The Persistence of Memory

Autor: David Mack
Erscheinungsjahr: 2012
Seitenzahl: 400
Band: 15

Zeitraum: 1/-2/2384

 

 

Vorbemerkung

 

Cold Equations ist ein Dreiteiler, in dem die Handlung um Doktor Noonien Soongs Erbe, Data, B-4 usw. weitererzählt wird. Der wiedergeborene Data und sein weiteres Leben werden dann auch noch in The Light Fantastic oder Control behandelt.

 

Ursprünglich sollte Cold Equations den Abschluss des Litverse darstellen. Denn im Jahr 2012 trug sich Pocket Books mit dem Gedanken, die Star Trek-Lizenz auslaufen zu lassen. Letztlich entschied man sich dagegen und verlängerte sie, weshalb Autor David Mack seine ersten Planungen stärker abwandelte und am Ende nur gewisse Elemente des ursprünglichen Konzepts übernahm.

 

 

Inhalt

 

Anfang 2384. Aus dem Labor des Kybernetikexperten Bruce Maddox im Daystrom-Institut auf Galor IV werden sechs Androiden gestohlen, die von Doktor Noonien Soong gebaut worden sind und in den Jahren nach Datas Tod eingehend erforscht wurden. Unter ihnen ist auch der einzige noch funktionstüchtige Androide B-4, die defekten Exemplare Lal und Lore sowie drei Prototypen.

 

Die Suche nach den Entführern von B-4 (der noch immer sämtliche Erinnerungsengramme seines Bruders Data in seinem weniger fortschrittlichen positronischen Gehirn trägt, was allerdings seine Existenz bedroht) wird noch mysteriöser, als durch die öffentlichen Straßen von Galor IV ein Mann läuft, der große Ähnlichkeiten mit Data hat. Um wen auch immer es sich handelt, er heftet sich an das Schiff der Entführer, als diese Galor IV verlassen.

 

Die Enterprise fliegt dem Verfolger der Entführer tagelang nach, bis sie einen anderen Planeten erreicht. Dort offenbart sich der Fremde einem Außenteam schließlich als Doktor Noonien Soong höchst selbst (TNG-Episoden Die ungleichen Brüder, Der Moment der Erkenntnis). Es folgt die Eröffnung: Kurz vor seinem körperlichen Tod hat er sein Bewusstsein in einen neuartigen Androiden hochgeladen. Seitdem verfolgte er das Leben seiner Frau Juliana (ebenfalls eine Androidin, die seiner echten Frau nachempfunden ist) und das von Data. Sein übergeordnetes Ziel ist es, Datas Erinnerungen zu bewahren und Datas Persönlichkeit wiederzuerwecken. Und er hat herausgefunden, wer die Androiden gestohlen hat.

 

Soong zeigt dem Team eine riesige Werkhalle, in der sich mehrere Tausend Soong-Androiden befinden, welche die Breen basierend auf den gestohlenen Androiden erschaffen haben. Damit wollen die Breen eine Armee überlegener und doch entbehrlicher Soldaten erschaffen und im Typhon-Pakt an Stärke gewinnen. Soong will unbedingt verhindern, dass sein Wissen und sein Erbe in die falschen Hände gerät. Obwohl der Plan der Breen vereitelt werden kann, kommt es zu Verlusten.

 

Später gelingt es mit La Forges Hilfe, B-4, kurz bevor dieser ein irreversibles Kaskadenversagen seines positronischen Gehirns erleidet, anzuzapfen. Soong hat ein Verfahren entdeckt, Datas Erinnerungen auf seinen eigenen Androidenkörper zu übertragen und ihm damit das Weiterleben zu ermöglichen. Er opfert sich so für seinen Sohn, indem er Data aus B-4 in sich selbst transferiert und ihn zusätzlich mit seinem eigenen Wissen versieht. So wird Data als eine Art von neuem Wesen wiedergeboren…

 

 

Kritik

 

Transhumanismus ist die große Formel dieses Romans, der zugleich den Auftakt einer Trilogie bildet. Es stellt sich heraus, dass Soong nicht gestorben ist, wie es die entsprechende TNG-Folge suggerierte, sondern in einem neuartigen Androidenkörper weiterlebte. Der Kybernetik-Gott möchte sein Erbe bewahren und weiterentwickeln.

 

The Persistence of Memory besteht aus drei Teilen, wobei Teil eins und drei in der Gegenwart angesiedelt sind, also im Jahr 2384, gut vier Jahre nach dem letzten TNG-Kinofilm Nemesis. Dort übertrug Data vor seinem Tod an Bord von Shinzons Scimitar all seine Erinnerungen an seinen jüngst entdeckten, unterentwickelten Bruder B-4, doch dies hatte offenbar keinen Effekt; B-4 wurde nicht zu einem zweiten Data.

