A Singular Destiny

Autor: Keith R.A. DeCandido
Erscheinungsjahr: 2009
Seitenzahl: 380
Band: Destiny-Fortsetzung

Zeitraum: 4/-5/2381

 

Vorbemerkung

 

Star Trek: Destiny bietet uns eine epische Geschichte, in der die Föderation und andere Mächte um ihre nackte Existenz kämpfen müssen. Die Borg können in einer letzten großen Anstrengung besiegt werden. Aber was kommt nach dem Ende von Destiny? Wie geht es weiter in einer Galaxis, die befreit wurde von ihrer schlimmsten Geißel? A Singular Destiny zeigt uns die Stunde Null einer neuen Ordnung.

 

Erinnert sich noch jemand an Articles of the Federation? Es war ein Roman, der einen Blick in die politische Machtzentrale der Föderation warf, indem er die frisch gewählte Präsidentin Nanietta Bacco begleitete, aber auch Akteure der politischen Kultur in der Föderation nicht vergaß. Es war ein Konglomerat kleiner Geschichten mitten in der großen Geschichte um die Diskussions- und Entscheidungsmechanismen der Planetenallianz.

 

Das Ganze war nicht unumstritten: Manch einer fremdelte mit dieser Darstellung des Star Trek -Universums, tauche das Buch doch zu sehr in die Niederungen wirklicher Politik – insbesondere der US-amerikanischen – ab, andere Leser zeigten sich begeistert, dass endlich einmal jemand versuchte, die Funktionslogik des Politischen in Star Trek zu erklären, um am Ende festzustellen: Auch in einer vermeintlich utopischen Planetenföderation ist das alltägliche Regierungsgeschäft ein zähes Ringen, angefüllt mit Intrigen und Tücken, mit Lobbyismus, kleinen Fort- und vielen Rückschritten.

 

Wie auch immer: Seit Articles of the Federation im Jahr 2005 erschien, lässt eine Fortsetzung auf sich warten. Obwohl der Roman eingebettet war in das TrekBook-Universum der Second Decade von TNG und Titan und die Geschichte auf seine Weise vorantrieb (es wurden vor allem die Nachwehen des Shinzon-Staatsstreichs thematisiert sowie eine nicht unerhebliche politische Zellteilung im Romulanischen Sternenimperium), sah es danach aus, als würde diese spezielle erzählerische Linie verschüttet oder von Anfang an nur als Eintagsfliege vorgesehen worden sein. Das Jahr 2009 belehrt uns eines Besseren. In Zeiten der realen und globalen Krise nimmt Articles of the Federation-Autor Keith R.A. DeCandido wieder den Stift in die Hand und beschert uns einen Quasi-Fortsetzungsroman seines Politthrillers – und der handelt seinerseits von einer gewaltigen und sehr weit reichenden Krise.

 

 

Inhalt

 

Mitte 2381. Die Föderation leidet unter den schrecklichsten Verwüstungen aller Zeiten, seitdem die Borg eine Invasion starteten, die das Ziel hatte, die Planetenallianz ein für allemal auszulöschen. Zwar gelang es im Rahmen der überaus komplexen Destiny-Trilogie – wir erinnern uns: einem Crossover aus TNG, DS9 und Titan –, das Kollektiv mit Blut, Schweiß und Tränen gewissermaßen in die ewigen Jagdgründe zu schicken, aber was diese Auseinandersetzung hinterlässt, schickt sich an, den Dominion-Krieg rückwärtig als „warm-up act“ erscheinen zu lassen. So wie der TNG-Roman Before Dishonor mit einer ehernen TrekBook-Regel brach, indem er mit Kathryn Janeway einen zentralen Protagonisten ins Jenseits beförderte, setzte Destiny einen obendrauf: Gleich eine Vielzahl von aus Film und Fernsehen bekannten Welten und Gastcharakteren wurden den Borg geopfert. Noch nie zuvor hat sich das literarische Star Trek -Universum so stark von seiner Vorlage emanzipiert.

