VorbemerkungEnterprise, bislang letzter Serienspross der Star Trek-Familie, unterschied sich in gleich zweifacher Hinsicht von den vier Vorgängerserien. Zum einen war sie wechselhafter als alle anderen Star Trek-Shows: In nur vier Staffeln erlebten Jonathan Archer und seine Crew einschneidende Veränderungen in der Mission ihres Schiffes. Zum anderen war Enterprise durch die frühzeitige Einstellung viele wichtige Antworten schuldig geblieben – allem voran auf die Fragen, wie es denn ganz konkret zur Entwicklung der Föderation kam und wie die Jahre des oft zitierten Irdisch-Romulanischen Kriegs aussahen, welcher untrennbar mit der Geburt der ruhmreichen Multispeziesallianz verknüpft ist.
Umso zufriedener war ich, als Pocket Books relativ rasch grünes Licht für einen eigenen Enterprise-Relaunch gab, der die Geschichte der NX-01 fortsetzen sollte. Damals wurden die gestandenen Star Trek-Autoren Andy Mangels und Michael A. Martin damit betraut, den Ball der Serie wieder aufzunehmen. Leider ging – im Gegensatz zu anderen Serien-Relaunches – bei der von vielen Fans sehnsüchtig erwarteten Enterprise-Fortsetzung allzu vieles schief: Zuerst wurde der Canon auf eine Weise zurechtgebogen, dass man als Leser unweigerlich das Gefühl bekam, hier ignoriere jemand geflissentlich die Vorgaben des Originals, nur um Trip Tucker aufwändig wiederzubeleben und ihn auf Biegen und Brechen zu einem Geheimagenten zu machen (vgl. Last Full Measure bzw. The Good That Men Do).
Abgesehen von der Authentizitätsfalle, in die man sich begab, richtete das mehr Schaden als Nutzen an: Während Trips weitere Geschichte als Agent der Sektion 31 weit weniger spektakulär war als erhofft, wurde das soziale Gefüge auf der Enterprise auseinandergerissen – mit Folgen für die Figuren. Hinzu kam noch, dass uns mit der Darstellung des Irdisch-Romulanischen Kriegs ein weitgehend uninspirierter und blutleerer Neuaufguss des Dominion-Kriegs präsentiert wurde, der wenig Überraschendes bot (vgl. Beneath the Raptor’s Wing) und bereits nach wenigen Bänden vor lauter Einfallslosigkeit durch den Zeitraffer gejagt wurde (vgl. To Brave the Storm).
Dann war es eine Weile still um die Frage, ob bzw. wie es mit Enterprise weitergehen sollte. Immerhin war am Ende von To Brave the Storm der Krieg beendet, und die Gründung der Föderation zeichnete sich ab. War alles Potenzial der Serie damit nicht schon ausgeschöpft worden? Es schien fast so. Erst nach einer kreativen Pause erfuhren wir davon, dass der insgesamt eher unglückliche Enterprise-Relaunch seinerseits einen Relaunch erfahren sollte: Das Epos rund um Archer und seine Mitstreiter sollte fortgesetzt werden. Der Autorenstab wanderte von Michael A. Martin an Christopher L. Bennett, der fortan die Aufgabe haben würde, neue Abenteuer im 22. Jahrhundert aus dem Hut zu zaubern.
Die Idee ist schnell erzählt: Unmittelbar nach ihrer Gründung gibt es zwar formal eine Vereinigte Föderation der Planeten, doch sie ist noch längst nicht jene interstellare Weltenunion, die wir aus späteren Jahrhunderten so selbstverständlich kennen. Ihre Institutionen sind anfänglich schwach, viele Kompetenzen noch bei den Mitgliedsnationen, und vor allem fehlt es an einem Kompass für ihr Handeln. Was ist zu tun, was zu lassen? Die junge Föderation muss sich erst finden, muss mit Leben gefüllt werden, ihre Aufgaben und Zwecke definieren – und gegen Befürchtungen und Ängste vorgehen, die in ihren Mitgliedswelten trotz gemeinsamer Erfolge nach wie vor vorhanden sind. Und dann gibt es natürlich noch jene Mächte und subversiven Elemente, denen das Zustandekommen dieser neuen Großmacht im All ein Dorn im Auge ist, die sie belauern und am liebsten wieder zu Fall bringen wollen.
