InhaltErinnern wir uns: Taking Wing und The Red King waren Geschichten, in denen die Nachwehen von Nemesis noch eine große Rolle spielten; William Rikers neue Mission wurde mindestens im erstgenannten Buch noch aufgeschoben. Der dritte Roman der Titan-Reihe bringt das Schiff unter dem Kommando von Picards Ex-XO endlich auf den von Anfang an beabsichtigten Forschungskurs.
Erster Anlaufpunkt in der weiten Ferne ist der faszinierende Gum-Nebel, ein Schweif des Orion-Arms. Kaum ist die Titan auf großer Fahrt, werden die Telepathen ihrer Mannschaft - einschließlich des Diplomatischen Offiziers Deanna Troi - von einem außerirdischen Hilferuf überwältigt. Das führt die Titan im Gefolge auf die Fährte eines schockierenden Blutbads. Offenbar macht eine Zivilisation interstellarer 'Walfänger' (Pa'haquel) Jagd auf ungewöhnliche, im All lebende Kreaturen.
Dieser Schock ist deshalb so enorm, weil das ihm zugrunde liegende Wunder nicht minder intensiv ist: Hochintelligente und empfindungsfähige Lebensformen, die wie Giganten zwischen den Sternen wandeln, ohne Schiffe oder Schutzanzüge? Wie es scheint, ist der Weltraum nicht so feindselig wie bislang gedacht, sondern vielmehr ein Ökosystem der besonderen Art. In TNG bekamen wir ab und an im Kosmos lebende Megakreaturen geboten, doch nie erschloss sich, ob es sich um eher singuläre Entitäten handelte oder mehr dahinter steckt. Diese Frage wird nun beantwortet. Im Rahmen einer weiterführenden Untersuchung stoßen Riker und seine Leute sogar auf einen kosmischen Laichgrund.
Riker kann dem Unrecht, das seiner Auffassung nach in diesem Teil des Alls geschieht, nicht lange beiwohnen; ihm platzt der Kragen. Entschlossen, den gejagten Wesen zur Hilfe zu eilen, nimmt er Kontakt mit ihnen auf, greift aktiv ins Geschehen ein. Ohne es zu wissen, zerstört er damit jedoch ein uraltes Gleichgewicht - was bald schon gravierende Konsequenzen nach sich zieht, die die gesamte Raumregion gefährden. Anders, als die japanischen und Walfänger anderer Nationen auf der Erde, versteckte sich hinter der Jagd der Pa'haquel kein moralisch verwerflicher Sport oder das Verlangen nach Reichtum, sondern ein Kampf um die kosmische Balance.
Als Riker seinen Fehler erkennt, ist er entschlossen, Schadensbegrenzung zu betreiben. Ihm schwebt vor, den Dialog mit Jägern und Gejagten zu suchen. Doch die Pa'haquel sind nach den jüngsten Geschehnissen alles andere als gesprächsbereit...
KritikWie oft haben wir bereits von verwegenen Sternenflotten-Captains gehört, die mutig zur letzten Grenze vorstoßen, um alles richtig zu machen? Das wurde auf Dauer etwas langweilig, zumal heute mehr denn je auch die eigene Fehlbarkeit Konjunktur hat in TV, Kino und Literatur. Das macht Charaktere und Situationen, denen sie unterworfen sind, anfassbarer, unmittelbarer. Und aus Fehlern lernt man bekanntlich, kann sich wirklich verbessern. Manchmal ist es geradezu unvermeidbar, einen Fehler zu begehen.
Der Ansatz, den Orion's Hounds fährt, ist also von vorneherein sehr erfrischend. Ohne, dass Riker als von einer Kurzschlussreaktion gedrängter Kommandant erscheint, begeht er doch auf Basis eines grundlegenden kulturellen Missverständnisses einen folgenschweren Fauxpas. Ein richtig gemeintes Verantwortungsbewusstsein bringt ihn erst in die Bredouille - und prompt sind wir in einer Debatte, die in unserer Gegenwart aktueller ist denn je, und zwar in ganz verschiedenen Bereichen: Wo und wann ist es richtig, sich in anderer Leute oder Kulturen Dinge einzumischen? Auf welcher Grundlage und anhand welchen Maßstabs entscheidet man sich dafür oder dagegen? Ist Nichteinmischung per se richtig oder falsch?
Bennett hat es sich nicht einfach gemacht; er verzichtete darauf, eine allzu populistische Botschaft zu wählen wie 'Die Jäger sind böse, rettet die Tiere'. Stattdessen wählt er die Grautöne: Keiner ist der Bösewicht, nicht einmal die kosmozeanen Lebensformen wie die Kristallwesen, aber auch nicht Riker oder die Pa'haquel. Durch dieses Vorgehen entzieht sich der Roman den üblichen Klischee- und Feindbildern. In Orion's Hounds gibt es keinen wahren Feind, höchstens das Nichtwissen und das vermeintliche Verstehen einer Situation, werden fremde Maßstäbe zugrunde gelegt. In der besten Tradition von Star Trek wird uns hier ein Spiegel vorgehalten, denn viel zu oft folgen wir, ohne es zu wissen, bestimmten Ideologien und übertragen diese auf andere Systeme wie beispielsweise die Natur.