 

Und hier wären wir: Mitten im Chaos, das selbst vor Kernwelten wie Vulkan oder Andoria nicht Halt gemacht hat, ebenso wenig vor anderen Mächten im Quadrantengefüge. Die desolate Lage diktiert wieder einmal die Bedingungen: Mehr denn je zuvor sind Föderation und ihre mehr oder minder gebeutelten Nachbarn dazu gezwungen, miteinander zu kooperieren. Doch überall lauern Gefahren für den Frieden, weil es im vitalen Interesse jeder Nation liegt, „stärker aus der Krise herauszukommen als man hineingegangen ist“ (zitiert nach Angela Merkel).

 

A Singular Destiny ist so gesehen eine inhalts- und akzentversetzte Fortführung von Articles of the Federation. Es zeichnet zunächst eine Collage der allgemeinen Verwüstungen, macht sie vorstellbarer, zeigt aber auch auf, welche politkulturellen Veränderungen die gewaltige Borginvasion bewirkte. So tragen auf dem Planeten Ardana nach der Rettung durch einen romulanischen Kreuzer plötzlich alle den romulanischen Haarschopf – oder der Planet Gault, über den früher so spöttisch als „Bauernwelt“ gesprochen wurde, erfährt plötzlich eine nie da gekannte Aufwertung, weil er mit seinem Getreide eine ganze Reihe von Welten zu versorgen hat, denen Technologie und Lebensgrundlagen entrissen wurden.

 

Parallel dazu häufen sich überall in der Galaxis Zwietracht und Unfälle. Auf Zalda wird aus einem nicht ersichtlichen Grund ein Schiff voller Flüchtlinge abgewimmelt. Auf Capella IV ist eine neue Mine explodiert, was den Topalin-Abbau stoppt. Auf Maxia Zeta IV befindet sich eine Substanz, die den dortigen Dilithiumabbau verhindert, was wiederum den Flottenaufbau der Föderation behindert. Eben jene Ressourcenknappheit stellt auch die Föderation vor ein Problem, da sie nicht länger das von Tal'Aura geführte Romulanische Sternenimperium unterstützen kann. Durch die Eroberung zweier klingonischer Welten durch die aggressiven Kinshaya – die nun Oberwasser wittern – werden ferner Handelsrouten zwischen Föderation und Klingonischem Reich unterbrochen.

 

Es sind die kleineren und größeren Intermezzi, die hier von einer neuen, äußerst fragilen Stimmung künden, von einem Schritt in eine Zukunft, die anders wird als wir sie noch aus TNG, DS9 oder VOY kannten (nicht umsonst lautet das Motto des Buches: „A shape of things to come“). Wer aber annimmt, A Singular Destiny würde ausschließlich lose, zusammenhangslose Geschichtchen bereithalten, der irrt. Die Klammer für diese ungewöhnliche Story ist die Person des Historikers und diplomatischen Unterweisers Sonek Pran, der von Präsidentin Bacco überraschend gebeten wird, nach Achernar Prime aufzubrechen, um dort mit der Imperatorin Donatra – Wagenlenkerin des vor kurzem entstandenen Imperialen Romulanischen Staates (eine Abspaltung des romulanischen Imperiums in bester Tradition des später zweigeteilten römischen Reichs) – in Verhandlungen zu treten.

 

Konkret gilt es, Donatra davon zu überzeugen, dem größeren, aber schwer von den Borgangriffen gebeutelten Sternenimperium unter Führung Tal'Auras Hilfe in Form von Versorgungsgütern zukommen zu lassen, nun da die VFP hierzu nicht mehr in der Lage ist. Dazu bedarf es aber erst einmal der Aufnahme von Handelsbeziehungen und als Voraussetzung dafür die gegenseitige Anerkennung der beiden romulanischen Nationen. Keine einfache Aufgabe, zumal Donatra und Tal'Aura – einstmals Verbündete während der Shinzon-Machtergreifung – ein tiefer Graben persönlicher Missgunst scheidet.