Anders als in den Kriegsbänden, so die Ankündigung, soll es diesmal deutlich stärker um Politik, Diplomatie und Intrigen gehen, innerhalb wie außerhalb der Föderationsgrenzen. Der Leser soll dicht mitverfolgen können, wie diese kritischen Jahre des Beginns gestaltet werden; wie der blutjunge Völkerbund seine ersten Bewährungsproben besteht und sich ins Zeitalter von Supranationalität und Multilateralität aufmacht. Da dies weißgott kein leichter Weg ist, werden Archer und seine Leute wieder einmal dringend gebraucht. Vorhang auf für die zweite Phase des Enterprise-Relaunch: Rise of the Federation. Der erste Roman unter diesem Label ist: A Choice of Futues.
InhaltOktober 2162, ein Jahr nach Föderationsgründung. Die Enterprise ist Geschichte. Bei der letzten großen Auseinandersetzung im Irdisch-Romulanischen Krieg, der legendären Schlacht von Cheron, wurde ihr Hüllengerüst derart stark beschädigt, dass sie stillgelegt werden musste und fortan als Museumsschiff im Smithsonian zu besichtigen ist.
Das macht aber nichts: In der U.S.S. Endeavour hat Admiral Jonathan Archer, frisch zum Oberkommandierenden der Sternenflotte befördert, sein neues Flaggschiff gefunden. Besonders praktisch: Die Endeavour, ein funkelnagelneues Schiff der NX-Refit-Klasse (die jetzt auch über eine Sekundärhülle mit dem charakteristischen Hauptdeflektor verfügt), wird von seinem ehemaligen Ersten Offizier, Captain T’Pol, befehligt, und noch so einige andere seiner früheren Kollegen von der Enterprise befinden sich an Bord. Dieser Tage erhält Malcolm Reed das Kommando über sein eigenes Raumschiff, die U.S.S. Pioneer, und nimmt Travis Mayweather zu seinem neuen Stellvertreter. Ein Hauch von Nemesis (Riker und Troi wechseln auf die Titan) und Voyager-Relaunch (Admiral Janeway hat ab jetzt mit hoher Sternenflotten-Politik zu tun, kommt aber ab und zu noch auf ihr altes Schiff) wird spürbar.
Bereits auf den ersten Seiten von A Choice of Futures wird klar: Wer glaubte, dass Archer nach der Etablierung der Föderation mehr oder minder die Hände in den Schoß legen und dem Anbruch der Zukunft zuschauen kann, der irrt gewaltig. Stattdessen muss hart um die positive Weiterentwicklung der Planetenallianz gerungen und neuen äußeren Gefahren begegnet werden. Letztere gehen zunächst vor allem von interstellaren Verbrecherkartellen aus, die im Zustandekommen der Föderation eine Bedrohung ihrer Geschäftsinteressen sehen und sich das Ziel gesetzt haben, mithilfe von perfiden Intrigen den intergalaktischen Ruf des jungen Weltenbündnisses zu beschädigen.
Innerhalb der neu gegründeten Föderation sorgt ausgerechnet der unerwartet große Erfolg des Planetenbündnisses für Diskussionen. Zwar sieht es derzeit noch nicht so aus, als würden neue Beitrittskandidaten Schlange stehen, doch die Chance auf weitere Mitglieder im Völkerbund besteht, und von Seiten der politischen Führung ist das durchaus erwünscht. Auf der anderen Seite ist eine allzu rasche Expansion der Föderation auch ein Anlass zur Sorge: Man erinnert sich daran, dass auch die Perzeption einer bevorstehenden Allianz für die Romulaner ein triftiger Grund war, anno dazumal einen Krieg vom Zaun zu brechen. Jetzt keimt die Befürchtung, Mächte wie die Klingonen oder Tandaraner könnten die Föderation als Bedrohung wahrnehmen, wenn sie sich zu schnell ausbreitet. Archer kontert dagegen, ein Anwachsen der Föderation sei in Ordnung – wenn sie eine positive Vorstellung davon habe, wofür sie stehe und bereit sei, diese Vorstellung, diese Botschaft, auch in alle Richtungen des Weltraums zu kommunizieren, damit jeder wisse, wo er mit ihr dran sei.
