The Good That Men Do

Autoren: Andy Mangels & Michael A. Martin
Erscheinungsjahr: 2007
Seitenzahl: 440
Band: 5.1

Zeitraum: 1/-3/2155

 

Vorbemerkung

 

Eigentlich begann ja das ganze Unterfangen über ein Hintertürchen – wie auch im Falle der achten Staffel von Deep Space Nine. Das Buch Last Full Measure, eigentlich ein im Xindi-Arc angesiedeltes Abenteuer, bot uns im Prolog unversehens ein Highlight: Irgendwann unmittelbar vor der Fertigstellung der Enterprise-1701, die später einmal von James Kirk durchs All gejagt werden wird, besucht ein alter, schier von der Welt vergessener Mann ein Sternenflotten-Denkmal, um sich zu erinnern. Im Epilog dann die schockierende Überraschung: Der hundertjährige Greis ist kein Geringerer als Charles ‚Trip’ Tucker, der in der letzten TV-Episode zum Abschluss von Season vier frei von Glanz und Gloria sein Ableben fristen durfte.

 

Keine Frage, nach diesem Auftakt, der ambitionierter erschien als ein bloßes Easteregg, musste das Autorenduo Mangels/Martin – Zugpferde des neuen Enterprise-Relaunch – liefern. Trip also gar nicht wirklich tot? Das riecht gehörig nach Geschichtsneuschreibung. Und so wahnsinnig daneben liegt man mit diesem Verdacht gar nicht. Tatsächlich sind M&M, wie sie in der Szene genannt werden, im ersten richtigen Enterprise-Sequel bemüht, die seit Dies sind die Abenteuer angeschlagenen Seelen vieler Fans zu kraulen, frei nach dem Motto: ‚Was sich Riker und Troi da auf dem Holodeck ansahen, das war History Fake, mehr nicht. Es war eigentlich alles ganz anders. Trip lebt, und wir sind wieder im Geschäft.’ Im Geschäft, im wahrsten Wortsinn.

 

Der stupsnäsige Sunnyboy aus der Warpkernkammer ist also nie von der Bühne abgetreten; er hat bloß von der Vorder- auf die Hinterbühne gewechselt. Wie passt das mit dem Gesehenen zusammen? Ganz einfach: Trip musste sterben – für die Akten. Weil er woanders wichtig wurde. Richtig vermutet, undercover. Wieder richtig: Es hat etwas mit Sektion 31 zu tun, und die Romulaner sind auch nicht weit. Wo wir gleich dabei sind: Verschieben wir den Handlungsrahmen von 2161 doch nach 2155 – wo die Serie streng genommen nach Terra Prime endete. Einiges wird revidiert, einiges modifiziert – und schon haben wir das perfekte Sprungbrett in die literarische fünfte Staffel.

 

 

Inhalt

 

M&Ms Vorliebe für die Einbettung ihrer Storys in eine Retrospektive kommt auch in diesem Buch zum Tragen. In The Good That Men Do – der Titel folgt wiederum einer ihrer Vorlieben für Shakespeare-Zitate – treffen sich im 25. Jahrhundert zwei längst erwachsen gewordene Sandkastenfreunde, namentlich Jake Sisko und der Ferengi Nog. Und letzterer hat, mehr zufällig, eine zwischen Sensation und Schock pendelnde Entdeckung gemacht: In geheimen Dateien der Sternenflotte fand er Hinweise darauf, dass die Geschichtsbücher im Zeitraum 2155 bis 2161 nicht stimmen. Die von ihm entdeckten Informationen, „[…] it may just change everything we know – or everything that we’ve been told – about the founding of the Federation itself” (7). Und so sichten die beiden Freunde das, was wie eine große Verschwörung anmutet.

 

Die Geschichte wird neu erzählt, und alles beginnt nicht etwa mit der Föderationsgründung, sondern unmittelbar nach dem Terra Prime-Zwischenfall (dort, wo die TV-Serie ergo aufhörte): Die Gespräche um die Etablierung einer Koalition der Planeten werden ein wenig zögerlich fortgesetzt, die Enterprise-Crew befindet sich alles andere als in Höchstform. Archer macht sich gewisse Vorwürfe, mit seiner Rede einen Rückzug bestimmter Delegationen nicht verhindert zu haben, T’Pol und Trip setzen auf Vulkan ihre Tochter bei.

