Worlds of DS9 #3: Olympus Descending

Autor: David R. George III
Erscheinungsjahr: 2005
Seitenzahl: 190
Band: DS9 Post-Season-8

Zeitraum: 12/2376

 

Vorbemerkung

 

Mit dem großen Finale Unity hat die achte DS9-Staffel ihr Ende gefunden. Die Parasiten-Bedrohung konnte abgewendet werden, Bajor wurde doch noch Föderationsmitglied, und die politreligiöse Pluralisierung des Planeten wurde nicht der befürchtete Spaltpilz. Abgesehen davon kehrte Benjamin Sisko von den Propheten und sein Sohn Jake aus dem Gamma-Quadranten zurück – mitsamt einer ehemaligen Kai, die viel zur Befriedung Bajors beitragen konnte.

 

Trotzdem blieben Fragen offen, und Pocket Books dachte nicht daran, an dieser Stelle mit dem DS9-Relaunch aufzuhören. Also überlegte man sich ein neues Konzept und schuf im Anschluss an Unity die Worlds of DS9-Reihe. Es handelt sich dabei um sechs kompakte Geschichten, die einen sehr speziellen Fokus haben. Deep Space Nine hat zu Serienzeiten ganz bestimmte Welten schwerpunktmäßig und wiederkehrend thematisiert; bei der Romanfortsetzung kam sogar das eine oder andere Volk neu dazu.

 

Nun stehen eben diese Völker im Mittelpunkt der Geschichte. Die heimatlichen Gefilde der Cardassianer, Andorianer, Trill, Bajoraner, Ferengi und des Dominion werden besucht und die aktuelle Situation dieser Spezies in den Blick genommen. Es geht darum, auf Basis bisheriger Informationen in Serien und Filmen ein möglichst dichtes und schlüssiges Bild ihrer Kulturen zu zeichnen und zugleich ein umwälzendes Szenario in der Gegenwart mitzuerleben, das einschneidend für diese Lebensgemeinschaften, ihre politische Zukunft und ihr Selbstverständnis ist. 

 

Die DS9-Crew begleiten wir nicht mehr ganzheitlich, dürfen aber dafür einigen ausgewählten Helden über die Schulter schauen, die es auf die eine oder andere Welt verschlägt. Das bietet immerhin die große Chance, sich auf bestimmte Figuren und Figurenkonstellationen zu konzentrieren und Neues auszuprobieren.

 

Obwohl im englischen Original immer jeweils zwei Geschichten in einem Band veröffentlicht wurden, wird im Folgenden jede Worlds of DS9-Geschichte einzeln rezensiert und bewertet, da alles andere wenig Sinn machen würde.

 

 

Inhalt

 

Odo hörte die Geschichte zum ersten Mal, nachdem es ihn in den Omarion-Nebel im fernen Gamma-Quadranten gezogen hatte. Er stand auf der Heimatwelt der Gründer, fand nach langer Zeit endlich sein eigenes Volk und erfuhr den Grund seines Exils: Als einer von hundert gerade erst ‚geformten‘ Wechselbälgern wurde er fortgeschickt in die Weite der Galaxis, um, wie es hieß, Wissen über das All zu sammeln und dieses eines Tages in den Schoß seines Volkes zurückzubringen. Durch die Wurmlochpassage war er der erste dieser Hundert, der – Jahrhunderte bevor man ihn erwartete – den Weg zurück zu seinen Leuten gefunden hatte. So erzählte man es ihm zu Beginn der dritten DS9-Staffel.

 

Doch die Zeit ist fortgeschritten, inzwischen ein ganzer Krieg vom Dominion verloren und die Gründer in die kollektive Depression gestürzt worden. In diesem Klima hat Odo, seit er DS9 verließ und in die Große Verbindung zurückkehrte, ein Jahr lang hartnäckig versucht, die misstrauisch-paranoide Einstellung seiner Spezies den Solids gegenüber zu ändern und Werte wie Toleranz und Friedfertigkeit einzubringen. Er hatte nur bedingt Erfolg – auch deshalb, weil immer unausgesprochene Geheimnisse zwischen ihm und seinen Leuten zu stehen schienen.

 

Und dann, eines Tages, erscheint eine eigenartige Nova am Himmel, die die Gründer in freudige Erregung versetzt – und dazu führt, dass Odo erfährt, was es wirklich mit den Hundert, denen er angehört, auf sich hat. Und mit den Gründern als Ganzes, bei denen nichts ist, wie es in sieben langen Serienjahren den Anschein hatte.