An eben diesem Punkt beginnen allerdings erneute Debatten. Zwar gab es gerade auf der militärischen Ebene bemerkenswerte Vergemeinschaftungsprozesse – wie sich allem voran an der neuen Multispezies-Sternenflotte ablesen lässt –, doch darüber hinaus halten sich die Völker noch zurück. Die Föderation ist zu diesem Zeitpunkt also noch ein zwecknützig orientiertes, hauptsächlich intergouvernementales Bündnis, das sich in Sachen Supranationalität jenseits der Verteidigungspolitik schwertut. Genau das aber möchte Archer ändern. Er möchte den Blick weiten, nun da der Krieg vorbei ist, und die Potenziale der Föderation als Wirtschafts-, Wissenschafts- und Friedensmacht entfalten, damit sie eine Art Leuchtfeuer im All wird und zugleich die Sorgen anderer Völker zerstreut, die die Föderation seit dem Krieg gegen die Romulaner primär mit Kampf und militärischer Macht assoziieren.
Zum Prüfstein, ob sich dieser Anspruch wirklich umsetzen lässt, wird bald schon ein Hilfeersuchen umliegender, blockfreier Völker, deren Schiffe seit kurzem von einer neuen, unbekannten Spezies attackiert werden (später stellt sich heraus, dass es sich um die fremden Wesen aus der Enterprise-Episode Lautloser Feind handelt). Die Föderation willigt ein, militärische Unterstützung zu gewähren. Die einen innerhalb der VFP-Hybridregierung drängen darauf, möglichst diplomatische Beziehungen mit den Unbekannten herzustellen, die anderen wollen deren Heimatwelt aufspüren und eine militärische (Abschreckungs-)Kampagne gegen das fremdartige und offensichtlich gefährliche Volk starten.
Eines wird Archer und seinen Vertrauten zusehends bewusst: Die junge Föderation muss ihre weiteren Schritte genau wägen, denn die Augen aller sind auf sie gerichtet. Dass die VFP diesmal jedoch Opfer einer gegen sie gerichteten politischen Verschwörung werden könnte, die hinter den Kulissen im Gange ist und sie gezielt in Misskredit bringen möchte, ahnen der Admiral und seine Leute anfangs noch nicht. Das Mastermind ist Archers alter Widersacher Garos, der beginnt, mit der von Navaar angeführten Fraktion des Orion-Syndikats zusammenzuarbeiten.
Die Orioner hoffen, die Föderation zu untergraben, und wittern die Gunst der Stunde, als die stummen Aliens beginnen, ihre Angriffe auf verschiedenste Schiffe zu verstärken. Navaar und ihresgleichen wollen die Situation nutzen, um die Föderation zu einem militaristischen Kurs zu bewegen, um sie innerlich wie äußerlich zu erschüttern. Infolgedessen sollen die nun immer pazifistischeren Vulkanier aus der Planetenallianz herausgebrochen werden, während andere Völker in Opposition zum jungen Weltenbündnis gebracht werden sollen…
KritikIch mache keinen Hehl daraus: Angesichts meiner ausgeprägten Enttäuschung über den bisherigen Enterprise-Relaunch (und vor allem dessen Ausgang) bin ich skeptisch an diese neue Miniserie herangegangen. Ich habe mich gefragt, warum so etwas wie Rise of the Federation jetzt noch nötig ist – zumal, wenn es das namensgebende Schiff der Serie ja im Grunde nicht mehr gibt und wir bereits hinlänglich wissen, dass die Föderation ein sagenhaftes Erfolgsprojekt werden wird.
Zunächst die gute Nachricht: Ich kann mit einiger Erleichterung feststellen, dass der Wechsel von Michael A. Martin zu Christopher L. Bennett eine durch und durch richtige Wahl war. Man kann hier mit der Neubesetzung des für die Reihe zuständigen Schriftstellers nur von einer geglückten Entscheidung sprechen. Bennett hat einen präzisen, kompakten und unkomplizierten Schreibstil und steigt relativ schnell ins Geschehen ein. Eine Stärke von A Choice of Futures ist, dass es mit vielen Gastfiguren aus der Serie, aber auch mit starken Rückbezügen auf die Entwicklungen aus den vorangegangenen Relaunch-Bänden jongliert, ohne in langweilige Rekapitulationen auszuarten.