Was über den Klappentext angerissen wird, ist auf den gut 380 Seiten säuberlich und strukturiert entwickelt. Dabei lässt sich das Buch grob in zwei Teile separieren. Der erste Teil behandelt die Entscheidung Rikers, in die Jagd der Pa'haquel einzugreifen und jene Kreaturen, die sie erlegen ("Star-Jellies" genannt) vor ihnen zu schützen. Der Dialog mit seinem Ersten Offizier, Christine Vale, ist dabei das zentrale Moment und spannt den diskursiven Rahmen für die spätere Moral aus der ganzen Erzählung. Vale nimmt von vorne herein eine grundsätzlich andere Position ein als Riker. Vehement argumentiert sie dafür, die Finger von dem hiesigen Verhältnis des Fressens und Gefressen-Werdens zu lassen. Vale pocht auf die Einhaltung der Obersten Direktive, welche die grundsätzliche Nichteinmischung in die Abläufe fremder Kulturen vorschreibt. Riker indes wird von seinem normativ-moralischen Kompass getrieben und kann es nicht mit seiner Ethik vereinbaren, die scheinbar unschuldigen Star-Jellies den inhumanen Praktiken der Pa'haquel ausgesetzt zu wissen. Die Frage, die sich der Leser hier stellt, ist spannend: Wer wird am Ende Recht haben, Riker oder Vale?
Autor Bennett macht eine verdammt gute Figur, anders kann man es nicht sagen. Ohne mit dem erhobenen Zeigefinger daherzukommen, entfaltet er eine gewaltige Geschichte, die für sich selbst spricht: Einmischungen können selbst mit den besten Absichten fatal sein. Die Nachricht, die Orion’s Hounds transportiert, geht dabei über simples ‚Tötet keine Wale‘ hinaus. Es zeigt, dass man einer fremden Kultur nicht die eigenen Wertvorstellungen aufdrängen darf, dass man damit grandios scheitert. Selbst, wenn Riker es aus seiner Sicht nur gut meinte. Wenngleich der Roman an manchen Stellen in die Langatmigkeit abzudriften droht, kriegt er immer die Kurve, sodass sich das Gesamtwerk als äußerst farbenreich, schön und fundiert beschreiben lässt - ein geschlossenes System wie das, welches die Titan im Gum-Nebel vorgefunden hat.
Bennett knüpft bei der Darstellung der Weltraumkreaturen in vorbildlicher Weise an die Serien an (insbesondere TNG und VOY), und nach dem Lesen von Orion's Hounds scheint es, als hätten wir in einer Vielzahl von Episoden immer nur Versatzstücke einer größeren Wahrheit kennen gelernt, die niemals enthüllt wurde. Jede wie spekulativ auch immer gemachte Andeutung aus dem Canon weiß der Autor zusammenzutragen, um seinem Werk noch mehr Tiefe und Glaubwürdigkeit zu verleihen - Worldbuilding vom Feinsten. Wissenschaftliche Ansprüche kommen beim studierten Physiker Bennett ebenfalls nicht zu kurz. Zu empfehlen sind die Anmerkungen des Autors, die auf seiner Webseite zu finden sind. Ansehnlich sind auch die Skizzen dreier Titan-Crewmitglieder.
Jenseits der eigentlichen Rahmenhandlung passieren auch noch einige andere Dinge: In erster Instanz sollte man vermutlich auf die Reibungen zwischen Vale und Troi in diesem Buch hinweisen. Erstere sieht sich durch Trois Verhältnis zu Riker in ihrer Rolle und Autorität des XO leicht ausgestochen, und es bedarf mehr als nur einiger Zusicherungen von Seiten Deannas, ihr dieses Gefühl wieder zu nehmen. Die Tatsache, dass Riker und Troi - so wie Calhoun und Shelby in Peter Davids New Frontier - als Captain und Führungsoffizier eine Liebesbeziehung führen, verändert die Binnenstruktur der Kommandokette. In Orion's Hounds wird das nicht pauschal verurteilt, aber deutlich gemacht, dass es gewisser Anpassungen bedarf. An zweiter Stelle möchte ich herausheben, dass Riker und Troi am Ende des Romans den Plan ins Auge fassen, ein Kind zu bekommen - ein moralisch sauber eingefädeltes Ergebnis dieses Abenteuers. Anschaulich wird gezeigt, dass es gerade das Vertraute zwischen beiden Figuren ist, das den Reiz ihrer Beziehung ausmacht.
Um nach dem vielen Lob nun auch ein paar Schattenseiten dieses Wälzers anzusprechen: Einige Figuren abseits des Führungstrios hat Bennett eher schlecht als recht getroffen. Szenen wirken grotesk überzogen (man denke an solche mit dem bekennenden Karnivoren Doktor Ree) oder nachgerade belanglos. Besonders der Vulkanier Tuvok geriert sich nicht gerade als Sympath der Geschichte, und die Begründung, wieso seine Gattin T'Pel in die Rolle des Heimchens schlüpfen soll, ist allenfalls dürftig. Überhaupt scheint die Idee mit dem multikulturellen Schiff abseits blumiger Beschreibungen dahingehend abzuschweifen, dass alle der exotischen Besatzungsmitglieder irgendwie gleich herüberkommen. Und sollte - im Sinne des UMUK-Motives - eigentlich nicht genau das Gegenteil erreicht werden? Auch frage ich mich, wieso die Menschheit willentlich dermaßen aus dem Fokus gerückt wurde. Um sie sollte es doch in erster Linie gehen. Das alles bildet bei Orion's Hounds aber lediglich Hintergrundgeschehen.
FazitIst man bereit, sich auf die Forschungsreise und ein ethisch-moralisch knackiges Szenario rund um das Thema (Nicht-)Einmischung in andere Kulturen und Praktiken einzulassen, wird das Buch den Leser nachhaltig in den Bann schlagen. Das All lebt auf eine wundersame Weise. Und Star Trek wird um eine Seite bereichert, die es bislang nicht an sich gekannt hat.
Bestnote und Meisterwerkprädikat verfehlt Bennetts Kreation nur knapp. Man würde sich wünschen, in Zukunft noch weitere Titan-Abenteuer aus seiner Feder lesen zu dürfen.
8/10 Punkten. 4-2006 |
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