VorbemerkungErst mit diesem, dem eigentlich zweiten Roman der Second Decade (oder auch TNG-Relaunch) findet die Geschichte von Captain Picard und seiner Mannschaft nach Star Trek: Nemesis eine genuine Fortsetzung. Das Buch Death in Winter war eine Übergangsgeschichte.
InhaltWie sagte Captain Kirk einst so melancholisch? – „Die Enterprise kommt mir vor wie ein Haus, das von allen Kindern verlassen worden ist. Nein, sogar noch leerer…“ Und tatsächlich scheint sich die Geschichte zu wiederholen: Auch einhundert Jahre später gibt es einen einsamen Enterprise-Captain, der mit dem Weggang seines Ersten Offiziers erst noch klarkommen muss. Und wo wir schon dabei sind, auch mit dem Weggang der Counselor und dem Verlust seines androiden Wissenschaftsoffiziers. Einen Vorteil gegenüber Kirk hat Picard dann doch, wenn auch erst neuerdings: Er darf jetzt neben seiner Chefärztin aufwachen, zu der er sich schließlich bekannte und die zu ihm auf die Enterprise zurückkehrte.
Aber auch sie stößt an ihre Grenzen, als Picard eines Nachts unvermittelter Dinge schweißgebadet aus einem Albtraum hochschnellt – und hinter der Stirn die Stimmen seiner wahren Nemesis vernommen hat: Borg. Die folgenden Tage und Stunden, in denen Picard seine neuen Offiziere – unter anderem einen vulkanischen Counselor – an Bord begrüßt, stehen mehr und mehr im Schatten dieser nächtlichen Anwandlung. Und als sich die visionsartigen Zustände wiederholen, ist sich der Captain schnell sicher: Die Borg sind hier, hier im Alpha-Quadranten, gerade damit beschäftigt, eine neue Königin zu erschaffen. Und weil das Kollektiv durch die Taten Admiral Janeways an den Rand des Zusammenbruchs gedrängt wurde, soll es keine Assimilationsversuche mehr geben – stattdessen sollen Menschheit und Föderation ein für allemal ausgelöscht werden.
Es ist auch diese Veränderung im Selbstverständnis der Borg, die Picard wittert und die ihn mit Furcht umtreibt. Die seit seiner Deassimilation von Locutus niemals gänzlich verschwundene Intuition ob des Hive-Bewusstseins lässt ihn im Gefolge ahnen, in welchem Sektor sich der entsprechende Borg-Kubus befindet – ein Schiff, das tatsächlich vom Kollektiv abgeschnitten wurde und bemüht ist, sich eine neue Identität zu stiften, nachdem alle seine Transwarp-Verbindungen in den Delta-Quadranten gekappt wurden. Schnell wendet sich Picard an die Sternenflotte, doch anfänglich glaubt ihm niemand, und er ist gezwungen, auf eigene Faust vorzugehen.
Als schließlich die Sensoren der Enterprise tatsächlich einen Borg-Kubus auflesen, ergibt sich für den Captain schnell ein handfestes Dilemma: Während Janeway ihm befiehlt, auf die ihr zuarbeitende Seven of Nine zu warten und dieser die Untersuchung des Borg-Schiffes zu überlassen, verrät Picard sein berüchtigtes Bauchgefühl, dass er nicht warten kann – denn mit jeder Stunde wird der angeschlagene Kubus stärker und stärker. Wohl wissend, dass bislang immer auch eine gehörige Portion Glück gegen die kybernetischen Invasoren im Spiel war, widersetzt er sich der Anweisung aus dem Oberkommando und schlägt – wie schon sieben Jahre vorher – auf eigene Faust los.
Seine Vorahnung scheint einzutreffen: Als ein Außenteam mit konventionellen Methoden versucht, den Kubus zu entern und dabei getötet wird, ergeht rasch die Erkenntnis, dass die Borg sich wirklich verändert haben. Picard realisiert, dass es nur eine Möglichkeit gibt, die hier heraufkeimende Bedrohung abzuwenden: Er muss sich seiner größten Angst stellen. Er muss wieder Locutus von Borg werden…
KritikMit dem – abgesehen von der Picard-Beverly-Beziehung – eher seichten, wenn auch nicht schlechten Übergangsroman Death in Winter unternahm Michael Jan Friedman einen ersten Versuch, sich einer TNG-Fortführung zu nähern. Der wahre Schritt indes blieb aus und oblag, zwei Jahre nach dem Erscheinen von Death in Winter, J.M. Dillard, welche insbesondere durch ihre Kinofilm-Novelisationen Bekanntheit genießt. Leider hat sich Pocket Books keinen Gefallen getan, indem man dieser Autorin den Zuschlag gab – zumal für eine Idee, die ohnehin kritisch zu sehen sein sollte. Warum?