Die Ära, in die Enterprise geschickt wurde, ist eine der wenigen verbliebenen weißen Flecken auf der polithistorischen Landkarte des Star Trek-Kosmos. Die Gründungsära der Föderation ist an sich mit Sicherheit kein unspannendes Thema, und Bennett gibt sich alle Mühe, hier den Fokus auf die ersten großen Schritte zu lenken und deutlich zu machen, wie weit die Föderation noch von einer gemeinsamen Wertevorstellung entfernt ist. Ja, es gibt inzwischen etablierte Strukturen und Institutionen, geordnete Zuständigkeiten und eine bereits gemeinsame Sternenflotte einschließlich einheitlicher Uniformen. Doch vieles, was die Planetenallianz mit ihren Institutionen anstellen, was sie sein sollte oder könnte, ist noch in der Schwebe oder umstritten. Man bekommt als Leser einen Eindruck davon, dass verschiedene Kräfte innerhalb wie außerhalb versuchen, die Entwicklung der Föderation in eine bestimmte Richtung zu lenken. Die Gefahr, mit auch nur einer falschen Entscheidung, diese Entwicklung in eine ungute Richtung zu lenken und damit das ganze Potenzial der VFP zu verspielen, ist in dieser Startphase groß.
Die Geschichte rund um das Aufspüren der ‚Lautlosen‘ sowie der Ermittlung ihrer Motive ist die zentrale Handlung des Romans und weitgehend stringent gelungen, auch wenn ich sagen würde, dass Bennetts Erklärungen, die unbekannte Spezies zu ergründen, ein wenig konstruiert wirken. Im Kontext dieses Plots werden die oben angesprochenen Debatten über die (künftige) Natur der Föderation weitgehend ausgetragen. Im Grunde ähnelt das Bedrohungsszenario in A Choice of Futures der Marodeur-Krise in Staffel vier. Die ‚Lautlosen‘ sind eine veritable Gefahr insbesondere für die an die Föderation angrenzenden Welten, die sie um Hilfe bitten. Nun treten Menschen, Vulkanier, Andorianer und Tellariten als geeinter, wenn auch innerlich uneiniger Block auf und starten eine große Flottenoperation, die durch Schiffe besagter Grenzwelten verstärkt wird. Die Kooperation mit diesen blockfreien Welten birgt die Chance, dass diese näher an die Föderation herangeholt werden, sodass weitere Mitgliedschaften in der Zukunft möglich erscheinen. Dieses Szenario ist zwar einerseits glaubwürdig, aber auch nicht besonders innovativ.
Es gibt noch zwei kleinere, mit dem Hauptplot unverbundene Parallelhandlungen. Hervorstechend ist dabei die Mission der U.S.S. Essex unter dem Kommando von Captain Shumar. Der vulkanische Commissioner Soval befindet sich an Bord und muss Verhandlungen mit den Saurianern führen, was dadurch erschwert wird, dass es offenbar zwei größere Machtblöcke auf dem Planeten gibt: die Globale Liga und M‘Tezir. (Später wird die Oberste Direktive regulieren, dass intensivierte Kontakte und Kooperationen nur mit ‚vereinten‘ Völkern anzustreben sind, aber hier ist dies eben noch ferne Zukunftsmusik.)
M‘Tezir ist offensichtlich eine autoritär-revisionistische Macht auf Sauria, die dem Bemühen der restlichen Völker des Planeten, sich friedlich zu einigen und eine fortschrittliche Regierung zu bilden (Globale Liga), entgegensteht. M‘Tezir ist aufgrund seiner enormen und kostbaren Ressourcen in den letzten Jahren sehr einflussreich geworden, und für die Föderation – die großen Rohstoffbedarf hat – stellt sich das Problem, dass sie sich mit dem Aushandeln eines Handelsabkommens nicht nur in die interne Konfliktsituation auf Sauria einmischt (Gleichgewicht der Kräfte, Destabilisierung der politischen Situation), sondern auch einem autoritären Regime zur Aufwertung verhilft. Die Diskussionen zwischen Shumar und Soval, ob es richtig ist, mit beiden Machtblöcken auf Sauria zu verhandeln, sind durchaus spannend, und obwohl der Plot im vorliegenden Roman lediglich angeteasert wird, ahnt man, dass sich das gutgläubige Wandel-durch-Handel-Szenario nicht unbedingt zum Guten entwickeln könnte.
