VorbemerkungMit Synthesis beginnt ein neuer Abschnitt für die Titan-Romanserie. War die erste Phase der Odyssee von William Rikers Schiff noch durch allerhand Unwägbarkeiten wie romulanische Intrigen, ein außergalaktisches Intermezzo und zuletzt ein nie dagewesenes Borg-Armageddon gestört, soll der großen Forschungsreise nun wirklich nichts mehr im Wege stehen.InhaltMusste die Titan in der zurückliegenden Geschichte, Over A Torrent Sea, noch kürzer treten, hat sie mittlerweile wieder Fahrt aufgenommen und die Peripherie des bislang erforschten Raums erreicht. In der so genannten Canis Major-Region, weit ab vom letzten Föderationsaußenposten, fängt Melora Pazlar von ihrem Kartographielabor seltsame Subraumverzerrungen auf. Riker, der im Zuge vergangener Missionen sehr wohl beherzigt hat, dass derlei Raumphänomene mit Vorsicht zu genießen sind, lässt nach einer Lagebesprechung den Kurs ändern, und kurz darauf erreicht die Titan die Quelle der Strahlung.
Noch bevor das Ziel erreicht ist, wird das Schiff aus dem Warp gerissen. Der Subraum ist zu stark beschädigt, um mit Lichtgeschwindigkeit weiterzukommen. Angewiesen auf Impuls, dringt die Titan bald darauf in ein Raumgebiet ein, das wie ein stellares Schlachtfeld anmutet. Schnell haben Riker und seine Leute die These parat, die Ursache der Strahlung gehe auf die Verwendung von Waffen zurück, die die Föderation aufs Schärfste ablehnt. Dann stößt die Titan inmitten der fremdartigen Trümmerwolke auf ein halbwegs intaktes Schiffswrack.
Begierig, herauszufinden, welche Vorgänge zu diesem Inferno beigetragen haben, entsendet Riker ein Außenteam. Die Weisung lautet, den Computerkern zu bergen, um Aufschluss über die Hintergründe der allgegenwärtigen Zerstörung zu bekommen. Obwohl weder Biowerte geortet werden noch Deanna Trois Empathie etwas empfangen kann, will Riker zudem nicht ausschließen, da drüben könnte noch jemand am Leben sein.
Seine Intuition gibt ihm Recht: Vales Außentrupp trifft an Bord des Raumers auf einen einzigen Überlebenden, der vorher selbst für den Computerkern gehalten wurde – eine künstliche Lebensform, robotisch und hoch entwickelt. Sie identifiziert sich selbst als White-Blue und ordnet sich der Rasse der Sentry zu, einer rein maschinellen Zivilisation.
Als wenig später ein weiteres Sentryschiff auftaucht, führt ein unglückliches Missverständnis dazu, dass man der Titan unterstellt, sie hätte sich der Entführung eines Angehörigen schuldig gemacht. Nur mithilfe von White-Blue kann der Angriff gestoppt werden. Der Schaden fällt jedoch so schwer aus, dass gleich mehrere Crewmitglieder ihr Leben dabei verlieren. Die Sentry – wenig bewandert in diplomatischen Handgriffen – erkennen ihren Fehler und sind bestrebt, die angerichteten Beschädigungen an der Titan zu beheben. Riker wird nicht nach seiner Meinung gefragt, als das Sentryschiff den Föderationskreuzer in Schlepptau nimmt und sich auf den Weg zum Heimatkomplex der künstlichen Kultur begibt.
Im Zentralsystem der Sentry angelangt, eröffnen sich der Titan-Besatzung faszinierende Erkenntnisse: Nicht nur nutzen die robotischen Wesen offenbar einen riesigen Planeten der Dämon-Klasse als unerschöpfliche Energiequelle, auch bringen Riker und Co. in Erfahrung, dass es die Sentry offenbar schon seit Jahrtausenden gibt. Nach eigener Aussage haben sie ihr ganzes Tun und Wirken auf den Kampf gegen Das Null ausgerichtet, wobei sie sich aber ausschweigen, um was es sich dabei handeln könnte. Immerhin gehen sie so weit, zu behaupten, dieser besagte Kampf sei der Grund ihrer Existenz, und daher sehen sie die unglückliche Einmischung der Titan in ihre Angelegenheiten nur äußerst ungern.
