To Reign in Hell: The Exile of Khan Noonien Singh

Autor: Greg Cox
Erscheinungsjahr: 2006
Seitenzahl: 360
Band: TOS/Post-TOS

Zeitraum: 2267-85

 

Vorbemerkung

 

To Reign in Hell ist der dritte Band der Khan-Trilogie, die sich mit dem Aufstieg und Fall des eugenischen Diktators aus den 1990er Jahren befasst. Behandelten die ersten zwei Romane seine Zeit auf der Erde, geht es in der vorliegenden Geschichte um das Exil im Ceti Alpha-System.

 

 

Inhalt

 

Khan Noonien Singh. Vielleicht der Schurke des Star Trek-Universums. Ein wahrlich gentechnisches Erzeugnis. Ein genialer Verstand. Eine selbstherrliche Persönlichkeit, die in den Eugenischen Kriegen 1992 bis 1996 die Kontrolle über ein Viertel der Erde erlangte, von Südasien bis zum Mittleren Osten. Er war der letzte große Tyrann, der schließlich gestürzt wurde. 1996 flüchtete er dem Schläferschiff S.S. Botany Bay, begleitet von seinen Getreuesten, in die Weiten des Alls. 2267 entdeckte die Crew der U.S.S. Enterprise dieses Schiff und weckte Khan, der daraufhin Ambitionen entwickelte, die Enterprise zu übernehmen, weil von der Schaffung eines neuen Imperiums träumte. Dafür wurden Khan und seinesgleichen auf einem lebensreichen Planeten (Ceti Alpha V) ausgesetzt, wo sie den Rest ihrer Zeit im Exil verbringen sollen. Soweit die Geschichte aus der TOS-Grundlagenepisode Space Seed.

 

Die Geschichte geht im zweiten Star Trek-Film weiter: 2285, zwei Dekaden später, stößt die Crew der U.S.S. Reliant während der Suche nach einem geeigneten Planeten für das Genesis-Projekt auf dem vermeintlichen Nachbarplaneten Ceti Alpha VI auf Khan und seine verbliebenen Anhänger. Es stellt sich heraus, dass es sich in Wahrheit um Ceti Alpha V handelt und der Planet infolge eines dramatischen Kataklysmus - Ceti Alpha VI explodierte aus unbekannten Gründen und verschob die Umlaufbahn seines Nachbarplaneten - mit Ceti Alpha VI verwechselt wurde. Khan übernahm die Reliant und stahl anschließend die Genesis-Erfindung auf der Regula-I-Raumforschungsstation. Seine Freiheit setzte er nicht dazu ein, um große Pläne für die Zukunft zu schmieden; zu diesem Zeitpunkt interessierte ihn einzig und allein noch die Rache an James T. Kirk, seinem Peiniger, den er für sein grausames Exil verantwortlich machte, das ihm nahezu alles nahm, was ihm geblieben war. Er verlangte der Enterprise viele Opfer ab, bis diese ihn endlich in einer spektakulären Schlacht im Mutara-Nebel zur Strecke bringen konnte.

 

Nach diesen in TV und Kino erzählten Geschichten wie auch im Gefolge des von Greg Cox herausgebrachten Zweiteilers um die Eugenischen Kriege auf der Erde und Khans Rolle darin, bildet To Reign in Hell gewissermaßen das Scharnier zwischen Space Seed und The Wrath of Khan, wird doch nichts anderes als die Geschichte seines Exils auf Ceti Alpha V erzählt. Nach der Verurteilung der Mutanten und der Entscheidung, sie auf einem Planeten auszusetzen, geht Captain Kirk sicher, dass Ceti Alpha V - ein Planet im Kontrollbereich der Föderation - die idealen Klasse-M-Bedingungen bietet, um den Aussätzigen eine Chance zur Ansiedlung zu geben. Lieutenant Marla McGivers trifft die Entscheidung, Khan, in den sie sich verliebt hatte, begleiten zu wollen. Die Enterprise stattet Khan, seine Leute und McGivers mit allem Nötigen aus, das sie zum Überleben benötigen, bevor sie letztlich abfliegt. Khan ist frohen Mutes, hier eine Zivilisation von Übermenschen aus der Taufe zu heben, die eines Tages noch größer und glorreicher werden soll als sein Reich auf der Erde vor über 260 Jahren.