 

Kurz darauf schon beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen: Tief in romulanischem Raum wird ein neuer Antriebsgenerator getestet – mit verheerenden Folgen. Da die Romulaner nicht aus eigener Kraft imstande sind, ihre technologischen Fähigkeiten schnell zu erweitern, explodiert ihre Paranoia geradezu: Admiral Valdore – der Widersacher aus dem Romulaner-Dreiteiler der vierten Staffel – wird rehabilitiert und will nach den Sternen greifen, bevor die Erde und ihre Verbündeten dem Sternenimperium in irgendeiner Weise zur Bedrohung erwachsen können. Die blockfreie Welt Coridan – seit ehedem bekannt für ihre schnellen Schiffe und ihren hohen technologischen Entwicklungsstand – liegt im Fokus seiner Begierde. Eilig entführt er neue Aenar – darunter auch Shrans Bondmate Jhamel und will so eine ganze Flotte von Drohnenschiffen zur Invasion Coridans bemühen.

 

Sektion 31 kriegt Wind davon, und wo der mysteriöse Geheimbund um den einstigen Sternenflotten-Commander Harris die Lauscher spitzt, da kann Malcolm Reed nicht weit sein. Tatsächlich aber spielt er diesmal nur eine vermittelnde Rolle: Er führt ‚Trip’ Tucker an Harris heran. Angesichts seiner verheerenden persönlichen Erfahrungen (wir erinnern uns an den Tod seiner Schwester) während der Xindi-Krise kann der Chefingenieur die schwelende Bedrohung durch die Romulaner nicht hoch genug einschätzen. Damit steht er in auffälligem Kontrast zum neuen Sternenflotten-Oberkommandierenden Gardner und dessen Umfeld, wo bislang kaum Initiativen gegen eine womöglich am galaktischen Horizont heraufziehende Gefahr ergriffen wurden. Dies verstärkt nur Trips Wunsch, einem neuen Angriff auf die Erde zuvorzukommen.

 

Kaum hat er mit Harris gesprochen, spürt Trip einen emotionalen Sog: Alleine schon wegen seines Gewissens – da ist das Gefühl, einmal versagt zu haben – kann er nicht wegsehen. Und er kommt Harris mit seinen einzigartigen Fähigkeiten und auch Erfahrungen ob romulanischer Technologie mehr als gelegen. Harris versichert ihm, ihn ständig mit Informationen und besonderen Gelegenheiten zu versorgen. Erstaunlich schnell stellt Trip fest, dass sich sein ganzes Leben ändern muss, um die Romulaner wirkungsvoll bekämpfen zu können. Für ihn gibt es nur eine Möglichkeit: Er muss sterben – um als Geheimagent wiedergeboren zu werden…

 

 

Kritik

 

Das Buch erzählt also, dass und warum Trip seinen Tod vorgetäuscht hat und im weiteren Verlauf auch über seinen Anschluss an Sektion 31. Er lässt sich chirurgisch das Aussehen eines Romulaners verpassen und arbeitet von da an undercover. Nur Archer, Reed, Phlox und schließlich T’Pol wissen davon. Mit dieser Revolution, die ENT in neue Gefilde verschiebt, stehen M&M sogar in guter Tradition zu einer binnen vier TV-Staffeln ständig wechselnden Schwerpunktsetzung der Serie. Und tatsächlich: Die Story rund um Trips Spionagemission ist wirklich äußerst spannend geraten. Alles in allem gilt es zu verhindern, dass ein alter romulanischer Wissenschaftler einen Warp-sieben-Antrieb samt Quantensingularität für eine abtrünnige, militante Gruppierung der Romulaner baut (jener Mann, der zum Anfang des Buches eine wissenschaftliche Niederlage erleidet und dann von der genannten Gruppierung abgeworben wird).

 

Dennoch muss man bei diesem spannenden Agentenabenteuer so einige Abstriche machen, und die beziehen sich allem voran auf eine insgesamt doch recht konstruiert wirkende Aufhängung der gesamten Story. Gerade bei kommerziell arbeitenden Trek-Autoren – die Mangels und Martin nun einmal sind – hätte ich mir mehr Einfallsreichtum erhofft als eine bloße Revidierung des in der letzten Enterprise-Episode Gezeigtem. So funktioniert professionelles Tie-in nun mal nicht.

 

Zugegeben, die Ausgangslage, vor die ein potenzieller Relaunch der Serie in Buchform durch Dies sind die Abenteuer gestellt wurde, ist nicht unbedingt optimal: Die Crew(-konstellationen) und die Ränge sind offenbar bis 2161 gleich geblieben, die Beziehung zwischen T’Pol und Trip scheint merkwürdigerweise keine sonderliche Entwicklung nach Terra Prime mehr durchgemacht zu haben und vor allem war der Tod des Chefingenieurs nicht nur überflüssig, sondern auch vollkommen versaubeutelt in Szene gesetzt – um nur ein paar Beispiele zu nennen.