Interessant sind Bennetts Schilderungen, wie die neue Sternenflotte ihre eigene Multispezies-Flotte aufzubauen beginnt – erst mal am Reißbrett. Wir bekommen eine durchaus schlüssige Erklärung mitgeliefert, warum letztlich das irdische Design Pate steht für eine neue Ära von Schiffsklassen. Es ist einfach das vielseitigste, und eine erfolgreiche Sternenflotte wird früher oder später leistungsfähige Multizweck-Einheiten brauchen. Auch die Zusammensetzung der einzelnen Abteilungen der Raumflotte wird anschaulich beschrieben. So kurz nach Gründung der VFP werden sie von den jeweiligen Militärs ihrer Gründungswelten gestellt, sodass es noch ein ziemliches Flickwerk und noch keine genuine supranationale Institution Sternenflotte gibt. Etwas zu erklärseelig erscheint mir Bennett bei der Beschreibung der Uniformen, wo er sich teilweise in die Schilderung winzigster Details verliert.
Ein ähnliches Problem dieser übertriebenen Detailverliebtheit und des Wunsches, das neue Setting auszudeuten, zeigt sich am Beispiel der Fragen über den Kurs der Föderation. Was mir manchmal doch etwas aufgestoßen hat, sind die Unterhaltungen zwischen Crewmitgliedern (etwa der U.S.S. Pioneer) über die politische Situation und die mögliche Gestaltung des politischen Systems in der Föderation. Wenn jemand wie Travis Mayweather, der zu Serienzeiten niemals als sonderlich gebildet oder politisch interessiert hervorstach, sich in lange ausschweifenden Ausführungen über die weitere Gestaltung und Integration des VFP-Projekts ergießt – und dann noch on the way während einer Außenmission –, ist das irritierend bis gestelzt.
Auffällig ist, dass Enterprise nun deutlich dezentraler und reicher an Schauplätzen und Figuren daherkommt. Es gibt (neben der zwischenspielartigen Erzählung von der U.S.S. Essex unter Captain Shumar, der mit Commissioner Soval besagtes diplomatisches Abenteuer zu bestehen hat) zwei Protagonistenschiffe – die Endeavour und die Pioneer (wobei der Pioneer-Plot rund um die Lösung technologischer Kompatibilitätsprobleme der Föderationsvölker eher schmückendes Beiwerk ist). Archer hat ein sehr vielfältiges Aufgaben- und Aktionsfeld zwischen Diplomatie und Nachrichtendiensten, wodurch er die Belange von Sternenflotte und Föderation verbindet, und viele alte und neue Gesichter spielen nun eine prominentere Rolle. Das ist durchaus eine Chance für eine dynamische, komplexere Handlung.
Freilich hat diese Ausrichtung auch ihre Schattenseiten: Es muss schlicht viel mehr an Figuren in das Buch hineingepresst werden. Enterprise verliert sein natürliches Zentrum und wirkt versprengter als früher, nicht zuletzt wegen deutlich zu vieler Cameo-Auftritte diverser Vorfahren von bekannten Persönlichkeiten (Kirk; Paris; Polanski; Tobin Dax, dessen Symbiont auch noch von der Pioneer-Ärztin entdeckt wird, etc.). Das Innenleben vieler Charaktere kommt dabei deutlich zu kurz. Das merkt man allem voran bei der relativ schmalspurigen Behandlung von Archer, Trip, T’Pol und anderen Figuren. Für substanzielle Charakterszenen ist insgesamt nur sehr begrenzt Platz. Man beobachtet die alten Serienhelden zwar, wie sie um den Erhalt bzw. den Ausbau der neuen Föderation kämpfen, kann sich aber häufig nicht wirklich in sie hineinfühlen.
