InhaltKeine Zeit zum Verschnaufen bei Star Trek: Vanguard, denn das Rätsel um die Taurus-Ausdehnung geht in eine neue Runde. Dabei liegen hinter Sternenbasis 47 – Vorposten der Sternenflotte in der mysteriösen Raumregion, gelegen zwischen Klingonischem Reich und Tholianischer Versammlung – jüngst außerordentlich turbulente Monate.
Wir erinnern uns: Alles begann mit einer verhängnisvollen Desinformationskampagne, die nach der Zerstörung der U.S.S. Bombay lanciert wurde und wenigstens in den Verdacht mündete, dass die Föderation mehr als nur explorative Interessen in der Taurus-Ausdehnung verfolgt. Es kam noch besser: Der eingeweihte Zirkel um Commodore Reyes witterte das vielseitige (und außerordentlich bedrohliche) Potential, welches vom fremdartigen, hoch entwickelten Meta-Genom ausgeht und das in der Ausdehnung fragmentarisch, erstmals auf Ravanar IV, später auf Erilon und Gamma Tauri IV, gefunden wurde.
Darüber schienen die Tholianer mehr zu wissen, als sie vorgaben, und die machthungrigen Klingonen wurden zusehends nervös. Ein Pulverfass entstand, das weit mehr als nur Säbelrasseln zwischen den politischen Blöcken verursachte. Das erst recht, als im Fortsetzungsband Summon the Thunder eine Rasse von Fremden, genannt die Shedai, durch die Arbeiten der Sternenflotte endgültig geweckt wurde und ungeahnte Verwüstungen anrichtete. Zudem stellte sich heraus, dass diese Spezies mit dem Meta-Genom auf rätselhafte Weise in Verbindung steht und vielleicht auch mit den Tholianern.
Jetzt wird die U.S.S. Sagitarrius entsandt, um für Klarheit zu sorgen. Das Forschungsschiff soll eine Anomalie im Jinoteur-System untersuchen. Schon während der Konstruktionsphase von Vanguard wurden seltsame Trägerwellen aus dem System aufgefangen, und wegen der zurückliegenden Verwerfungen rechnet Reyes durchaus damit, dass die Shedai dahinter stecken. Ja, es könnte sogar sein, dass hier der Kern des ganzen Shedai-Rätsels verborgen liegt. Der Druck ist längst zu groß, um die Mission abzublasen, weil mittlerweile auch die Tholianer und Klingonen auf die Veränderungen in der stellaren Region aufmerksam geworden sind. Zudem widerfuhr gerade einem tholianischem Kreuzer ein fragwürdiges Unglück im Jinoteur-System, und klingonische Schiffe, die kurzerhand hinterher geschickt wurden, pulverisierte ein unbekanntes Artilleriesystem.
Mithilfe ihrer Spionin Sandesjo kriegt die klingonische Delegation um Botschafter Lugok spitz, dass die Sternenflotte ein Schiff nach Jinoteur entsendet, und der Hohe Rat fasst den Entschluss, der Föderation nachzusetzen. Währenddessen herrscht auf der tholianischen Heimatwelt Aufruhr. Nachdem die Shedai seit Harbinger (und den Experimenten der Sternenflotte auf Ravanar IV) aus ihrem Schlaf geholt wurden, hören die Tholianer eine Stimme, die immerzu lauter wird. Immer mehr entschleiert sich, dass die Tholianer von dem grässlichen Geheimnis der Taurus-Ausdehnung wussten – und es so sehr fürchten, dass sie seither versucht haben, es unaufgedeckt zu lassen. Das ist auch jetzt noch ihre Maxime; sie wollen verhindern, dass die Föderation oder die Klingonen in Jinoteur der Sache auf die Spur kommen.
Doch noch bevor die Sagitarrius ihr Ziel erreicht, beginnen sich die Ereignisse aufs Neue zu überschlagen: Die Klingonen greifen unerwartet auf die menschliche (und ärgerlicherweise von der Föderation unabhängige) Gamma-Tauri-IV-Kolonie über, weil sie vermuten, dass dort Antworten auf das existieren könnten, was zuletzt mit ihrer Kolonie auf Palgrenax im zweiten Roman passiert ist. Geradezu paranoid geworden sind viele Klingonen, nachdem zahlreiche ihrer Krieger vor mehreren Wochen durch einen Shedai getötet wurden. Da die Kolonie bislang Reyes' Initiative, ein Protektorat der Föderation zu werden, abgelehnt hat, fühlen sich die Klingonen bestärkt, die neutrale Niederlassung zu annektieren – und das auf dem Planeten liegende Artefakt in ihren Besitz zu bringen.
