Sword of Damocles

Autor: Geoffrey Thorne
Erscheinungsjahr: 2008
Seitenzahl: 380
Band: 4

Zeitraum: 6/2380

 

Inhalt

 

Eigentlich hat die Titan schon etwas vor - sie untersucht einen Cluster ominöser Lebensformen aus dunkler Materie und darf dabei die Neugier ihres wissenschaftlichen Personals sowie ihre hoch entwickelten Forschungsinstrumente kultivieren. Doch dann kommt plötzlich ein verstümmelter Notruf dazwischen. Captain Riker und seine Mannschaft vermuten, dass es sich bei dem SOS-Signal um das Schwesterschiff der Titan, die U.S.S. Charon, handelt, aber das ist aufgrund der miserablen Qualität des Notrufs erst einmal nur Spekulation. Neben der zerhackten Transmission empfängt man einen kommunikativen Salat eigenartiger Übertragungen, die einer unbekannten, vermutlich insektoiden Kultur entstammen. Riker ahnt, dass es eine Verbindung zwischen beiden Signalen geben könnte und lässt Kurs auf die vermuteten Ursprungskoordinaten des Notrufs setzen.

 

Auf halbem Weg zu den Zielkoordinaten wird die Titan plötzlich durch eine Art Wellenfront brutal aus dem Subraum geworfen und verliert große Teile ihrer Hauptenergie. Nachdem Riker und seine Leute sich wieder ein wenig berappelt haben, wird ihnen der Grund für das unerwartete Desaster klar: Offenkundig wurden die physikalischen Gesetzmäßigkeiten in diesem Bereich des Alls außer Kraft gesetzt. Dumm für die Titan-Crew, denn nun sitzt sie mit ihrem Schiff fest. Immerhin steigt man bald schon hinter das Rätsel der Subraumzerstreuung: Eine fremde Spezies - jene allem Anschein nach insektenhafte, deren Kommunikationssignale man bereits empfing - experimentiert auf ihrer Welt mit Warptechnologie, um Energiegeneratoren zu betreiben. Das hat Auswirkungen auf den umliegenden Raum, macht sowohl Warp als auch hohe Impulsbeschleunigung wirkungslos. Eigenartig ist, dass dieses offenbar sehr religiöse Volk Materie-Antimaterie-Reaktionen nutzt, aber keinerlei Interesse an der Raumfahrt zeigt.

 

Riker sieht sich prompt mit einem Dilemma konfrontiert. In Orion's Hounds musste er gerade die schmerzliche Lektion verinnerlichen, dass die Oberste Direktive mehr ist als ein nobler Vorsatz. Jetzt aber bleibt ihm kaum eine andere Möglichkeit, als gegen eben jene heiligste Sternenflotten-Regel zu agieren, um die Titan aus ihrer misslichen Lage zu befreien: Er ringt sich zähneknirschend dazu durch, Kontakt mit der fremden Zivilisation aufzunehmen, wohlwissend, dass diese trotz ihrer technologischen Möglichkeiten streng genommen in den Bereich der Prä-Warp-Kultur fällt, für die scharfe Nichteinmischungsrichtlinien gelten.

 

Diese mentale Einstiegshürde wird genommen. Weil das Schiff aber festhängt, bleibt Riker nichts anderes übrig, als sich auf den waghalsigen Plan seines Wissenschaftsoffiziers Najem Jaza einzulassen. Dieser hat vor, ein Shuttle mithilfe des Picard-Manövers direkt aus dem Hangar der Titan heraus zu zünden, um den zerrissenen Raumbereich zu überwinden und den Planeten des Insektenvolkes zu erreichen, eine Welt namens Orisha.

 

Ein Außenteam ist schließlich gefunden, und zunächst sieht es gut aus: Das Shuttle entkommt ganz nach Plan dem instabilen Stellargebiet und tritt in der Nähe des Planeten aus dem Warp. Doch dann passiert das Unerwartete: Die Fähre wird von einem fremden Raumer unter Beschuss genommen, eine Verzerrungsfront ausgelöst, und das kleine Schiff stürzt ab.

 

Als die unterschiedlichen Mitglieder des Außenteams wieder zu sich kommen, sind sie auf dem dschungelartigen und wilden Orisha gestrandet – in verschiedenen Abschnitten der Vergangenheit. Während sich Vale, Troi und andere nur wenige Tage vor den zurückliegenden Erlebnissen wiederfinden, landen Jaza und ein anderes Crewmitglied ein Jahrtausend im Gestern. Nach einem längeren Marsch stößt der Bajoraner dann auf das Wrack eines Sternenflotten-Schiffes, bei dem es sich allem Anschein nach um die Titan handelt. Offenbar ist das Schiff an einer gewaltigen Katastrophe beteiligt, die die gesamte orishanische Gesellschaft nachhaltig verändert hat. Maßgeblich verantwortlich dafür ist eine rätselhafte Anomalie – ‚das Auge' genannt –, welches die Titan offenbar aus Versehen aktiviert und dadurch den Verlauf der Geschichte dramatisch beeinflusst hat.