 

Die Große Verbindung hat ein gewaltiges Geheimnis vor ihm gehütet. Die Hundert, erfährt Odo schließlich im Gespräch mit dem uralten Gründer Indurane, wurden nicht etwa ausgesandt, um Wissen für die Große Verbindung heranzutragen, sondern um die verlorene Gottheit der Gründer, den Urahn (eine Art Urformwandler), zu finden. Ja, richtig gehört. Die Gründer gebärden sich zwar selbst als Götter in ihrem kaltblütigen Imperium, doch auch sie besitzen einen Glauben und blicken zu einer Entität auf, von der sie überzeugt sind, dass sie einst die Große Verbindung erschaffen hat. Eine weitere, erschütternde Wahrheit: Offenbar sind die Gründer nicht imstande, sich ohne den Urahn fortzupflanzen, und schweben in der Gefahr, auszusterben. Und nun, so scheint es mit der am Himmel erschienenen Nova, könnte das lange Warten auf Erlösung ein Ende haben.

 

Odo erforscht im Dateibestand die Orte, an denen die Hundert einst ausgesetzt wurden. Aus der Verteilung der Orte ergibt sich ein Muster und ein Schnittpunkt nahe dem Planeten der Großen Verbindung. Odo vermutet den Urahn im Bereich der eigenartigen Supernova. Odo, Laas, Indurane und einige andere Gründer begeben sich daraufhin in die Nähe des Schauplatzes. Dort finden sie tatsächlich die sterblichen Überreste eines übergroßen alten Gründers. Im Gegensatz zu Odo geht Indurane davon aus, dass dies einst der Urahn war, die Suche der Gründer nach ihm jedoch beendet sei. Odo befürchtet deshalb, dass die Gründer ein zum Untergang verdammtes Volk sind.

 

In der Zwischenzeit geht es Taran’atar schlecht. Der Ketracel-White-unabhängige Jem’Hadar, der vor einem Jahr von Odo nach DS9 geschickt wurde, um Kira zu beschützen und als Beobachter zu fungieren, fühlt sich ziellos und schwach, seit er begann, zu schlafen und sogar Träume zu haben. Taran’atar hat Selbstzweifel bezüglich seiner Mission, als Kulturbotschafter in der Föderation zu dienen. Er sieht sich selbst als im Alpha-Quadranten nutzloser Soldat. Es ist ihm nicht richtig verständlich, weshalb ihn die Gründer, seine Götter, von sich wegschickten und zudem von ihm verlangen, dem Kampf – alles, wofür er in seinem Verständnis geschaffen wurde – zu entsagen, um die Rolle eines friedlichen Vermittlers zu übernehmen. Er hat das Gefühl, dass er sich in etwas verwandelt, das seiner Natur zuwiderläuft. Vor allem aber beginnt Taran’atar daran zu zweifeln, dass er im Alpha-Quadranten noch am richtigen Platz ist.

 

Er braucht geistige Führung. Um sein inneres Gleichgewicht zurückzuerlangen, bittet Taran’atar Kira darum, einen Besuch bei dem Wechselbalg zu arrangieren, der als namentlich nicht bekannt gewordene Gründerin die Kriegsverbrechen des Dominion im Alpha-Quadranten zu verantworten hat und seither im Hochsicherheitsgefängnis Ananke Alpha einsitzt. Doch was auf den Jem’Hadar wartet, sind noch größere Erschütterungen: Die Gründerin lehnt seine Bitte, ihr zu dienen, ab und teilt ihm mit, dass sie keine Göttin sei, sondern die Gründer an den Urahn glauben…

 

 

Kritik

 

Olympus Descending mag spannend und atmosphärisch starten, doch je weiter die Geschichte fortschreitet, desto mehr lässt sie einen konsterniert zurück. Das hat in meinen Augen v.a. damit zu tun, dass sie in ihrem Duktus nicht wirklich authentisch ist. So gut David R. George III, zweifellos einer der großen Star Trek-Charakterautoren, die Figuren wieder einmal trifft und ihnen Tiefe verleiht, so befremdlich ist die Story, die er uns hier vorsetzt. Damit meine ich gerade die Haupthandlung rund um Odo und die Gründer.