Zwischenzeitlich trifft die Sagitarrius im Jinoteur-System ein. Um dem Shedai-Artilleriesystem zu entgehen, benutzt sie ein bestimmtes Dämpfungsfeld. Lieutenant Xiong beamt zu Untersuchungszwecken an Bord des driftenden tholianischen Schiffes, findet dort aber niemanden vor. Kurz darauf geht etwas schief, und die Sagitarrius wird beschossen. Captain Nassir sieht sich gezwungen, eine Notladung auf Jinoteur IV durchzuführen. Kaum ist diese halbwegs glimpflich überstanden, wird die Crew auf der Oberfläche von einem Naturphänomen, das die Shedai auf sie lenken, angegriffen. Ein harter Überlebenskampf beginnt, in dessen Verlauf ein Mannschaftsmitglied Opfer einer rätselhaften organischen Substanz wird.
Auf Vanguard hat Reyes bereits von dem Unglück des Forschungsschiffes erfahren und leitet Maßnahmen für eine Bergungsoperation ein. Dazu sieht er sich gezwungen, ein unheiliges Bündnis mit dem orionischen Gangsterboss Ganz einzugehen. Noch ahnt er nicht, dass am Ende des Jinoteur-Abenteuers die Fragen mehr und nicht weniger werden sollen und dass er sich schon bald gezwungen sehen wird, die Gamma-Tauri-IV-Kolonie wegen des dortigen Shedai-Erwachens vernichten zu lassen…
KritikWas zu vermuten war, bestätigt sich eindrucksvoll von der ersten bis zur letzten Seite des Buches: David Mack ist der Garant für eine getreue Fortsetzung der Vanguard-Reihe. Denn während Summon the Thunder, geschrieben vom Tandem Ward-Dilmore, in vielen Teilen eine Art Intermezzo darstellte (wenn auch ein überaus gelungenes), nimmt der dritte Spross Reap the Whirlwind wieder verstärkt Kurs auf die Rahmenhandlung des Projekts. Um den Shedai-Plot rankt sich diesmal ausnahmslos die komplette Geschichte: Das ominöse, ja erschreckende und unheimlich mächtige Volk erwacht und wird immer bedrohlicher, wobei sich innere Disparitäten offenbaren. Nervöse und sogar panische Tholianer mühen sich um Spurenverwischung, und Klingonen werden von Misstrauen der Föderation gegenüber und machtpolitischer Entfesselung getrieben. Irgendwo dazwischen liegt Vanguard-Station, wo Diego Reyes um ein neuerliches Mal keine andere Wahl bleibt als auf volles Risiko zu spielen, halb getrieben von Befehlen, halb unter dem Druck der realistischen Befürchtung, die Feinde der Föderation könnten der Taurus-Ausdehnung zuerst ihre düsteren Geheimnisse entreißen.
Das alles hört sich nicht nur atemlos und nervenaufreibend an – Mack bringt es in gewohnter Manier auch so herüber. Mithilfe seines charakteristischen Stils, der so etwas wie einen gesunden, fokussierten Minimalismus hochhält, gelingt es dem Autor über weite Strecken, selbst die komplexesten Zusammenhänge sowie ein übergroßes Aufgebot an Gastrollen auf relativ wenigen Seiten verständlich abzuhandeln. Er konzentriert sich aufs Wesentliche für seine Geschichte. Ebendies verleiht auch dem dritten Vanguard-Roman eine explosive Kompaktheit (sieht man einmal von einigen wenigen zu lang geratenen Passagen rund um bestimmte Nebenfiguren ab), die gegenüber anderen TrekBook-Reihen ihresgleichen sucht und Mack zweifellos zu einem der gegenwärtigen Topautoren macht.