Wenn die für die Second Decade zuständige Lektorin, Margaret Clark, im Communicator betont, sie habe die Borg immer zurückbringen wollen – und zwar in der Gestalt „seelenlose[r] Monster“ –, dann beruft sie sich, unabhängig von der zwangsläufigen ‚Ausschlachtung’ dieses Themas in Star Trek: Voyager, auf ein reines Horrorelement. Es ist also erklärte Absicht, eine primär emotionale Karte im Debüt des TNG-Relaunch auszuspielen. Die Borg als Körperfresser sollen wieder herhalten.
Was aber noch in Death in Winter mit einer begrenzten Liebesbeziehung funktioniert hat, verkommt in Resistance zu bloßer Karikatur. Die einseitige Auslegung der Geschichte wird von vorneherein bemerkbar: Doch ist die erste Szene mit Picards Albtraum dramaturgisch noch gut inszeniert und zeigt dem Leser sogleich die Parallele zu Der Erste Kontakt auf, scheint das Buch schier ohne weitere Einfälle beim rohen (Pseudo-)Schocker stehen zu bleiben. Konzeptlosigkeit – nein, fast schon Storylosigkeit – dominiert auf allen Ebenen.
Die erste und wohl schwerwiegendste Ebene sind die Charaktere. Wo Resistance als Etablierungsroman doch gerade die Aufgabe zufallen sollte, die alten, verbliebenen Protagonisten weiterzuentwickeln und neue gebührend einzuführen, gelingt Dillard nichts dergleichen. Die Charakterszenen dümpeln im Schatten Picards und wirken zumeist aufgesetzt. Dabei sind Worfs Selbstzweifel, den Posten des Ersten Offiziers nicht annehmen zu können (was ist eigentlich mit Martin Madden aus der Nemesis-Cutscene passiert?), nur die Spitze des Eisbergs. Frei nach dem Motto ‚Hauptsache Querverbindung’ soll unter einem Bezug zu einer späten DS9-Episode, in der seine Liebe für Jadzia Dax gegen die Pflicht stand, offenbar jegliche Logik der Dinge begraben werden.
Denn wie viele Jahre liegt jene Mission mit Jadzia, die Worf so in Erinnerung geblieben ist, zurück? Und wie oft hat Worf bis dahin schon Befehle gegeben – auf der Defiant, als Diplomat auf Qo’noS? Hat er an der Seite von Kanzler Martok in The Left Hand of Destiny nicht ganze Truppen befehligt und ein Reich vor dem Kollaps bewahrt? Plötzlich hat er in Resistance Angst, in der Rolle des Ersten Offiziers Gefühle dazwischenfunken zu lassen? „Es regnet nicht, aber es gießt.“, sagte Pille McCoy immer so schön zynisch. Das Gedächtnis der Geschichte scheint ausgelaufen oder – schlimmer noch – der gute Worf schizophren geworden zu sein.
Picard wiederum wird eine Ausdrucksweise angedichtet, die beinahe zur Annahme verleitet, man wäre in irgendeinem schrägen Paralleluniversum gelandet. Einerseits scheint er über Nacht gläubig geworden zu sein, weil er ständig darauf hinweist, er werde für dieses oder jenes "beten", auf der anderen Seite schmeißt er mit scharfen Kraftausdrücken um sich wie nie zuvor.
Bei den Neuzugängen sieht es so düster aus wie die Atmosphäre dieses Romans vergebens sein will: Rigoros wirbelt Dillard zwischen zahllosen Personen hin und her, die allesamt nicht wirklich interessant erscheinen: Eine (alleine schon mental ungeeignete) Vulkanierin, die Troi als Counselor nachfolgt und sofort für dicke Luft sorgt, ein kindsköpfiger Lieutenant, der glaubt, den Borg die Stirn bieten zu können, ein klischeehafter Sunnyboy-Sicherheitschef, der sich in einer kitschigen Liebesaffäre ergießt, der völlig überflüssige Tod beider letzterer… Es war schließlich klar, dass es die wenigen verbliebenen TNG-Resthelden nicht erwischen darf, also kalkuliert Dillard von vorneherein auf Ersatzopfer und Ersatzmitleid. Die Strategie: Möglichst schnell ein bisschen Sympathie aufbauen, und dann die Jungs und Mädels mit feuernden Phasern untergehen lassen. Ist das die neue Charakterstrategie, die Clark vollmundig in Interviews in Aussicht stellte?
Und als wäre das nicht schon genug, kommen noch die Borg dazu, das große Thema der Geschichte. Ihre ach so pompös angekündigte Veränderung zu Monstren wirkt nachgerade unerklärbar. Ihr Verhalten ist es auch. Denn vor allem wohnt ihm eine völlige Inkonsistenz inne – und da führt Dillard, gewiss ohne es zu wollen, den Klingonen Worf und einen Haufen aggressiver Drohnen zu neuer Gemeinsamkeit. Ohne eine wie auch immer geartete Begründung assimilieren die „bionischen Zombies“ jetzt selektiv anstatt in großem Stil und töten mit blutrünstigen Methoden jene Gegner, die sie für nicht kollektivwürdig erachten. Heureka, welch Frischzellenkur!
