas Interessantes: Opaka Sulan nimmt die Rolle des Unterhändlers ein. Kurz darauf warnt sie Kira vor einem heranrückenden Heer von Feinden, die ebenfalls Idran für sich erobern wollen. Kira zieht mit ihrem Heer den Feinden entgegen, wird jedoch schlichtweg überrollt.

 

In den kommenden Stunden liefert sich die Defiant eine erbitterte Verfolgungsjagd des Jem’Hadar. Obwohl Vaughn und seine Leute Taran’atars nächste Schritte zu antizipieren versuchen, ist ihnen der Dominion-Soldat scheinbar stets einen Schritt voraus, und auch Tenmeis Versuche einer Sabotage tragen keine Früchte. Wenig später übernimmt Taran’atar mit einem Trick das klingonische Kriegsschiff noH’pach, tötet dessen Besatzung und fliegt mit ihm nach der Zerstörung der Euphrates getarnt in Richtung cardassianisches Territorium. Sein Kurs führt zu einer verlassenen cardassianischen Minenwelt namens Harkoum, sodass Vaughn auch die Defiant Kurs dorthin setzen lässt. Da er durch die Finte des Jem’Hadar annehmen muss, dass seine Tochter Prynn von diesem getötet wurde, beginnt Vaughn Rache zu schwören.

 

Nachdem die Defiant in den Orbit von Harkoum eingeschwenkt ist, ereignet sich auf dem alten Minengelände der Höhepunkt der Geschichte. Zwar kann Vaughn Prynn finden und befreien, doch ein alter Sicherheitsmechanismus – ein Überbleibsel des Obsidianischen Ordens – wird aktiviert, und die Anlage explodiert. Taran’atar entschwindet im letzten Augenblick ins Paralleluniversum, woraufhin Vaughn erfährt, dass das Verhalten des Jem’Hadar nur die Spitze eines Eisbergs war, der sich ihm erst jetzt preisgibt…

 

 

Kritik

 

Zugegeben: Die brillante Idee, Taran’atar zum (Anti-)Helden einer schwierigen und verzweifelten Selbstfindungodyssee zu machen, wuchs nicht auf David Macks Mist. Er knüpft lediglich an die folgenschwere Handlung von Olympus Descending an – und tut dabei vor allem das, wofür er sich in den vergangenen Jahren einen Namen verdient hat: Er lässt es ordentlich krachen. Nach geballter Action und spektakulären, fast James-Bond-artigen Szenen (man denke nur an die mitreißenden Momente auf Harkoum) muss man bei ihm jedenfalls nicht lange suchen, und wie kaum ein anderer Star Trek-Autor versteht er diese Kunst.

 

Aber auch abseits der eigentlichen Handlung um Taran’atars Flucht und Vaughns immerzu persönlicherer Jagd beweist Mack, dass er nicht bloß für Atem- und Rastlosigkeit und eine Sprache des ständigen Stakkato sorgen kann, sondern durchaus für Ungewöhnliches. So ist der mithin faszinierendste Teil der Erzählung die ominöse Vision Kiras, welche als Metapher auf ein tieferes Verständnis des Himmlischen Tempels fungieren könnte und die Ansprüche, die man auf ihn erhebt, andeutet. Auch könnte sie nahe legen, dass dieser Ort über alle denkbaren Universen hinweg als unitäres Gebilde existiert.

 

Jene Vision, die in Warpath weder abgeschlossen noch wirklich erklärt wird, wirft einen Schlagschatten auf kommende Ereignisse sowie auf die überraschende Eröffnung, die uns am Ende des Romans erwartet: Das Spiegeluniversum ist wieder zurück! Mehr oder minder jedenfalls. Mack, der den Leser im Laufe der Story immer wieder geschickt auf den Holzweg lenkte, indem er ihn annehmen ließ, Taran’atars Handeln (insbesondere das Attentat auf Kira) sei Folge eines Nervenzusammenbruchs über den Kollaps seines Weltbildes oder gar einer Anstiftung durch die Gründerin, lässt schließlich die Bombe hochgehen: Hinter seiner Veränderung steckte eine dem Wahnsinn anheimgefallene Iliana Ghemor.

