Declassified
Autoren: Dayton Ward / Kevin Dilmore / Marco Palmieri / David Mack
Erscheinungsjahr: 2011
Seitenzahl: 400
Band: 1.6
Zeitraum: 2265-68 |
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Inhalt
Nach dem eher durchwachsenen Precipice hat es eine Weile gedauert, bis die Vanguard-Erzählung im Hause Pocket Books wieder aufgenommen wurde. Nun geht sie weiter, allerdings in anderer Form als bislang gekannt: Anstelle einer normalen Romanfortsetzung werden dem Leser im Rahmen des sechsten Buchs, Declassified, vier Kurzgeschichten aller in das Vanguard-Projekt involvierten Autoren geboten. Die Geschichten dieser Anthologie spielen zu unterschiedlichen Zeiten, füllen eher narrative Lücken und weisen untereinander kaum eine inhaltliche Verbindung auf. Um welche Erzählungen handelt es sich im Einzelnen?
- Almost Tomorrow von Dayton Ward ist ein waschechtes Prequel, das noch vor dem ersten Band, Harbinger, spielt. Der Bau von Vanguard-Station ist noch nicht komplett abgeschlossen, und nach und nach finden sich Personal, Händler und auch so einige zwielichtige Zeitgenossen ein und beschnuppern einander. Das ungewöhnlich starke Interesse der Klingonen an dieser Weltraumregion weckt das Misstrauen der Sternenflotte: Sollten sie etwa auch hinter dem geheimnisvollen Meta-Genom her sein?
- Kevin Dilmores Beitrag, Hard News, dreht sich ganz um den Reporter Tim Pennington. Dieser hat gerade seinen größten Triumph als Journalist gefeiert, indem er in Reyes' Auftrag streng geheime Informationen veröffentlichte. Nun nimmt eine ehrgeizige junge Kollegin Kontakt mit ihm auf und überredet ihn dazu, gemeinsam mit ihr auf dem Schiff des Gangsterbosses Ganz nach brisanten Informationen für die nächste große Story zu suchen. Schon sehr bald stellt sich die Aktion als noch gefährlicher heraus als befürchtet.
- The Ruins of Noble Men von Marco Palmieri sind im Grunde genommen zwei Geschichten, die sich kapitelweise abwechseln. Die eine ist nun endlich die langersehnte Fortsetzung des fünften Romans: Rana Desai und Ezekiel Fisher sollen zu einem Planeten in der Taurus-Region fliegen, der von Menschen kolonisiert wurde und in Zukunft nicht mehr von Sternenflotten-Schiffen angeflogen werden kann. Die Bewohner wären etwaigen Angriffen der Klingonen oder Tholianer schutzlos ausgeliefert und sollen deshalb evakuiert werden. Außerdem haben Desai und Fisher den Auftrag, die Leiche des Sternenflotten-Offziers Aole Miller zu bergen, der dort aus bislang ungeklärten Gründen ums Leben kam. Währenddessen erfahren wir in Rückblenden von einer anderen Mission, die neun Jahre zuvor stattfand. Damals kam die U.S.S. Dauntless einer Föderationskolonie zu Hilfe, die von den Klingonen besetzt wurde. Im Orbit des Planeten angekommen, fand man die Lage unerwartet friedlich vor, was sofort Reyes' Misstrauen weckte: Warum kooperierten die Klingonen mit den Kolonisten, anstatt sie wie üblich einfach zu unterwerfen?
- The Stars Look Down spielt ungefähr sechs Monate nach Precipice und erzählt vom (noch etwas ungewohnten) Geheimdienstler Cervantes Quinn und seiner Partnerin Bridget ‚Bridy Mac‘ McLellan, die in einem SIA-Auftrag unterwegs sind. Weil das Jinoteur-Muster von einem orionischen Frachter aufgezeichnet wurde, sollen Quinn und Bridy dessen Sensorlogbücher stehlen. Eine hochgefährliche Mission, die sich noch zuspitzt, als ihnen der Gangsterboss Ganz einen Kopfgeldjäger auf den Hals schickt.
Kritik
Knapp zwei Jahre auf eine Fortsetzung gewartet, und das soll es nun gewesen sein? Die Idee, mehrere Kurzgeschichten anstelle eines weiteren großen Wälzers zu produzieren, mag ja durchaus etwas für sich haben, doch merkt man Declassified nur allzu deutlich an, dass es darum ging, diese Anthologie möglichst schnell auf den Markt zu werfen. Es gibt keinerlei Bezüge der Handlungen untereinander, und da die meisten Storys chronologisch weit vor dem letzten richtigen Roman Precipice spielen, erfährt der Leser nur sehr begrenzt, wie es denn jetzt mit der Vanguard-Saga weitergeht.
Wenn also schon das eigentliche Ziel – die allgemeine Handlung fortzuführen – mit Declassfied nicht erfüllt wird, welchen Mehrwert bieten die Kurzgeschichten dann? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn das Niveau der vier Erzählungen ist in höchstem Maße unterschiedlich.
- Almost Tomorrow als eigene Geschichte zu bezeichnen, wäre bereits ziemlich verwegen. Die Aneinanderreihung von Seiten plätschert vor sich hin, erzählt im Grunde nichts Neues und dient maximal der Gedächtnisauffrischung des Lesers über die Konstruktionsphase von Sternenbasis 47. Damit markiert Almost Tomorrow eine Art überflüssiges Intro zu Harbinger, das ja durch den Cameoauftritt von Kirk und seiner Besatzung eine gute Heranführung an die neue Saga bekam. Einzig nennenswert ist vielleicht eine erste Konfrontation mit den Klingonen, doch da es so viele von den Kriegern im Laufe von Vanguard zu besichtigen gibt, ist das gewiss kein Alleinstellungswert der Geschichte. Deren abruptes Ende macht dann auch allzu deutlich, dass das Lesen von Almost Tomorrow kaum lohnenswert ist, denn sie hat weder Spannung noch etwas Neues zu bieten.