 

Doch der Weg dorthin ist durchaus steinig. Auf der neuen Welt gilt es, vielen Gefahren zu trotzen - beispielsweise wilden Tieren - und Herausforderungen wie kontinuierliche Nahrungssuche und Siedlungsbau zu bestehen. Dennoch lässt sich der Auftakt der jungen Kolonie gut an, und Khan gelingt es, seine Gemeinschaft unter den neuen Bedingungen zu führen. Gerade einmal sechs Monate vergehen, bis sich auf der Nachbarwelt Ceti Alpha VI eine Katastrophe ereignet, die kurzerhand zur Explosion des Himmelskörpers führt. Die ausgelöste Schockwelle verschiebt die Umlaufbahn von Ceti Alpha V, was die natürlichen Gegebenheiten der bislang fast schon paradiesischen Welt Khans nachhaltig verändert. Es kommt zu einem dramatischen Klimawandel: Flüsse trocknen aus, die meisten Wildtiere verenden, Meteoriteneinschläge sorgen für Gefahr von oben, die Temperatur nimmt in Folge dieser Einschläge und der daraus resultierenden Staubwolken in der Atmosphäre erheblich ab, und die Verschiebung der Planetenachse sorgt für zunehmende Windgeschwindigkeiten auf der Oberfläche.

 

Die einst so mannigfaltige Klasse-M-Welt transformiert sich so in Rekordzeit zur Klasse L. Sandstürme bedecken in Kürze die Oberfläche, und außer wenigen hartnäckigen und gefährlichen Lebensformen stirbt alles Leben nachhaltig aus. Hinzu kommt eine neue Bedrohung, die bislang in den Tiefen von Ceti Alpha V lauerte und durch den Klimawandel ihren Lebensraum dramatisch ausdehnt: eine aalähnliche Kreatur, die ihren Nachwuchs offenbar bevorzugt in den Gehirnen anderer Organismen ablegt und diese damit zu fast vollkommener Befehlshörigkeit zwingt.

 

Khan und seine Exilanten werden - entgegen Khans anfänglichen Hoffnungen, Kirk würde früher oder später zurückkommen - nie wieder von der Sternenflotte ob ihrer Lebenssituation kontrolliert, und es beginnt ein grausamer Kampf ums Überleben, in dessen Gefolge Khan buchstäblich alles verliert: das Paradies und die Möglichkeit, eine neue Welt zu besiedeln, die Loyalität jener Gemeinschaft, die ihm Treue geschworen hatte...und schließlich auch seine große Liebe Marla. Letztlich bleibt ihm nur sein Hass auf James T. Kirk, der ihn über viele Jahre am Leben erhält.

 

 

Kritik

 

Als ich dieses Buch zum ersten Mal in die Hand nahm, war eine gesunde Portion Skepsis dabei. Immerhin erscheint Khan Noonien Singh im zweiten Kinofilm als ein, wenn auch charismatischer, durch und durch eingefleischter Oberschurke - das personifizierte Böse, das gegen das personifizierte Gute James T. Kirk in den Kampf zieht. Die Vorstellung, dass To Reign in Hell dieses Bild zu relativieren weiß und einen neuen Khan zeichnet, ohne den alten mit Gewalt zu revidieren, erschien mir nicht nur etwas weit hergeholt, sondern auch ungemein schwer. Doch so reich wie die Welt an wundersamen Zufällen ist, trat, mit jeder Seite, die man hinter sich ließ, genau das ein.

 

Khan hat sich keineswegs von Anfang an ausgesucht, Rache an James T. Kirk zu nehmen, wie es der zweite Kinofilm schnell suggerieren könnte. Als das Außenteam der Enterprise Khan und seine insgesamt achtzig Übermenschen plus Marla McGivers auf Ceti Alpha V absetzt (wo der kleine Sicherheitsoffizier Pavel Chekov mit ihm das letzte Mal spricht, wobei im Handstreich einer der größten Kontinuitätsfehler der Star Trek-Geschichte beseitigt wird), hat Khan sogar großen Respekt vor Kirk, der ihm, so sieht es der einstige Diktator, eine faire Chance gibt, einen eigenen Neuanfang zu machen. Denn wer weiß, wie es überhaupt in der Föderation für Khan laufen würde, einen der großen Schurken der Erde des späten 20. Jahrhunderts? Er hätte dort sicher nicht den Hauch einer Chance, seine Freiheit zu bewahren. Insofern tut ihm Kirk mit dem Entschluss, ihn auszusetzen, sogar einen Gefallen. Khan träumt von einer Zukunft, da er und seinesgleichen eine Welt bändigen und eine Zivilisation aufbauen werden, die seinen Vorstellungen von einer neuen Menschheit genüge tut. Dieses Ideal von einer nur von Mutanten beherrschten Welt scheint sich zunächst langsamen Schritts zu erfüllen. Die neuen Siedler gewöhnen sich nach einigen herben Zusammenstößen mit der Naturgewalt auf Ceti Alpha V ein, und es gelingt ihnen, erste Schritte in Richtung einer kleinen Kolonie zu unternehmen.