 

Bald schon darf Sonek Pran herausfinden, dass seine Aufgabe sehr viel weit reichender ist als bloße Krisenvermittlung zu betreiben. Da scheinen nämlich von dunkler Hand im gesamten Quadrantengefüge von irgendwem gezielte Maßnahmen ergriffen zu werden, um den Wiederaufbau der Föderation und ihrer Verbündeten zu lähmen. Noch ahnt niemand etwas. Nur Sonek Pran kommt ein Verdacht: dass zwischen den jüngsten Zwischenfällen ein Zusammenhang besteht…

 

 

Kritik

 

Zunächst die gute Nachricht: A Singular Destiny führt die Geschehnisse aus der Destiny-Trilogie organisch weiter und schafft dabei ausgeprägte Verbindungen zu Articles of the Federation, das in die politische Sphäre der VFP eintauchte. Die gut 370 Seiten sind prall gefüllt mit Impressionen aus den von der Borginvasion verwüsteten Alpha- und Beta-Quadranten. Nachkriegsordnung im besten Sinne, vielleicht in einem besseren sogar als uns der DS9-Relaunch zeigte. Man trifft auf viele bekannte Charaktere, Welten und Zusammenhänge, allesamt vom zurückliegenden Inferno gezeichnet. Wie Articles of the Federation wird auch hier querbeet ein Potpourri von Berichten aus dem Föderationsraum eingestreut, die nicht immer einen Bezug zur Handlung aufweisen. Es ist eher so etwas wie ein Rundumschlag. In einem Kapitel gibt es sogar eine Verlustliste, die relativ unspektakulär einige Nebencharaktere aus DS9 ein für alle Mal abschreibt, aber auch vollkommen überraschend noch viel unspektakulärer einen Hauptcharakter aus einer anderen ST-Serie. Das facht ohne Zweifel die Spannung an.

 

Überdies hat man mit Nanietta Bacco wieder eine zentrale politische Akteurin, der man über die Schulter blickt, wie sie einmal mehr politische Feuerwehr spielen darf, mit Bürokraten, Botschaftern, Sternenflotte und schwarzen Löchern der Diplomatie jonglierend. Neben David Mack beherrscht Keith R.A. DeCandido wie kaum ein anderer der renommierten TrekBook-Schreiber die Kunst, auf relativ wenigen Seiten komplexe Vorgeschichten aufzuarbeiten und ihnen eine neue Richtung zu geben.

 

Um aber das Negative nicht zu verhehlen: So sehr KRAD mit A Singular Destiny seinen angestammten Stil zum Besten geben mag, kommt doch die ganze Story diesmal relativ träge in Fahrt. Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist Sonek Pran, der Gelehrte vom Mars auf diplomatischer Mission, der allein schon durch seine vulkanisch-bajoranisch-batazoidisch-menschliche (!) Abstammung ein zutiefst ungewöhnlicher Charakter ist. Pran – den einzigen wirklichen Protagonisten der Geschichte – zu begleiten, ist gewiss keine Last, er wirkt allerdings ein wenig hölzern, abgedroschen und wie ein Funktionär. Die Argumente, die er einer Donatra oder Tal'Aura gegenüber vorträgt oder auch vor seinen Studenten klingen oft ein wenig zu sehr nach erstbester Wahl und lassen wenig hohe Verhandlungskunst erkennen. Umso merkwürdiger ist es, mit welcher Leichtigkeit es ihm gelingt, Donatra zu überreden, mit Rivalin Tal'Aura in einen Dialog zu treten. (Gibt es denn keine Profis im diplomatischen Corps der Föderation, die eine solche Aufgabe übernehmen können?)