 

Der cardassianischen Agentin, welche erstmals in der DS9-Episode Second Skin Erwähnung fand, ist es gelungen, Taran’atars Gedanken zu kontrollieren und ihn willfährig zu machen. Nachdem sie ihn zu sich gelenkt hat, reist sie ins berühmt-berüchtigte Doppeluniversum ab, wo sie weitere Pläne verfolgt – nämlich in einem ersten Schritt die Exekution der grausamen Intendantin Kira, deren Platz sie in Erscheinung derselben einzunehmen gedenkt. Zwar bleibt offen, ab welchem genauen Zeitpunkt Ghemor Einfluss auf Taran’atar zu nehmen begann, doch steht zu vermuten, dass dies erst ab der visionsartigen Szene am Ende von Olympus Descending seinen Ausgang nahm, sodass seine vorangegangene Identitätskrise nicht als Erklärung für den Anschlag auf Kira und seine anschließende Flucht herhalten kann.

 

Dass Mack am Schluss von Warpath einen derartigen Überraschungscoup landet, ist einer an sich ungemein spannenden Geschichte als zusätzlicher Pluspunkt anzurechnen. Und auch die Idee, das Spiegeluniversum zurückzubringen, scheint ein kluger Schachzug, nachdem in der achten Staffel des DS9-Relaunch viele Weiden abgegrast wurden. Nichtsdestotrotz wird es gerade zum Schluss hin für den Leser schwierig, sich einen Reim auf die Figuren, Wendungen und zaghaften Erklärungen zu machen, mit denen Mack wirbelt. Fast scheint es, als hätte er sich in seinem Einfallsreichtum um Intrigen und Verwirrspiele und einen möglichst bahnbrechenden Auftakt für eine weitere DS9-Staffel etwas übernommen.

 

Die Tatsache, dass es plötzlich zwei Iliana Ghemors gibt, die gute davon aus dem ‚bösen‘ Spiegeluniversum kommt und die böse wiederum aus dem ‚guten‘ Heimatuniversum, macht es dem Leser keineswegs einfach, das ohnehin unvollständige Puzzle im Geiste zusammenzusetzen oder wenigstens damit zu beginnen. Denn Warpath ist wirklich erst der Anfang einer ganzen neuen Storyline. Der Wahnsinn Ghemors, der in Teilen religiöse Motive zu haben scheint, lässt im Zusammenhang mit Kiras Vision zudem die Befürchtung aufkommen, die DS9-Saga könnte sich zu sehr in einem überbordenden Spiritualitätsthema verlieren, wo Götter und Propheten in der Serie und im bisherigen Relaunch eher ergänzend und kontrastierend eingesetzt wurden. Die Erfahrung mit anderen Star Trek-Romanen, die sich einseitig und übertrieben an der Glaubensmaterie versuchten, beweist zumal, was Xenon schon lehrte: Je mehr man versucht, Gott zu erklären, desto weiter rückt man von ihm weg. Und desto willkürlicher könnte auch eine Geschichte werden - erst recht im Kontext des ziemlich unberechenbaren und zuweilen willkürlich wirkenden Spiegeluniversums.

 

 

Fazit

 

So, wie die Dinge liegen, wird es vor allem am nächsten Roman sein, die vielen ungelüfteten Rätsel um Ghemor, ihre Absichten (im Spiegeluniversum) und Taran’atars Verbleib authentisch zu erklären und diesen neuen Einstieg in den DS9-Epos zu erden. Handwerklich und stilistisch jedenfalls begeht Mack keine Fehler, und mit Warpath beweist er außerdem eine sprühende Fantasie. Dies kann nur honoriert werden.

 

7/10 Punkten.

12-2010