 

Nichtsdestoweniger verletzt es meines Erachtens nach eine gewisse goldene Regel, wenn Autoren mit dem Canon auf derart krasse Weise brechen, anstatt die offizielle Faktenlage so zu massieren, dass etwas Neues daraus geformt werden kann, ohne das Alte preiszugeben. Was das Tandem M&M gewissermaßen von Anfang an tut, kann mit dem Wort ‚Geschichtsrevisionismus’ treffend beschrieben werden. Sie betten, gemäß ihrer (auch schon in Last Full Measure verfolgten) Gewohnheit, die Story um Archer, Trip und Kohorten in eine historische Rückblende ein – so weit, so gut. Doch dann läuft das Drehbuch Amok: Plötzlich wird im 25. Jahrhundert wie durch Zufall von zwei alten Bekannten entdeckt, dass die (in Dies sind die Abenteuer gezeigten Holo-)Aufzeichnungen fehlerhaft seien, und dass sich die Geschichte der Enterprise eigentlich ganz anders zugetragen habe, vor allem aber habe Trip nie sein Ableben gefristet.

 

Immer wieder werden Szenen aus der letzten Folge in modifizierter Form in das Buch eingeflochten, auf dass die Handlung in eine ganz andere Richtung läuft. Im Übrigen besteht einer der Griffe von Mangels und Martin darin, dass sie die wirkliche Geschichte aus dem Jahr 2161 nach 2155 holen, womit The Good That Men Do zum faktischen Beginn der fünften Enterprise-Staffel mutiert. Alles in allem gibt es viel zu viele Korrekturen an den Ereignissen aus Dies sind die Abenteuer, und manchmal mag sich der Leser fragen, wieso die Autoren überhaupt noch so viel Wert auf so viele liebevolle Querverbindungen zur Serie legen, wenn sie am Ende doch alles Gesagte über den Haufen schmeißen.

 

Um Missverständnissen vorzubeugen: An und für sich haben wir es in The Good That Men Do mit einer soliden, durchaus kreativen Story in gewohnter Staffel-4-Qualität, mit guten Gastrollen und mit Romulaner-Bonus, zu tun; meine Kritik setzt aber da an, wo sich gute Fan-Fiction-Kost immer am Maßstab der Serien und Filme orientieren und möglichst keine krassen Brüche vollziehen sollte. Beispielhaft machen das im Star Trek-Business Autoren wie KRAD oder David R. George III vor; M&M haben meiner Meinung nach an diesem Punkt über die Stränge geschlagen. Persönlich hätte ich lieber eine saubere Season 5 ohne geschichtsrelativistische Verschwörungselemente gehabt, welche die letzte Enterprise-Episode fehlerhafterweise aushebeln. Das ist – wenn auch der gewichtigste – nicht der einzige Punkt, der mich gestört hat: Alles in allem kommt die Handlung, welche die persönlichen Gründe für Trips Abgang und ‚Untertauchen’ von der Enterprise (also die Vortäuschung seines Todes, wie er in Dies sind die Abenteuer dargestellt wurde!) authentisch rechtfertigt, viel zu kurz.

 

Ein Bisschen Romulaner-Paranoia, ein kurzes Gespräch mit Malcolm, der ihn mit Harris vertraut macht, darauf noch ein Wortwechsel mit Archer – und schon ist Trip bereit, alles (zumal auch T’Pol nach dem jüngsten Verlust ihres gemeinsamen Babys!) über Bord zu werfen und ein Leben als Geheimagent zu beginnen. Die Frage, was ausgerechnet Trip gegen die Romulaner treibt, wird meiner Ansicht nach nicht ausreichend geklärt. Ja, natürlich hat er während der Xindi-Krise seine ganz spezifischen Traumaerfahrungen gemacht, aber das allein erscheint als Rechtfertigung für eine so fundamentale Lebensentscheidung etwas dünn. Und aus Trips Loslösung aus dem gewohnten Umfeld resultiert ein weiteres Problem: Man merkt deutlich, wie der Charakter ohne die dichte Interaktion mit den anderen Serienprotagonisten zusehends in eine Statistenrolle verfällt, wie er irgendwie seinen Markenkern – nur im Kontrast zu den anderen Protagonisten möglich – verliert. Irgendwann, circa ab der zweiten Hälfte des Buches, erkennt man an Trip nur noch den Namen wieder, unterbrochen durch gelegentliche Erinnerungen des Charakters. Meine Meinung: Ein einsamer Trip ist kein guter Trip, da hätte man sich nicht die Mühe machen müssen, ihn über Umwege wieder aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken.