 

Der trefflich gewählte Titel des Buches To Reign in Hell spielt auf einen Satz an, den Khan in der geschnittenen und in der DVD-Fassung wieder eingefügten Sektion von Milton zitiert: Lieber in der Hölle regieren als dem Himmel dienen. Khan will gar nicht Teil des Himmels, der VFP-Gesellschaft, werden, denn dort gibt es keinen Platz für ihn und keine Bereitschaft, ihn tun zu lassen, wozu er sich auserkoren sieht. Stattdessen wählt er bereitwillig die Regentschaft über die Hölle seines permanenten Exils, das sich jedoch bald schon in eine wahrhaftige Hölle verwandeln wird. Dieser weltliterarische Überbau hat Khan schon immer etwas Poetisch-Episches verliehen, und der Ex-Diktator ist bis zum letzten Atemzug sein eigener Held in einem monumentalen Historiendrama.

 

Nach Space Seed hatte ich mich schon immer gefragt, wie es mit Lieutenant McGivers, die sich Khan bereitwillig anschließt und damit ihrem früheren Leben mutmaßlich für immer den Rücken kehrt, weitergeht. Im zweiten Kinofilm liest man aus Khans knapper Aussage über "seine Frau" nicht mehr als dass es sich um McGivers gehandelt haben und er sie sehr geliebt haben muss. Autor Greg Cox reserviert dieser Beziehung einen ganz besonderen Platz, vor allem in der ersten Hälfte des Buches. Das ist erstaunlich und erweist sich als gekonnter Griff zur Vertiefung des Khan-Charakters. McGivers, eine Historikerin mit einem zeitlebens währenden Gefühl, nur hohle und mittelmäßige Dinge zu erleben, verliebte sich in der entsprechenden TOS-Episode in Khan, weil seine erhabene Aura sowie sein brillanter Intellekt sie über alle Maße hinaus in Beschlag nahmen.

 

Wie wichtig sie für Khan auf der neuen Welt in der neuen Siedlung (die er, nebenbei erwähnt, New Chandigarh tauft) wird, hebt Cox unverkennbar hervor: Khan war stets ein Übermensch, sah sich auch in diesem Bilde, von 'normalen' Menschen wurde er gefürchtet und verachtet. Dass plötzlich eine nicht genetisch aufgewertete Erdenfrau ein bedingungsloses, aufrichtiges Interesse an ihm hat und er sich mindestens ebenso zu ihr hingezogen fühlt, verleiht ihm das Gefühl, noch mehr zu sein als nur der Anführer einer Diaspora der Optimierten. McGivers, die er von nun an stets beschützen möchte, bedeutet weit mehr für ihn als lediglich die Frau an seiner Seite zu sein: Khan erblickt zwischen ihr und ihm Gemeinsamkeiten, beispielsweise die nahezu sehnsüchtige und romantisierte Orientierung an großen historischen Persönlichkeiten, die wegweisend für ihre jeweiligen Lebenswege war. Sie beide teilen eine gewissermaßen magische Verbindung, die letztendlich dazu führt, dass Marla die einzige Person ist, die an Khan Kritik üben und damit zu ihm durchdringen kann. Khan beginnt sie als starke Partnerin zu schätzen, die es erreichte, den Tiger zu bändigen. Das hatte auch unmittelbare Auswirkungen auf Khans Verhalten gegenüber seiner Gemeinschaft, machte ihn zu einem besseren Anführer.

 

Die schlagartige Umwelt- und Klimakatastrophe, die über den Planeten hereinbricht, bringt all diese positiven Entwicklungen zu Fall. Khan wehrt sich bis zum Schluss, von seinem Zorn zerfressen zu werden, doch am langen Ende des Exils ist die Dimension seines Verlustes total: Er verliert alles, was ihm jemals etwas bedeutete; zunächst den Traum der Welt, die er aufzubauen gedachte (als die Naturkatastrophe über Ceti Alpha V hereinbricht), dann die Loyalität seiner Leute (die ihm einst die Treue geschworen hatten und dann nach und nach ihrem Herrscher misstrauen und übereinander herfallen; ja, im Grunde wiederholt sich auf dem Exilplaneten im Kleinen, was sich zwischen den Augments in den 1990er Jahren abspielte und ihre Macht erodieren ließ) und auch McGivers - die einzige Person, die imstande ist, ihn Selbstkritik üben zu lassen. Gerade McGivers‘ Tod ist für Khan der empfindliche Kipppunkt, warum er für die grenzenlose Rache an James T. Kirk zu brennen beginnt, da er die Nachlässigkeit und Ignoranz Kirks bei der Überwachung der Kolonie als Ursache für all sein Leid ansieht. Khan bleibt - als Überlebenskünstler - gar nichts anderes mehr übrig, als die Vergeltung am Enterprise-Captain zu jenem letzten Element zu machen, mit der er die harten Jahre überstehen kann, unwissend, ob er diesen Revanchewunsch jemals wird einlösen können.