 

Der zweite Part, welcher das Herzstück der Geschichte ausmacht, findet zwischen 2367 und 2384 statt. Dieser beleuchtet Soongs weiteres Leben seit seiner Wiederauferstehung als Androide. Auffällig ist hier eine Ich-Perspektive und der für Mack eher ungewohnte Verzicht auf größere Action. Der Leser erhält einen ziemlich minutiösen Einblick in den Charakter von Datas Schöpfer, der sich im Zuge seines Transfers in den kybernetischen Körper auch wesensmäßig wandelt. Man begleitet ihn auf seinem langen Weg von seinem fingierten Tod bis hin zu den aktuellen Geschehnissen. Dabei wird auch die Motivation des Kybernetikers nachvollziehbar erklärt, der als moderner Frankenstein daherkommt.

 

Obwohl der Lesefluss zu Beginn des zweiten Teils ein wenig stockt, wird man vom Ich-Erzähler Soong schnell in den Bann gezogen. Datas ‚Vater‘, ein arroganter und durchaus narzisstischer Mann, wird als Getriebener seines eigenen Werks gezeichnet, und das nicht nur in wissenschaftlicher Hinsicht, sondern auch ganz persönlich.

 

Soong verfolgt das Schicksal von Juliana, der Androidin, die seiner Frau nachempfunden ist und beim Angriff des Kristallwesens auf Omicron Theta verstarb. Er erinnert sich an viele schöne Momente mit ihr, und diese Erinnerungen plagen ihn und treiben ihn an. Nachdem es einem anderen Unsterblichen gelungen ist, sie nach ihrem Tod wiederzuerwecken und für sich zu gewinnen, scheitert Soong, sich ihr zu nähern. Daher wendet er sich Data zu, der im Körper von B-4 kurz vor der Auflösung steht. Am Ende des Romans wird er sein Leben geben, um die Erinnerungen seines geliebten Sohnes zu retten und diesen in gewissem Umfang zurückzuholen.

 

Mack greift viele Plotfäden aus früheren Romanen sowie Serienreferenzen rund um die Androidenthematik auf und entwickelt sie gekonnt weiter. Dies gilt maßgeblich für Jeffrey Langs TNG-Roman Immortal Coil (Das Unsterblichkeitsprinzip), in dem ebenfalls ausgedehnte Rückblicke auf Soongs Leben eine wichtige Rolle spielten. Neben Bruce Maddox und Ira Graves (Wem gehört Data? bzw. Das fremde Gedächtnis) wird explizit auf die Androidenspezies von Exo III aus der TOS-Episode Der alte Traum Bezug genommen. Einen größeren Raum nimmt die Gemeinschaft Künstlicher Intelligenzen ein (Immortal Coil). In diesem Zusammenhang taucht immer wieder Emil Waslowick auf, der unsterbliche Mr. Flint aus TOS (Planet der Unsterblichen), der für Soong eine Art Mentor darstellte.

 

Dies ist ohne Zweifel eine rundum reiche und durchdachte Geschichte, die immer wieder am Wunder des (künstlichen) Lebens selbst kratzt. Der Roman bietet eine Menge Offenbarungen, mehrere entscheidende wie einschneidende Wendungen und interessante Plottwists. Mack versteht sich darauf, für den Leser schwer berechenbar zu bleiben - eine eindeutige Stärke dieses Autors.

 

Soweit zu den positiven Seiten, die – soviel sei klargestellt – zweifellos überwiegen. Dennoch hat die Story einige Schwachstellen und Ungereimtheiten, die das enorme Potenzial etwas schmälern. Zunächst liegt der Erzählung ein gewisses Logikproblem zugrunde, weil Soong, wie Mack nicht müde wird zu betonen, im Hintergrund stets präsent ist und seine Schützlinge Data oder Juliana über die Jahre observiert. Komischerweise hat er aber nie aktiv interveniert, wenn etwa Data in etlichen TNG-Abenteuern in Gefahr geriet. Dieses Nacherzählen der TV-Episoden aus Soongs Perspektive hat also ein Geschmäckle und erzeugt neue Fragen.

 

Hinzu gesellen sich fehlende Antworten zur Klärung von Kontinuitätsproblemen aus TNG. So ist trotz zahlloser Referenzen, die Mack bemüht, wenig klar, wie Soongs Botschaft in Juliana Tainers Gehirn gelangte und wie der Emotionschip in Treffen der Generationen plötzlich vom Status 'zerstört' in 'funktionstüchtig' wechselte.

 

Auch muss man sagen, dass Mack zwar eine authentische Charakterisierung des überheblichen Androidenschöpfers leistet, doch seine Figur zunehmend nervtötend wird. Die enorme Egozentrik und schreckliche Selbstverliebtheit des Mannes, die Mack bei zahlreichen Gelegenheiten herausstreicht, macht es zwar nicht unmöglich, sein letztendliches Opfer nachzuvollziehen, aber es bildet zumindest ein gewisses Störfeuer.