Dafür gibt es einige Szenen, die eher störend wirken und den Figuren nicht immer gut tun. Diese sind vor allem im Pioneer-Plot angesiedelt, der wie ein Lückenbüßer daherkommt. So ist es ein wenig albern, wie Captain Reed an Bord seines neuen Schiffes versucht, päpstlicher als der Papst das Regiment zu führen. So unterbindet er Liebesbeziehungen unter seinen Offizieren und hält die Fackel des Protokolls eisern hoch. Natürlich war Reed ein eher steifer Offizier, aber die Vorstellung, dass er so stark bis ins Privatleben seiner Offiziere interveniert, erscheint doch etwas übertrieben. Vor allem passt diese Protokollhörigkeit nicht unbedingt zur Frühphase der Föderation und Sternenflotte, in der alles noch ein wenig lockerer genommen wurde. Jenseits dieser künstlichen Härte, mit der Reed auftritt und sich dann doch wieder in Zweifeln ob seiner Empathiefähigkeit ergießt, wirken er und seine Crew ganz unfreiwillig wie eine Spielwiese unreifer Kadetten, und insbesondere am Höhepunkt dieses Plots möchte man gerne zum Stift greifen und das Kapitel umschreiben. Einzig der an und für sich deplatzierte Tobin Dax wirkt im Aufgebot der Pioneer halbwegs glaubhaft.
Auf der Endeavour läuft es besser; hier ist das Figurenaufgebot deutlich überzeugender. Gerade Thanien, der andorianische XO unter Captain T’Pol, hat bei mir ein paar Pluspunkte gesammelt. Anhand seiner Figur, die gar nicht so sehr im Zentrum des Geschehens steht, wird nachvollziehbar, dass ein Volk wie die Andorianer bereits in kurzer Zeit einen weiten Weg zurückgelegt hat und in der Föderation tatsächlich eine neue Perspektive erblickt. Und doch prägt die verfeindete Vergangenheit mit den Vulkaniern auch weiterhin, sodass Thanien emotional gewissermaßen zwischen den Stühlen ist. Er möchte etwas Gutes in der VFP erblicken, wird aber - auch von seiner andorianischen Familie - immer wieder daran erinnert, dass es Gründe gibt, vorsichtig zu sein und nicht jede Veränderung zu begrüßen. Und natürlich machen sich während der Endeavour-Einsätze die kulturellen Unterschiede im Verhältnis zu T’Pol bemerkbar.
Immer noch fremdelt man mit Tuckers Verwandlung zum Sektionsagenten und wie er alles, was ihn ausmachte, abwarf (hätte das nicht eher bei Reed gepasst?). Die Entscheidung, ihn weiter in den Schatten zu belassen, fand ich weniger gelungen und lastet zusätzlich auf dem Personaltableau. Allerdings gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass Tucker mit seinem Hintergrund zu einer Gegenfigur zu Archer aufgebaut werden soll. Während letzterer die unrühmliche Rolle, die er während der Xindi-Krise spielte, endgültig abgelegt zu haben scheint und zum besonnenen Diplomaten zurückgekehrt ist, der stets nach einer friedlichen Lösung sucht, hat sich sein Freund über die Jahre des Kriegs in jemanden verwandelt, der extralegalen Lösungen mit militärischen und Spionagemitteln (sprich: den Methoden von Sektion 31) durchaus zugetan ist. Das Vorgehen und die stete Einmischung der Sektion, die sich vor niemandem rechtfertigen muss, sind in dieser kritischen Formierungsphase der VFP natürlich ein großes äußeres wie inneres Risiko, und die beiden Männer, zwischen die zu Beginn von Enterprise kaum ein Blatt Papier passte, driften hier merklich auseinander. Darin steckt ein gewisses dramatisches Potenzial für künftige Geschichten. Dennoch ist S31 inzwischen einfach zu überstrapaziert und hätte nicht weiter ein solches Gewicht bekommen sollen, zumal sie doch eigentlich erst in späteren Jahrhunderten jene furchteinflößende Organisation wird, die uns aus DS9 bekannt ist.
Noch gewichtiger als die quantitativen und qualitativen Probleme in punkto Figuren und Charakterentwicklung ist etwas anderes: Ich frage mich ja, ob das neue Storykonzept rund um Bewährungsproben für die gerade ins Leben gerufene Föderation wirklich längerfristig für eine ganze Reihe trägt. Beim aktuellen Buch würde ich da schon ein Fragezeichen setzen: Immerhin ist klar, dass es nicht mehr um einen neuen Krieg gehen wird, denn das wäre ja auch nur eine Wiederholung des Bisherigen. Und die Gefahren, die der Föderation drohen, schienen auch in diesem Buch am Ende nicht so dramatisch groß wie im Klappentext angekündigt. Das Vorgehen der Malurianer rund um Garos (die natürlich mit den Orionern verbandelt sind) erinnert stark an jenes der Romulaner vor bzw. nach Entstehen der Koalition.