 

Die starke Fokussierung auf die Romulaner und auf Trips ‚Berufswechsel’ bringt weitere Authentizitätsprobleme mit sich: So fragt sich der Leser vielleicht, was eigentlich mit der Terra Prime-Bewegung nach der Vereitelung von Paxtons Vorhaben in Terra Prime passiert ist. Es erscheint alles in allem unrealistisch, dass diese Gruppierung und die Unterstützung in Teilen der irdischen Bevölkerung einfach so wieder verschwunden sind. Meiner Meinung nach wäre es schöner gewesen, wirklich dort anzufangen, wo die vierte Enterprise-Season aufhörte anstatt des gewöhnungsbedürftigen Versuchs, alle Fliegen mit einer Klappe zu schlagen – so kommt vieles zu kurz: Mehr hätte ich mir vor allem von der Fortführung der Planeten-Allianz-Thematik gewünscht, die in The Good That Men Do nur am Rande abgehandelt wird.

 

Einen Punkt gilt es noch anzusprechen: das zum Himmel schreiende Blockadeverhalten Admiral Gardners. Warum zum Geier wirft der Typ Archer eigentlich ständig Knüppel zwischen die Beine, wo die Erde und mit ihr die ganze Koalition in großer Gefahr ist? Eine unschöne private Vergangenheit mit dem NX-01-Kommandanten hin oder her: Die Begründungen, der Enterprise diese und jene Mission zur Rettung der gekidnappten Aenar zu verbieten, wirken nicht nur fadenscheinig und unglaubwürdig - in Anbetracht der bisherigen üblen Erfahrungen mit den Romulanern (ich sage nur: Marodeur-Krise) müsste der Nachfolger von Maxwell Forrest es wirklich besser wissen. Ich glaube nicht, dass jemand mit Verantwortung in der Sternenflotte sich so verhalten würde. Eindeutig ging es hier darum, einen bösen Jungen nach dem Jellico-Vorbild (in der Romanserie New Frontier eine wiederkehrende Gastrolle) zu züchten. Ich hätte auch nicht unbedingt etwas dagegen gehabt, wenn das Ganze etwas klüger und subtiler geschehen wäre. Die Idee, dass Gardner mit einem einsamen Entschluss hoch pokert und verliert oder einer Fehleinschätzung erliegt, hat doch durchaus etwas für sich.

 

Kommen wir zu einer weiteren Problemzone des Buches: Es ist zu dick. Mittlerweile scheint es eine gewisse pervertierende Tradition im Pocket Books-ST-Business zu haben, Wälzer mit Überlänge zu produzieren. Die Lektion, dass weniger manchmal mehr sein kann, scheinen dabei weder Autoren noch Herausgeber mehr zu beherzigen. Im Falle von The Good That Men Do haben wir gerade nach den ersten 150 Seiten eine schlichtweg überblähte Handlung. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Jagd der Enterprise hinter Jhamels orionischen Entführern, aber auch die Spionagestory um Trip, seinen Sektion 31-Kollegen und den romulanischen Wissenschaftler ist zu groß ausgefallen.

 

Das klassische Serienfeeling will in diesem Format nicht mehr richtig aufkommen. Frei nach dem Motto ‚Das Schlechte zuerst’, kommen wir nun zu den angenehmen Seiten des Buches: Zunächst einmal wird eine Serie mit Potenzial, die frühzeitig eingestellt wurde, fortgesetzt. Und vor allem auf den ersten 100 Seiten ist die Anknüpfung an Terra Prime geradezu brillant und detailverliebt gelungen. Der Umgang mit dem Trio Archer, T'Pol und Trip ist alles in allem recht überzeugend. Auch erhalten die Romulaner im Allgemeinen und Admiral Valdore im Speziellen mehr Tiefe. Die psychologische Facette der romulanischen Natur ist sicherlich einer der Knackpunkte auf dem Weg zu dem gemäß Canon irgendwann 2156 ausbrechenden Krieg. Das Ende des Buches verspricht jedenfalls noch viel mehr Spannung, weil die Büchse der Pandora geöffnet wird. Und vor allem erfahren wir, warum Coridan schließlich doch nicht zu einer Gründerwelt der Föderation wurde.

 

 

Fazit

 

Eine provokative Grundidee, Trip zurückzuholen, macht das Buch a priori interessant. Leider begeht es bei genauerem Hinsehen so etwas wie ein Canon-Sakrileg – was wir im Laufe von vier Enterprise-TV-Staffeln doch zu Genüge hatten. Somit ist die Story ambivalent einzustufen: Einerseits wird eine spannende Fortsetzung der Romulaner-Handlung geboten, mit liebevoll und alles in allem authentisch geführten Charakteren, andererseits verheddert sich The Good That Men Do gelegentlich im Kleinklein des eigenen Konzepts und lässt zudem die Frage aufkommen, wie die literarische fünfte Season mit einer zerrissenen Crew weitergehen soll. Auch ist, anders als beispielsweise im DS9-Relaunch, das Serienfeeling einem anderen Zustand gewichen, da es nun mehrere Handlungszentren gibt. Inwiefern sich das langfristig auszahlen wird, müssen wir abwarten.

 

6/10 Punkten.

9-2007