Auch beim Spannungsbogen bleibt er konsequent: Ohne an dieser Stelle zu viele Inhalte vorwegzunehmen, so lässt sich doch sagen, dass am Ende dieses Werks nichts mehr beim Alten bleibt und die Eskalation in der Taurus-Region großen Schritts fortschreitet. Die Shedai - repräsentiert durch die scheinbar bösartige Wanderin - sind gewillt, ihr altes Reich vor dem Zugriff der jungen Völker zu schützen. Sie haben keine Skrupel, Tholianer als ‚Batterien' für ihre Weltuntergangsmaschinen zu verwenden; die Klingonen nähern sich großen Schrittes einem Krieg mit der Föderation (was maßgeblich mit den Ereignissen in diesem Raumgebiet zusammenhängt), und Reyes geht für seine Geheimnisse einmal mehr über Leichen. Das alles ist eine getreue Fortschreibung der Saga.
Obwohl die Protagonisten über lange Strecken der Geschichte hinweg Getriebene sind - und das sogar noch mehr als in früheren Büchern -, faszinieren nach wie vor die zwischenmenschlichen Ambivalenzen, die der Autor wieder einmal musterhaft zutage treten lässt. Bestes Beispiel hierfür sind Pennington und Quinn, die derweil eine Freundschaft verbindet, ohne dass das zwischen ihnen stehende Geheimnis gelüftet worden wäre. In jedem Fall geben die beiden Kumpels das beste und unorthodoxeste Team zur Rettung eines SOS-funkenden Sternenflotten-Schiffes ab, solange ich denken kann. Ähnlich verhält es sich mit Reyes und Desai: Privat Liebende, öffentlich institutionelle Gegner. Jetzt hat Mack diesen Bogen auch bei T'Prynn und Sandesjo geradezu perfekt weiter gesponnen. Obwohl die vulkanische Agentin ihre heimliche Liebhaberin bereits vor geraumer Zeit als klingonische Spionin entlarven konnte, ist T'Prynn zerrissen zwischen ihrer leidenschaftlichen Zuneigung und ihrer Pflicht. Es ist ein Spagat, der sie beinahe zu zerreißen droht (so wie sie auch mit Blick auf Stens Katra in ihrem Innern zu zerreißen droht).
Überhaupt hält Reap the Whirlwind für manch einen Hauptcharakter der Geschichte äußerst bittere Konsequenzen bereit, und diesmal kann das Ruder nicht in letzter Sekunde wieder herumgerissen werden. Vanguard zeigt, dass ein Happy End alles andere denn sicher ist. Doktor Fischer kommt T'Prynns gefälschter Gesundheitsakte auf die Spur (was in der Folge auch sein Verhältnis zu Reyes empfindlich in Mitleidenschaft ziehen wird); T'Prynn selbst belastet das Leben mit einer aufgezwungenen Vulkanierseele immer mehr; die überführte Sandesjo muss über ihre zersplitterte Identität und Loyalität neu nachdenken, doch wird sie letztlich zu einem tragischen Opfer ihrer aufrichtigen Gefühle für T'Prynn; Reyes schließlich ist am Ende mehr als nur für den Tod seiner Exfrau verantwortlich und wird von Desai zu einem Prozess abgeführt, dessen Ausgang ihn seine komplette Zukunft als Offizier kosten könnte.
Gerade der innere, von Zweifeln und Vorahnungen heimgesuchte Kosmos des Commodore und das schlimme Schicksal, das ihm bevorsteht, bestimmt Reap the Whirlwind besonders stark und hängt von Beginn der Erzählung wie eine düstere Gewitterwolke über dem Leser, ja wie ein Foreshadowing. Dadurch wird fühlbar, wie groß die Kluft zwischen dem ist, was Reyes gerne sein würde (ein Sternenflotten-Held, der seine Ideale leben kann) und wozu ihn die Umstände gemacht haben (nämlich zu einem chronischen Geheimniskrämer und Intriganten, der sogar mit Orionern Deals abschließt und Menschenleben opfert, wenn es sein muss). So ist es am Ende überraschend und doch kein Wunder, dass ausgerechnet Reyes - der bislang seine Geheimnisse verbissen und gnadenlos zusammenhielt - freiwillig das lange gehütete Mysterium um die Taurus-Region an die Öffentlichkeit entlässt. Einzig der ansonsten so prädestinierte Pechvogel Quinn scheint ausnahmsweise mal Fortuna zu haben, denn T'Prynn entlässt ihn offen aus seiner Bringschuld.