Und damit soll das Schießbudenfiguren-Image aus VOY passé sein? Wie mir scheint, sitzt die Wurzel des Problems hier tiefer als lediglich bei der Autorin, sondern reicht bis hinauf in die sakralen Etagen von Pocket Books. Was war also denn jetzt noch mal das Neue, Furchterregende an den Borg, fragt sich der Leser stirnrunzelnd. Etwa eine Borg-Königin, die in ihrem dunklen Drange die Hände zusammenschlägt und dabei Worte wie ‚Vergewaltigung‘ und ‚Spaß‘ (im Zusammenhang mit der Vernichtung der Erde) lustgeladen in den Mund nimmt? Man wird das Gefühl nicht los, es mit einer billigen Mogelpackung zu tun zu haben.
Mit der Handlungslogik um Picard und Kohorten ist es auch nicht viel weiter hin. Warum es gerade erforderlich ist, Locutus wieder aus der Mottenkiste zu holen, kommt alles andere denn schlüssig daher. Und als später vom Himmel fällt, Sternenflotten-Schiffe seien im Geheimen längst im Besitz von fortschrittlicher Tarntechnologie, ist das kein Ersatz für eine erdachte Handlung, sondern ein Trauerspiel. Man versucht in diesem Buch in weithin plagiierender Weise an das anzuknüpfen, was vor Jahrzehnten für Aufruhr gesorgt hat, aber heute nicht einmal eine Maus mit Turnschuhen hinterm Ofen hervorlocken würde. Und dem nicht genug: Natürlich fliegt der falsche Locutus auf und wird wieder assimiliert.
Jetzt heißt es für Worf, Crusher und Co. eine Rettungsmission (hatten wir das nicht schon einmal?) zu starten, natürlich inklusive Abtrennung der Untertassensektion (seit wann geht das bei einem Sovereign-Kreuzer?) und nebenbei die neue Borg-Königin zu eliminieren. Warum ist die Enterprise eigentlich schon wieder das einzige Schiff in der Nähe des Borg-Kubus? Das Raumschiff ist quasi gerade erst wieder in Dienst gestellt worden; wie weit kann es denn von der Erde und den anderen Schiffen entfernt sein, dass es als einziges die Borg abfangen könnte, aber auf die Ankunft von Seven of Nine tagelang warten muss (was übrigens genauso schwachsinnig wie alles andere ist)? Ein triftiger Strauß sinniger Fragen – die leider allesamt nicht einmal andeutungsweise in Resistance beantwortet werden. Augenfällig ist nur eines: Das Buch klaut beinahe eins zu eins Versatzstücke von bestehenden Borgstorys zusammen und rührt einmal - aber eben nur einmal - kräftig um. Innovation mag ich in einem solchen Vorgehen nicht erkennen.
So kommt es auch nicht anders, als man Vorzüge in Resistance mit der Lupe suchen muss. Um so korinthenkackerisch zu sein: Der Zwist zwischen Picard und Janeway lässt sich gar nicht einmal so schlecht an. Denn es scheint insgeheim ausgemacht, dass ihre latente gegenseitige Antipartie sich nicht nur um Picards gelegentliche Probleme mit dem Befehle-Befolgen dreht, sondern gar um einen unausgesprochenen Intimkampf um das Borg-Thema. Wer ist der größere Experte? Wer hat die besseren Erfahrungen mit dem Kollektiv? Konkurrenz soll ja bekannterweise das Geschäft beleben. Leider nicht hier: Dass die interessante Chemie zwischen Janeway und Picard bestenfalls am Rande genutzt, wenn nicht im Keim erstickt wird, darauf werde ich nicht extra hinweisen.
FazitWas aber ist das Schlimmste an Resistance? Ich würde sagen, nicht die niedrige und schlechte Qualität des Buches an sich oder die Tatsache, dass Charaktere und Borg irgendwo zwischen Möchtegern, Lächerlichkeit und dem blanken Vakuum des Alls pendeln. Nein, Resistance zeigt eindeutig, dass Pocket Books bislang keine Antwort auf die von mir in meiner Einführung beschriebenen Frage gefunden hat, wie denn die Zukunft von TNG für eine literarische Fortsetzung aussehen könnte. Stattdessen werden alte Kamellen gelutscht ohne den Hauch einer Inspiration. Gift für jemanden, der Lust auf eine romanbasierte Weiterentwicklung hatte. Diese strukturelle Perspektivlosigkeit macht das Buch – so zumindest geht mir es – um ein Vielfaches schlimmer.
Und in dieser Hinsicht hat es sein Ziel erreicht: da ist es ein wahrhafter Schocker. Ein 2-Sterne-Schocker!
2/10 Punkten. 10-2007 |
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