Insofern ist da die Bedrohungslage kaum eine andere: Jemand von außerhalb passt es nicht, dass so viele Völker kooperieren und will sie auseinanderdividieren, in diesem Fall eben Piraten, Freibeuter und anderes Gesocks, die um ihre Transaktionsrouten und Vorteile fürchten. Dass das jedoch nach Entstehen eines gefügten Blocks wie der Föderation deutlich schwerer geworden ist und ein Verbrechersyndikat, das erheblich weniger Macht hat als die Romulaner, hier eher geringe Erfolgschancen besitzt, liegt auch schnell auf der Hand. Insoweit ist die Handlung in diesem Punkt recht vorhersehbar und wenig mitreißend, umso mehr, weil die neuen Schurken nicht zu überzeugen wissen. Alles in allem finde ich es fraglich, dass das Schicksal der Föderation an den Ränkespielen von drei Orion-Schwestern und einem Haufen malurianischer Gangster hängen soll. Die Bedrohung wirkt künstlich aufgeblasen.
Am interessantesten ist noch die Frage, wie es im Innern der Föderation weiter geht, wie der Völkerbund sich entwickelt und welche Wege alle Beteiligten finden, ihre technologischen, politischen und kulturellen Differenzen auszugleichen. Bennett sammelt hier einige Pluspunkte, indem es ihm tatsächlich gelingt, einen wesentlichen Schwerpunkt des Buches auf Diplomatie und Verhandlung zu legen und jeder Seite glaubwürdige Argumente zu verleihen. Vor allem erscheint mir nachvollziehbar, dass es Strömungen in der Föderation gibt, die vor dem Hintergrund des Überlebenskampfes gegen die Romulaner dafür plädieren, militärisch dominant aufzutreten. Andere Strömungen wollen sich eher auf Exploration, Wissenschaft und ökonomische Kooperation verlegen. Hier muss das innere Lot also erst noch gefunden werden, und davon hängt ganz gewiss auch ab, wie die Föderation von außen gesehen wird. Aber ob man das allein zum Kern einer neuen Buchreihe machen kann? Die Frage lässt sich nach nur einem Band schwer beantworten.
Noch eine kurze Anmerkung, die leicht aus der Reihe tanzt: Als hoch eigentümlich empfand ich die Szenen, in denen Phlox herausfindet, dass der Transporter offenbar genetische Schäden bei Crewmitgliedern verursacht hat, die ihn häufig frequentiert haben. Da wurde jahrelange gebeamt, was das Zeug hält, und niemand hat negative Effekte bemerkt? Und plötzlich soll der Transporter erhebliche gesundheitsschädigende Auswirkungen haben – bis hin zur Unfruchtbarkeit? Irgendwie erschien mir dieser ganze Hinweis nicht nur wenig glaubwürdig und viel zu spät, sondern auch belanglos für die Geschichte. Und dieses Beispiel zeigt schon, dass die zweite Relaunch-Etappe aufpassen muss, dass sie sich nicht am Ende in unwichtigen Details oder auch Skurrilem bis Trivialem verliert. Denn so könnte die Ära nach der Gründung der VFP vor allem eines werden: eine verkopfte und daher eher langweilige Angelegenheit.
FazitFür den Anfang ist A Choice of Futures – obwohl es manche Hypothek aus der ersten Phase des Relaunch weiterschleppt (wie zum Beispiel Trips eigenartiges Schicksal) – ein einigermaßen gelungenes Buch, das hier und da auch neue Akzente setzt, mich insgesamt aber nicht vom Hocker reißt. Bennett führt in seine Reihe ein. Er erschafft das neue politische Setting, schildert alte und neue Charaktere, die Schiffe, welche die Handlung tragen, und das Beziehungsgeflecht zwischen den Figuren. So entwickeln sich mehrere Parallelhandlungen, die allerdings nichts miteinander zu tun haben.
Trotz eines soliden Auftakts steht noch in den Sternen, ob sich Rise of the Federation weiter steigern kann und gegenüber dem ersten Relaunch-Anlauf von Mangels/Martin die dauerhaft bessere Inkarnation ist. Band zwei wird es zeigen.
6/10 Punkten. 7-2013 |
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