Reap the Whirlwind folgt der eigendynamischen Handlung, die seit Harbinger eingesetzt hat; von daher gibt es diesmal nicht so viele Bezüge zum Canon wie in den beiden vorangegangenen Werken. Das ist aber gut so, denn man merkt, wie enorm sich die Reihe frei schwimmt. Ein besonderer Griff ist Mack aber zum Ende hin gelungen, indem er Carol Marcus auftauchen lässt. Der Konnex zum künftigen Genesis-Projekt räumt allmählich mit einer weiteren offenen Frage im Star Trek-Universum auf und ist eine kanonische Verknüpfung der allerbesten Sorte. Man darf gespannt sein, was Mack an dieser Stelle in Zukunft für uns bereithält.
Nun zur Conclusio. Ganz gewiss haben wir es bei Reap the Whirlwind mit einem Werk zu tun, welches das durch den Vorgängerroman leicht abgefallene Spannungsniveau der Reihe wieder beträchtlich steigert. Mehr noch: Mack verfolgt konsequent all die Eigenschaften, die Vanguard zu einem außergewöhnlichen Stück Star Trek machen, das sich viel näher an der (zuweilen harten) Realität befindet. Trotzdem kommt das Buch, wenn auch auf sehr hohem Qualitätsniveau, nicht mehr ganz an die verschachtelte Genialität und Stringenz von Harbinger heran.
Dort war jeder Charakter nicht nur treffend etabliert worden, sondern hatte auch eine Rolle inne, die ihm wie auf den Leib geschnitten war. Die Verzahnung läuft in Reap the Whirlwind nur noch in Bezug auf einen Teil der Protagonisten besonders rund, und zudem gibt es eine Parallelität von Handlungsbögen, die nicht immer komplett zusammengeführt werden. Auch ist die Seitenzahl für meinen Geschmack zu aufgebläht; man hätte an mancher Stelle – ich denke an eine Reihe Actionszenen auf Jinoteur, Xiongs Abstecher auf das Tholianerschiff oder die Sabotage der I.K.S. Zin'za – durchaus mehr zusammenfassen können. Dafür – das muss auch gesagt werden – ist der Sprachstil extrem gut und bewirkt, dass selbst ausufernde Szenen niemals ermüdend oder unauthentisch herüberkommen.
Das wohl wirklich Besondere, das im Kern von Reap the Whirlwind steht, sind jedoch gewiss die charakterlichen Schicksale und Tragödien, insbesondere die von Reyes und T'Prynn. Mehr denn je zuvor wird deutlich, dass sie einen verdammt hohen seelischen Preis für das zahlen, was sie als Eingeweihte einer dramatischen, zusehends unkalkulierbaren Sternenflotten-Mission monatelang getan haben. Beide haben auf ihre Weise die ausgeprägte Sehnsucht nach einem inneren Ort des Friedens, den sie sich selbst immer wieder zunichte gemacht haben. So massiv wie noch nie bewahrheitet sich, dass die Taurus-Ausdehnung nichts für Zartbesaitete ist.
Noch ein kurzes Wort zum Thema Raumschiffe. Wo in Harbinger abwechelnd die Bombay und die Enterprise die mittragenden Schiffe der Handlung gewesen waren, hatte auf Sternenflotten-Seite in Summon the Thunder der Constitution-Kreuzer Endeavour dominiert, unterstützt durch die neu hinzugezogene U.S.S. Lovell. In Macks neuem Buch ist die Zeit für das kleine, hochspezialiserte Forschungsschiff U.S.S. Sagitarrius angebrochen, welches hier ausführlich auf seiner Mission nach Jinoteur begleitet wird. Man merkt, dass Mack eine besondere Liebe für den kleinen Aufklärer der Archer-Klasse und seine eigene Besatzung hegt und beides minutiös wie plastisch beschreibt. Das sorgt in Verbindung mit der Gemütlichkeit und Überschaubarkeit der Sagitarrius für Atmosphäre. Diese Crew wird für die künftige Handlung umso wichtiger werden als sie von Reyes die gesamte Sicherheitsfreigabe über die Taurus-Mission erhält...von ihren dramatischen Erfahrungen während der Jinoteur-Einsatzes ganz zu schweigen.
FazitDavid Mack ist zurück – und lässt uns einem neuen Höhepunkt der Vanguard-Reihe entgegenfiebern. Reap the Whirlwind ist weit mehr als nur ausgeklügelter Nervenkitzel; hier geht es um das Verletzen, um Intrigen und all die Widersprüche des Lebens. Star Trek erstrahlt in neuem Glanz. Glass it!
9/10 Punkten. 5-2008 |
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