 

Klar, die Erklärung mit den Hundert, die ausgesandt wurden, um Wissen zu sammeln, wirkte schon zu Serienzeiten nie ganz wasserdicht. Warum sollten Formwandler-‚Säuglinge‘ mutterseelenallein in die Ferne geschickt werden? Und wieso sollten die misstrauischen, paranoiden und eisern auf den Schutz ihrer Art ausgerichteten Gründer gerade ihre Brut in die Weite schicken und somit riskieren, dass sie Solids in die Hände fallen und womöglich von diesen ausgebeutet werden? Das ergab bereits damals wenig Sinn. Und Auch über die Frage, ob und wie sich die Gründer fortpflanzen, wurde stets Stillschweigen bewahrt. Zugegeben, Widersprüche und Lücken waren da. Doch was George macht, ist, einer unvollkommenen und nicht ganz runden Sache eine bemüht ganzheitliche Erklärung aufzupfropfen, die alles Dagewesene umwirft und überhaupt nicht zu den Gründern, wie wir sie zu kennen glaubten, passen will. Eine waschechte Verschlimmbesserung ist das, die mich doch stark an das erinnert, was im TNG-Roman Q&A mit Q und dem Kontinuum versucht wurde.

 

Odo erkennt also, dass er gar kein ‚Säugling‘ war, als er in die Ferne geschickt wurde, wie es noch in Die Suche hieß. Stattdessen ist er schlicht ein Wechselbalg, dessen Identität ausgelöscht wurde und dessen Leben noch einmal neu anfing. Das gilt auch für Laas (Episode Hirngespinst) oder das vermeintliche Formwandler-Baby, welches er einst fand (Episode Das Baby). Plötzlich begegnen uns die Gründer als verletzliche, religiöse Eiferer, die obendrein auch noch vom Aussterben bedroht sind. Aussterben? Kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor? Was bei den Andorianern funktioniert hat und durchaus interessant war, wirkt hier völlig fehl am Platze und zerstört das in sieben TV-Jahren aufgebaute Bild der Wechselbälger.

 

Ich finde es im höchsten Maße verwunderlich, dass es der Großen Verbindung bei unzähligen Verschmelzungen mit Odo gelungen sein soll, so elementare Wahrheiten so lange vor ihm verborgen zu halten. Und kaum ist die Katze einmal aus dem Sack, beginnen sich die Dinge völlig zu überschlagen. Auf wenigen Dutzend Seiten werden wir Zeuge, wie die Große Verbindung erst die offenbare Wiederkehr ihres Gottes zelebriert, dann aber ins Unglück stürzt. Indurane kehrt schließlich mit den Erkenntnissen über den gefundenen, toten Meta-Gründer und die Supernova in die Große Verbindung zurück. In ungeheurem Tempo degeneriert sie zu einer armseligen und ganz und gar ohnmächtigen Masse am Leben klammernder Wesen, denen die Besonderheit als Spezies völlig abhandenkommt.

 

Da die Gründer irgendwie annehmen, mit ihrem Plan, die Hundert zum Finden des Urahns auszusetzen, diesen in den Tod gelockt haben, löst sich die Große Verbindung auf und verteilt sich im Universum. Auf die Schnelle wird so ein jahrtausendealtes Imperium mal eben abgewickelt – mit dem Resultat, dass die Gesellschaft der Wechselbälger nicht länger existiert. Ein Ende, das mich komplett fassungslos macht und das ich weder glaubwürdig noch nachvollziehbar finde.

 

Trotz der Bemühungen, einigermaßen logische Erklärungen anzubieten, macht George mit seiner deutlich anzumerkenden Erklärseligkeit alles nur noch schlimmer. Denn eine an sich absurde Umdichtung von Odos Volk und dessen Anschauungen bzw. Beweggründen kann man mit noch so vielen Erläuterungen nicht gut beikommen. Zwar bietet der Autor eine teilweise Auflösung mancher Ungereimtheiten, Lücken und Paradoxien, aber was letztlich dabei herauskommt, ist für mich regelrechte Entkanonisierung: Gemessen an der Vorlage wirkt es an den Haaren herbeigezogen.

 

Ein Beispiel dafür ist allein die Wahrheit hinter den Hundert. Ich muss zugeben, ich tue mich schwer bei dem Gedanken, dass ein Gott, der sein Volk erschuf und irgendwann entschied, es sich selbst zu überlassen, durch ein paar verstreute Formwandler, die in die ganze Galaxis entsandt wurden und ihm vielleicht eines Tages über den Weg laufen, sich umstimmen lässt und bereit ist, es vor dem Untergang zu bewahren. Die Gründer als spirituelle, gottesgläubige und geängstigte Schar, deren ganzes komplexes Weltbild am Ende nur noch auf die Furcht vor dem eigenen Aussterben zurückgeführt wird. Das Dominion findet ein erbärmliches Ende.