Riker allerdings hat die Neugier ergriffen; für ihn ist es ausgeschlossen, einfach weiter zu ziehen. Trotz reichhaltiger Vorbehalte aus seiner eigenen Crew, die mit der zurückliegenden Borg-Invasion in Zusammenhang stehen, ist er bestrebt, mehr über die Maschinenzivilisation und die Gründe ihres Agierens herauszufinden. Doch kaum lässt er sich auf das Spiel ein, muss er zusehen, wie White-Blue – die Einheit, zu der er noch den besten Draht geknüpft hat – einen robotischen Freiheitskodex seines Volkes an seinem eigenen Schiff umsetzt – und dem Computer der Titan Leben, ja eine eigenständige Identität einhaucht. Ausgerechnet in der Gestalt einer holographischen Frau, die Riker aus seiner Vergangenheit bekannt ist.
So muss der gerade Vater gewordene Titan-Captain nicht nur unvermittelter Dinge einem durch und durch flügge gewordenen Computer die Hand halten – als Das Null erscheint, wird klar, dass es dieser Jahrtausende alte Feind der Sentry ist, der die Vernichtungen im Subraum hinterlässt. Und das Potential hat, eines Tages vor den Grenzen der Föderation zu stehen, wenn die Roboter nicht ihr Misstrauen überwinden und mit der Titan gegen die Bedrohung kooperieren…
KritikMan durfte gespannt sein, auf welche Fährte die Titan nach der Borg-Zäsur aus Destiny geschickt würde. Da Over A Torrent Sea eine Art Übergangsroman war, um Rikers Schiff wieder auf die Schiene der Erforschung zu setzen, lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass Synthesis der erste wirkliche Post-Destiny-Roman der Reihe ist.
Synthesis ist (trotz des abschreckenden Covers mit der allzu amerikanischen Pose) wohl das erste Titan-Buch, das die Schilderung crewinterner Abläufe und Beziehungen zugunsten der globalen Handlung deutlich auf Sparflamme hält. Dies könnte eine Konsequenz aus den zurückliegenden Romanen sein, die sich immer mehr in zwischenmenschlichen Belanglosigkeiten beziehungsweise der Präsentation irgendeines neuen unglaublichen Mannschaftsmitglieds verstrickt hatten. Obwohl der Vorgängerroman Over A Torrent Sea das Private in Titan wieder auf ein annehmbareres Niveau hob, ist das Zücken der Multikultikarte mittlerweile ebenso verbraucht wie ständig lang und breit Rikers Anderssein gegenüber Jean-Luc Picards Kommandostil auf die Goldwaage zu legen.
So gesehen ist Synthesis ein erstaunlich schlicht konstruiertes Buch, bei dem man niemals den Überblick verliert. Autor James Swallow verschreibt sich dezidiert der Handlung rund um die Sentry. Obgleich man sich vor dem Hintergrund der Borg-Invasion vielleicht gewünscht hätte, dem Kreativpark der Maschinenwesen eine Pause zu gönnen, gelingt es Swallow, den Sentry eine authentische Note einzuhauchen und sie klar von den kybernetischen Unterdrückern aus dem Delta-Quadranten zu differenzieren.
Leider erinnern sie dafür viel zu sehr an eine Abart der Zylonen aus Battlestar Galactica – ein Eindruck, der übrigens durch bestimmte Ausdrucksformen, die sich seltsam fremdartig und nicht ST-like durch den Roman ziehen („copy that“, „end of line“ etc.), verstärkt wird. Wie auch im Sci-Fi-Remake treten die Sentry als eine artifizielle Lebensform in Erscheinung, die evolutionär mittlerweile so weit gediehen ist, dass sie Emotionen erlernt hat und insofern menschliches Verhalten nachahmt. Wohl kein anderer Star Trek-Roman hat bislang so klar aufgezeigt, dass der alte Widerspruch zwischen künstlichem und biologischem Leben aufgelöst werden kann und die Grenzen zwischen beidem vielmehr fließend sind.
In dieser Hinsicht ist das Franchise nun auf der Höhe der Zeit. Bedauerlicherweise wecken eben allzu viele Szenen und Schilderungen Assoziationen zu den Gegenständen, die Swallow höchstwahrscheinlich als Vorlage gedient haben. In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf den Plot um Tuvok und Dakal, die die große Maschine auf der Sentrywelt besuchen und sich dabei geradewegs in der Steuerkammer eines Zylonen-Basisschiffes verirrt zu haben scheinen (nur eine gewisse Frau in der Badewanne fehlt).