- In der zweiten Geschichte, die aus der Ich-Perspektive heraus erzählt wird (eher ungewöhnlich für einen Star Trek-Roman), muss sich Pennington mit einer ehrgeizigen Jungjournalistin herumplagen, die sich daran macht, die Geheimnisse des Orion-Syndikats zu entschlüsseln. Penningtons deprimierende Stimmung wird zwar ganz gut eingefangen, und es wirkt auch authentisch, wie die quirlige Reporterin wieder etwas Licht in sein Leben bringt, aber die Geschichte ist mir persönlich zu vorhersehbar: Es ist klar, dass die Journalistin keinen Erfolg damit haben wird, gegen das Orion-Syndikat vorzugehen, sonst wäre es ja in Open Secrets und Precipice nicht mehr aufgetaucht. Das Ende der Geschichte ist zwar dramatisch, aber derart antizipierbar, dass zu keiner Zeit Spannung aufkommt. Mir persönlich erscheint es zudem ziemlich unrealistisch, dass Pennington sich in ein orionisches Abenteuer stürzen kann, wenn ihn T’Prynns Zustand – wie wir in Open Secrets erfahren – ja so sehr beschäftigt. Wenigstens gibt es am Ende aber eine halbwegs solide Erklärung dafür, weshalb er später bereit sein wird, für die Vulkanierin – die einst seine Karriere ruinierte – in die Bresche zu springen und Doktor M'Benga nach Vulkan zu begleiten.
- Die dritte Kurzgeschichte konzentriert sich zum großen Teil auf Fisher und Desai, die beiden Personen, die Diego Reyes am nächsten stehen und nun darunter leiden, dass ihr Freund bzw. Geliebter für sie so nah und doch so fern ist. Sie müssen kurz nach dem letzten Roman der Reihe auf einer Föderationskolonie in der Taurus-Region einen Todesfall aufklären und die widerwilligen Bewohner zum Verlassen des Planeten bewegen. Die Nebenstory bringt dem Leser ein unerwartetes Wiedersehen mit Bombay-Captain Hallie Gannon, die man eigentlich schon längst geistig abgehakt hat, weil sie bereits im ersten Roman das Zeitliche segnete. Im Wesentlichen geht es bei diesem Flashback darum, dass Captain Reyes einige Jahre vor der Einweihung von Vanguard feststellen muss, dass ein Asteroid der Föderation von Klingonen besetzt wurde und dass sogar rechtmäßig ist. Beide Handlungsstränge sind zwar nicht unbedingt spannend, aber zumindest rätselhaft und verbreiten eine ganz eigentümliche, melancholische Stimmung; gerade Palmieris Schilderung der Klingonen und der Kolonie, die Desai und Fisher besuchen, ist sehr gelungen. Zwar lässt sich das alles ganz prima lesen, nur ist mir entgangen, welchen Zusammenhang diese beiden Handlungen haben sollen. Gibt es denn überhaupt einen? Dadurch stellt sich natürlich die Frage, warum man die beiden Geschichten überhaupt ineinander erzählt hat.
- David Macks Geschichte bringt die Haupthandlung als einzige ein wenig voran. Im Rahmen mehrerer Geheimdienstmissionen brennt der Autor ein rasantes und kurzweiliges Actionfeuerwerk ab, in dessen Verlauf Quinn und Bridy tatsächlich den Widersacher der Shedai finden - und den Schlüssel zu einer mächtigen Waffe. Leider hat Quinn im Laufe der Geschichte zu viel darüber nachgedacht, wie glücklich er ist, sodass man als Leser bereits die ausgeprägte Vorahnung hat, es könnte kein gerade gutes Ende auf ihn warten. Der Tod Bridys setzt die Quinn-Figur, ungeachtet aller bisherigen Entwicklungen und Fortschritte, wieder auf Los zurück, und das ist alles andere als erfreulich. Die Gefahr, die durch die Shedai ausgeht und in dieser Erzählung wenigstens etwas gesteigert und vertieft werden kann, tritt vor Quinn leider zu stark in den Hintergrund, sodass es selbst in The Stars Look Down Licht und (zu viel) Schatten gibt.
Fazit
Warum gerade diese Figuren, warum gerade diese Zeiten und Geschichten? Eine Konzeption der Anthologie ist nicht erkennbar. Stattdessen werden beinahe wahllos Geschichten erzählt, die teilweise ganz nett sind, aber in weiten Teilen äußerst vorhersehbar und keine besonders interessante Handlung transportieren. Das ist bei einer so weit fortgeschrittenen Saga wie Vanguard einfach nicht mehr genug. Einzig und allein die Geschichte von Marco Palmieri ist meines Erachtens gelungen, obwohl ihr Aufbau eher unsinnig erscheint.
Das wirft zum Schluss die Frage auf, warum dieser Band überhaupt sein musste und warum man nicht einfach die Hauptgeschichte konsequent weitererzählt hat. Die Geschichten liefern in keiner Weise jene 'Akten unter Verschluss', die sie versprechen. Stattdessen muten sie in weiten Teil wie überflüssige Szenen aus anderen Romanen an, die dem Rotstift zum Opfer fielen. Ein richtiges blaues Auge für Vanguard, das über die letzten Bücher hinweg leider immer mehr an Dynamik und Einfallsreichtum verloren hat.
4/10 Punkten.
9-2011 |