 

Erst ab circa Seite 200 stößt die Novelle auf des Pudels Kern. Wie Cover und Titel schon andeuten, soll A Singular Destiny eine gewisse verschwörungstheoretische Komponente beinhalten: dass sich nämlich aus den Schauplätzen der Trümmer und Verwüstung in der Milchstraße schleichend eine neue Wahrheit erhebt, und es ist an Sonek Pran, sie aufzudecken. Wer eine mysteriöse Verheißung erwartet, wird herb enttäuscht werden. Wer hinter Prans Ermittlungen hingegen neue machtpolitische Kräfteverhältnisse wittert, wird große Freude am Ende des Buches haben. Als roter Faden ziehen sich seine Bemühungen den Roman, der im Auftrag der Präsidentin an Bord der U.S.S. Aventine unter Captain Ezri Dax versucht, herauszufinden, wer hinter Sabotagen und einem Anschlag auf eine wichtige Dilithium-Mine steckt. Unterbrochen wird die Haupthandlung von Episoden mit Augenmerk auf andere Krisenregionen und Personen, mit Nachrichtenauszügen und Logbucheintragungen, die dem Leser den Zustand der Galaxis vermitteln sollen. Mit der Zeit fügen sich die Puzzleteile eigentlich voneinander recht unabhängiger Anschläge und politischer Desaster zu einem großen Bild zusammen.

 

So ergibt sich ein politisches Erdbeben von gravierender Tragweite. Sah es zu Beginn von A Singular Destiny noch so aus, als würde die Föderation im Gefolge der vorangegangenen Crossover-Trilogie die einzig verbliebene handlungsfähige Großmacht sein – am Ende ist sie es nicht mehr. Tal'Auras Sternenimperium, Gorn, Breen, Tzenkethi, Kinshaya, Tholianer – sie alle erklärten sich hinter den Kulissen tatsächlich bereit, eine neue Allianz zu gründen, den so genannten Typhon-Pakt. Ein neuer gefügter Block im Quadrantengefüge entsteht, ähnlich wie nach Ende des Zweiten Weltkrieges mit der Konfrontation der zwei Supermächte USA und UdSSR bildet sich hier ein Bündnis gegen die Föderation, das in der Zukunft das stellarpolitische und militärische Geschehen maßgebliche mitbestimmen wird. Ein Fusionsprozess mit Folgen, der die Föderation unter bedrohlichen Zugzwang setzt, weil der Typhon-Paket sie geradewegs umzingelt. Die bittere Ironie bei alldem: Durch das Drängen der Bacco-Administration, im Angesicht der Borg-Krise zusammenzustehen, förderte sie erst das Zustandekommen des Typhon-Pakts, der jetzt zur neuen Gefahr erwächst.

 

 

Fazit

 

Die Geister, die ich rief… Als Rattenschwanz der Destiny-Trilogie ist das Resultat von A Singular Destiny eine wahre Stunde Null für Star Trek mit Kurs aufs 25. Jahrhundert. Somit muss man diesem Roman – trotz einer bis zur zweiten Hälfte vorhaltenden Zähigkeit – seine inhaltliche Leistung zugute halten. Er ist ein Muss, wenn es um neue Realitäten in der Post-Nemesis-Ära geht.

 

Die Frage, ob man die Enthüllung in ein anderes Gewand hätte kleiden, wo man bestimmte Szenen anders hätte aufziehen können, löst sich in Luft auf, wenn man KRADs jüngsten Streich zu Ende gelesen hat. Von dieser Warte steht A Singular Destiny bestens in der Tradition von Articles of the Federation: Es wird vor allen Dingen den Liebhaber des politischen Star Trek erfreuen. In dem Roman ist Action ein Fremdwort, aber das ist nicht schlimm. Auch ein Politthriller wie dieser kann spannend sein - er fühlt sich an wie die Ruhe vor dem (neuen) Sturm.

 

7/10 Punkten.

1-2009