 

Immerhin begeht George nicht noch den Fehler, uns einen komischen, verkorksten Gründer-Gott vorzusetzen, der Begründungen dafür liefert, weshalb er seine Zöglinge zurückließ. Die Katastrophe ist bereits angerichtet, und Odo und Co. können hier nur noch die vollendeten Fakten betrachten. Spannend dabei: Offenbar haben die religiös-fanatischen Aszendenten, erstmals aufgetaucht in Rising Son, die Nova künstlich erzeugt, weil sie es gezielt darauf anlegten, den Urahn zu eliminieren. Und die Gründer fürchten sich vor diesen Kreaturen. Das verheißt wohl für die DS9-Zukunft, dass besagte Aszendenten zu den neuen großen Gegnern aufsteigen werden.

 

Allgemein weiß ich gar nicht, wieso diese ganze Gottesthematik im Zentrum der Geschichte stehen musste. Meiner Ansicht nach war das ein vollkommener Irrweg. Odo war jetzt so lange bei seinem Volk und hat hart darum gekämpft, dessen xenophobe Einstellung zu ändern – und damit das Dominion als Ganzes. Es wäre schön gewesen, wenn dies endlich belohnt worden wäre. Ich hätte es toll gefunden, wenn Odo einen Weg gefunden hätte, seinen Leuten die Augen zu öffnen – gerne unter Zuhilfenahme der Wunder des Universums, aber bitte nicht mit so einer absurden Gottesgeschichte. So wird Odo nicht der Türöffner eines kulturellen Neuanfangs der Großen Verbindung, sondern ihr Totengräber. Es ist auch ein Vergehen am tollen Charakter Odos, dass Olympus Descending diesen Weg einschlägt und wahnsinnig viel Potenzial verschenkt.

 

Der Taran’atar-Bogen hat ganz andere Schwächen als der Hauptplot. Anders als die Handlung rund um Odo wird hier nicht mit kreativen Einfällen (wie schlecht diese auch sein mögen) hantiert – vieles wirkt stattdessen breitgewalzt, und man wird den Eindruck nicht los, dass es hier fast nur darum geht, Seiten zu füllen. Der Jem’Hadar rutscht in eine handfeste Identitätskrise ab, die jedoch in ihrem Ausmaß ein wenig aus dem Nichts kommt. Erst im letzten Drittel passiert überhaupt etwas Nennenswertes. Die Hochsicherheitsanlage Anake Alpha wird extrem detailliert geschildert, Taran’atars Gedanken, Erfahrungen und Empfindungen vielfach rekapituliert und ausgetreten. Und auch das angepriesene Zwiegespräch mit der Gründerin entpuppt sich weitgehend als Luftnummer.

 

Aber das für den Leser Schlimmste gibt es erst gegen Ende. Da wird eine unter die Haut gehende Ausbruchsszene in aller Ausführlichkeit geschildert, nur damit man schließlich feststellen darf, dass diese sich gar nicht ereignet hat, sondern lediglich das Produkt von Taran’atars Einbildung war. Immerhin ganz zum Schluss kommt es doch noch zu einer dramatischen Entwicklung. Obwohl wir keine Antworten erhalten haben, was denn nun der Grund für den seltsamen Wandel des Jem’Hadars ist (hat die Gründerin vielleicht doch etwas damit zu tun, oder was steckt dahinter?), bietet seine Flucht einen veritablen und spannenden Cliffhanger.

 

 

Fazit

 

Diese Geschichte im letzten Band der Worlds of DS9-Reihe überzeugt mich leider ganz und gar nicht. Zwar wagt sich David George III an ein großes Thema – eine vertiefende Darstellung der ominösen Gründer-Zivilisation – heran, doch die Erklärungen, die er anbietet, und der Kurs, den er einschlägt, wollen irgendwie gar nicht zum bisherigen Bild der Dominion-Herrscher passen. Vieles wird komplett umgestoßen, neue Widersprüche entstehen dabei, die Erklärungen wirken kein bisschen überzeugend.

 

Was wir in Olympus Descending sehen, ist ein gottesfürchtiges, verzweifeltes Volk, das beinahe nichts mit jenen überzeugten, missionarischen Formwandlern zu tun hat, wie sie uns in DS9 begegneten. Die Auflösung der Großen Verbindung ist dann nur der irrwitzige Höhepunkt der Handlung. Auf Wiedersehen, Dominion...

 

4/10 Punkten.

8-2014