 

Störend war für mich auch, dass das Genie Soongs manchmal einfach zu sehr strapaziert wird. Selbst, wenn er eine intellektuelle Ausnahmeerscheinung ist, stellt sich doch die Frage, wie er als vergleichsweise einsame Gestalt neben der umfangreichen Forschung, in die er sein Leben lang investierte, auch noch als Wirtschaftsmagnat wirken kann. Das ist einfach zu viel, es sei denn Soong hat sich geklont.

 

Nicht zuletzt stellt sich die grundsätzliche Frage, ob Data nach all den Jahren, die mittlerweile im TNG-Universum vergangen sind, überhaupt zurückkehren musste. Gut, Mack macht es hier nicht so platt, dass der ehemalige Zweite Offizier der Enterprise einfach so wiederaufersteht, dennoch weilt ein wesentlicher Teil von Datas Essenz sowie seiner Erinnerungen nun wieder unter den Lebenden. Es wird abzuwarten sein, was mit seiner Figur in Zukunft angestellt wird.

 

Das Ende der Geschichte ist leider recht unbefriedigend. Unnötigerweise wird noch ein Actionplot abgebrannt. Man trifft auf eine Androidenarmee, die von Lore und den ihm ergebenen abtrünnigen Borg erschaffen wurde (TNG-Episode Angriff der Borg). Was für sich schon weit hergeholt wirkt, wird wenig später wieder relativiert, weil die Androiden nur halb funktionsfähig sind. So darf Soong die Armee dann im richtigen Moment besiegen, indem er sie schlicht rebootet - der Gute bleibt eben ein unglaubliches Genie!

 

Der Vollständigkeit halber muss ich auch zugeben, dass die Breen-Bedrohung auf mich etwas konstruiert wirkte. Natürlich wollen sie eine Androidenarmee in ihren Diensten haben. Doch wieso eigentlich erst jetzt? Und wieso scheitert jemand wie Maddox offensichtlich daran, Soong-Androiden zu bauen, während die Breen selbige vom Fließband laufen lassen? Nein, das hätte es wirklich nicht gebraucht, und der Eindruck, den die Breen-Gegner im weiteren Verlauf der Story wecken, ist nicht der, dass ich sagen würde, sie gehören zu den hellsten Vertretern ihrer Art.

 

Charaktermäßig passiert aufgrund der enormen Soong-Zentrierung nicht allzu viel unter den Recken um Picard und Co. Es fällt auf, dass nicht wenige der Enterprise-Protagonisten inzwischen eine erfüllte Partnerschaft führen. Besonders erwähnt sei hier Geordi, der mit der Ärztin Tamala Harstad zusammengekommen ist. Für Worf geht die Geschichte indes enorm bitter aus, denn die Breen ermorden mal eben seine Freundin und Sicherheitschefin Jasminder Choudhury. Musste das unbedingt sein? Soll Worf nach all seinen Verlusten noch komplett gebrochen werden? Abgesehen davon war Choudhury ein Charakter, der einem zusehends ans Herz gewachsen ist; man hatte die Hoffnung, sie könnte die Frau für Worfs restliches Leben werden. Aber nein, weit gefehlt, Mack durchtrennt dieses Band einfach mal, um für etwas dramatische Fallhöhe zu sorgen. Ein völlig unnötiger Tod!

 

Der neue Data schlägt direkt einen interessanten Kurs ein. Obwohl sich am Ende alle von der Enterprise-Crew darüber freuen, dass er ‚zurück‘ ist, lehnt der Androide Picards Angebot ab, auf dem Schiff zu bleiben. Stattdessen will er sich der Suche nach dem mysteriösen Unsterblichen Waslowick verschreiben, von dem er sich erhofft, dass er seine geliebte, verstorbene Tochter Lal wiederauferstehen lassen kann.

 

 

Fazit

 

Destiny-Autor Mack versucht mit seiner neuen Trilogie mal etwas anderes. Mit The Persistence of Memory bringt er einen für ihn ungewöhnlichen Roman zustande, der gerade im Soong-Part angenehm ruhige und introspektive Töne anschlägt. Das Wunder des Androidenlebens wird immer wieder durch seine kreativ-gekonnten Schilderungen erlebbar, und Soongs Opfer im späteren Verlauf der Geschichte weiß zu rühren.

 

Die vielen Referenzen, die Mack zur Authentifizierung der Handlung auffährt, vermögen zwar einige Logikprobleme der Geschichte nicht zu überdecken, und doch sind es am Ende die herausragenden Schreibfähigkeiten dieses Autors, die den Sieg davontragen: Der Roman ist wundersam, schwer durchschaubar, erhellend und spannend. Trotz des offenen Endes funktioniert er auch als für sich stehende Geschichte gut, wiewohl ich gespannt bin, wie es mit dem wiedererwachten, veränderten Data nun weitergeht…

 

7/10 Punkten.

11-2022