 

Wenn man in diesem Buch etwas erkennt, dann würde ich sagen, dass der endgültige Hass, den eine Person auf eine andere empfinden kann, keineswegs eine Einbahnstraße ist. Und sie ist auch alles andere als Selbstzweck. Khan war trotz seiner Zeit als despotischer Herrscher über ein Viertel der Erde, seiner Selbstverliebtheit und seiner rassistisch-ideologischen Vorstellungen eine Persönlichkeit, die sich selbst Prinzipien anlegte, nach einem inneren Kodex strebte. All das wurde während des grausamen Exils auf Ceti Alpha V sprichwörtlich hinweggefegt, und um sich selber einen Sinn zu verleihen, trat die Rache als letztes Feuer in der Aussichtlosigkeit dieser Hölle an die Stelle des Kodex. Der Khan im zweiten Kinofilm ist nach dieser Lesart so etwas wie ein Untoter, der nur noch für Hass und Vernichtung brennt und bereit ist, jederzeit sein Leben wegzuwerfen, denn dieses bedeutet ihm im Grunde nur noch sehr wenig.

 

Höchst interessant ist auch, dass die Geschichte mehr oder minder aus der Retroperspektive erzählt wird, nachdem Kirk, McCoy und der vor kurzem wiederbelebte Spock nach Ceti Alpha V zurückkehren, um Nachforschungen in Bezug auf Khan anzustellen, und dort auf sein persönliches Tagebuch (sowie das Grab von Marla McGivers) stoßen. In den Filmen wurden Khans Nachwirkungen vor allem auf Kirk niemals wieder aufgegriffen - hier erhält die menschliche Dimension ihre Tiefe, indem Kirk sich mit dem Werdegang Khans während des Exils auseinandersetzt und versucht, ihn zu verstehen. Seine Beweggründe, was er durchgemacht hat. Dass ihm dies gelingt, beweist der persönliche Schwur, den der Captain der Enterprise sich am Ende leistet: niemals wieder jemanden zu vergessen. In letzter Konsequenz nämlich war Khan, wie er wurde, ein Produkt des (bewussten oder unbewussten) Vergessens.

 

Damit gesteht sich auch Kirk einen schwerwiegenden menschlichen Fehler ein, und vielleicht schwingt da eine generelle Kritik gegenüber der angeblich 'perfekten' Föderationsgesellschaft mit, die, um 'perfekt' zu bleiben, es sich offenbar zur Aufgabe erklärte, alles Schlechte zu exkludieren. In diesem Fall: die unerwünschten genetisch Erweiterten, die schlichtweg nicht mehr vorkommen dürfen. Nicht umsonst hat Kirk mehr oder weniger in Eigenregie entscheiden können, Khan und seinesgleichen auf Gedeih und Verderb auszusetzen, woraufhin die Sternenflotte bereit war, die Existenz dieser möglichen Kolonie einfach dem Vergessen anheim fallen zu lassen und achtzehn Jahre später gar das äußerst weitreichende Genesis-Experiment in selbigem Sternensystem (nämlich beim mutmaßlichen Nachbarplaneten) durchzuführen.

 

 

Fazit

 

Eine Charakterstudie, die, wie nur sehr wenige, ganz einzigartige Akzente setzt und viele kleine Details aus den TV- und Kinovorgaben aufgreift, um sie mit dem großen Innovationspotential Greg Cox' bei diesem Werk zu vermengen. Obwohl in To Reign in Hell alles andere als die klassische Star Trek-Materie im Vordergrund steht, dringt in diesem Buch ein Spirit hervor, der gerade dem Franchise Eigen ist: Es ist zunächst einmal der Glaube an eine bessere Welt, allerdings erzählt aus Khans spezieller Perspektive.

 

Was aber geschieht, wenn dieser Glaube durch bittere Realität und Fehler anderer Leute enttäuscht wird, demonstriert To Reign in Hell vorbildlich. Hierbei handelt es sich gewiss um einen der besten Star Trek-Romane, die jemals erschienen und die nur sehr schwer zu toppen sind. Khans Figur wird erheblich facettenreicher.

 

10/10 Punkten.

8-2006