Wo wir beim Thema ‚Anleihen' wären: Für Synthesis heißt es nicht nur, Star Trek goes BSG, sondern genauso Star Trek goes Farscape. Eine verblüffende Parallele eröffnet sich da nämlich, als plötzlich der Bordcomputer zum Leben erweckt wird. Entgegen meiner anfänglichen Erwartungen ist ihm zwar nur eine kurze Existenz beschieden, aber diesmal ist mir die Nähe zu anderen Serienvorlagen einfach zu groß, als dass ich mich unvoreingenommen auf den kompletten Stoff einlassen könnte. Swallow mag es als eine konsequente Weiterentwicklung desselben Themas ansehen, das auch schon den Aufstand der Holodeckfiguren behandelte, bei mir hingegen hat es ein Geschmäckle, auf das das Wort 'Inspiration' nicht mehr ganz passt.
Die Involvierung einer zweiten neuen Lebensform – Das Null – erinnert mich wiederum an einen Spiderman-Streifen, in dem es nicht schlimm ist, wenn gleich drei Schurken auf einmal die Gegend unsicher machen. Es ist einfach zu viel des Guten: Da musste der Leser sich in der ersten Hälfte des Buches so sehr mit den Sentry befassen, dass er im Prinzip nicht mehr aufnahmefähig ist für eine zweite, gänzlich fremde Spezies. Entsprechend dünn fallen dann auch die Informationen aus, die der Autor über Das Null einstreut. Swallow bemüht sich schon, diesen Gegner so primitiv wie möglich zu machen, ihm selbst das Spezies-Hafte abzusprechen, aber das nimmt auch Spannung weg – umso mehr, da die Bekämpfung des Jahrtausende alten Feindes der Sentry zuletzt übertrieben einfach erscheint. Vermutlich hatte den Novellisten im letzten Viertel des Romans bereits die Motivation verlassen.
Wie bereits angedeutet, ist die Charakterzeichnung diesmal außergewöhnlich schmalspurig, was ich als Abwechslung für die Reihe betrachte. Weniger kann tatsächlich manchmal mehr sein: Dem Leser werden lange Tiraden über Rikers und Trois Elternrolle und ihr Kind (das symbolisch Tasha genannt wurde) erspart, ebenso ist der Dinodoktor Ree nach seinem größeren Auftritt im letzten Buch in Synthesis kaum präsent. Selbst ausufernde Debatten zwischen Riker und Vale über Moral versus Direktive sucht man diesmal vergeblich. Dafür spielen Pazlar und Xin Ra-Havreii eine verhältnismäßig prominente Rolle.
Im Gegensatz zu früheren Romanen der Serie scheint der Titel diesmal goldrichtig gewählt: In der Quintessenz der Story geht es tatsächlich um so etwas wie ein Zusammenwachsen durch Zusammenwirken. Wie ein roter Faden schlängelt sich das Bestreben Rikers durch den Roman, eine Vertrauensebene zu den Sentry zu erreichen. Oft gibt es dabei Rückschläge, aber am Ende führt die gemeinsame Anstrengung dazu, dass nicht nur Vorurteile überwunden, sondern die Maschinen ihre alte Aufgabe erfüllen und dadurch wahrhaft frei werden können. Die Titan darf sich auch darüber freuen, wird sie doch am Ende um ein Crewmitglied reicher.
FazitBedenkt man, wie wenig befriedigend die letzten beiden Romane geschrieben waren, liest sich Synthesis erstaunlich solide. Leider spricht nichts dagegen, dass es sich hierbei bloß um ein Zwischenhoch handelt. Jetzt, da so viele Wiesen abgegrast wurden, fragt es sich, welche Ansätze die Reihe in Zukunft noch verfolgen soll. Dass Synthesis an mancher Stelle Assoziationen mit anderen Sci-Fi-Produkten weckt, ist da kein besonders hoffnungsvolles Zeichen.
Ob es wohl an der Zeit ist, die Titan allein weiter ziehen zu lassen?
6/10 Punkten. 12-2009 |
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