 

Um den Lauf der Dinge, wie er war, wieder zurückzubringen, bedarf es mehr als einer gewöhnlichen Kraftanstrengung. Und überdies der Entscheidung eines ganz bestimmten Offiziers, seiner eigenen Bestimmung zu folgen…

 

 

Kritik

 

Mit Sword of Damocles habe ich zwei Anläufe hinter mir. Normalerweise ziehe ich es vor, das englische Original zu lesen. Doch bei diesem konkreten Buch tat ich mich schwer mit der Pocket Books-Ausgabe. Dankbar war ich also, als ich mit dem Erscheinen der deutschen Ausgabe durch den Cross Cult-Verlag nun wieder die Odyssee der Titan weiter verfolgen konnte.

 

Leider muss ich sagen, dass sich die Wartezeit nur bedingt gelohnt hat. Das Werk aus der Feder Geoffrey Thornes kommt ausgesprochen träge daher. Ehe die Handlung so richtig in Fahrt kommt, ist beinahe die Hälfte des Buches vergangen – ohne eine klare Stoßrichtung. Die zweite Hälfte dagegen wirkt gehetzt, und die Ereignisse überschlagen sich regelrecht. Dramaturgisch ist das Ganze nicht sehr überzeugend konzipiert. Dabei ist der Gedanke, wieder einmal einen Roman zu haben, der sich mit dem Zusammenwirken von Glauben und Wissenschaft beschäftigt, durchaus verlockend.

 

Doch gerade in dieser Hinsicht entpuppt sich Sword of Damocles als echte Luftnummer. Im Klappentext wird ein Anspruch geschürt, den die Geschichte keineswegs halten kann. Das, was sich nach einer großen Befriedungserzählung dieser beiden Antipoden – Spiritualität und Szientismus – anhört, rangiert letztlich im ganz kleinen Karo des Bajoraners Jaza Najem, der aus einer Reihe von seltsamen Träumen für sich ableitet, seine Bestimmung gefunden zu haben – und kurzerhand seinen Abschied nimmt, um Orakel auf Orisha zu werden. Aha.

 

Die restliche Geschichte ist mehr aus dem Stoff jener Abenteuer, bei denen es sich um temporale Paradoxien und dergleichen mehr dreht. Es gibt verschiedene Zeitperioden ebenso wie Zeitsprünge. Nicht von ungefähr sind Prolog und Epilog versetzt. Die Geschichte und die Bedingungen, denen sie unterliegt, ist nicht ganz leicht zu begreifen. Man fragt sich, ob sie nicht künstlich kompliziert gemacht wurde.

 

Sie ist jedoch nicht das eigentlich Ernüchternde; selbst über das uneingelöste Versprechen des Buches könnte ich noch hinweg sehen. Als viel schlimmer betrachte ich die Tatsache, dass die Titan wirklich in einer Schleife gefangen zu sein scheint. Vielleicht in keiner Temporalen, dafür aber einer Epischen. Ständig schliddert sie in neue, weitenteils selbst verschuldete Krisen. Am Ende lernt Rikers Crew dazu und bringt die Dinge wieder ins Lot - doppelt so gut, um sicherzugehen. Dieses Prinzip hat sich – trotz so mancher erzählerischer und thematischer Variationen - ziemlich abgenutzt. Bei The Red King fiel es nicht so auf, spätestens nach Orion's Hounds, das ganz und gar aus dieser Kelle schöpfte, ist kein Blumentopf mehr damit zu gewinnen.

 

Vor allem wird es schier jedes Mal aufs Neue erkauft, indem ein Stammcharakter von Bord geht, weil er am Ende des Abenteuers glaubt, den Ort seiner Erfüllung gefunden zu haben. Im letzten Band war es so bei Orilliy Malar, nun haben wir das identische Phänomen mit Jaza Najem. Immer dann, wenn man eine zentrale Person der Geschichte lieb gewinnt, sucht sie das Weite. Zurück bleibt da ein Gefühl von Leserbetrug: Wenn Titan unter etwas leidet, so ist es das Dilemma, dass keine Storydichte aufkommt, weil die Einzelabenteuer am Ende nach dem Guillotineprinzip quittiert werden.

 

Ansonsten leiden die Titan-Romane immer stärker unter künstlich erzeugten und ziemlich oberflächlichen Konflikten innerhalb der multikulturellen Crew. Man denke an den Ehekonflikt von Riker und Troi, der (trotz der Herausforderung für beide, gesunden Nachwuchs zu zeugen) nach so langen Jahre des gegenseitigen Kennens irgendwie vom Himmel fällt und arg unglaubwürdig wirkt, oder an Xin Ra-Havreiis Disziplinierungsprobleme, die beinahe schon lächerlich herüberkommen. Ebenfalls aufgesetzt erscheint mir, wie die Crewmitglieder mit Zurin Dakal umgehen, der trotz seiner cardassianischen Wurzeln nichts für die Gräueltaten seines Volkes kann. Soll all diese heiße Luft etwa davon ablenken, dass viele der Charaktere nur mäßig interessant sind und bislang eher durch ihre Goldhaut, Knochenkämme, Tentakel oder Achtbeinigkeit aufgefallen sind? Wo wir schon dabei sind: Etwas zu viel des Guten waren auch die immer wiederkehrenden Sätze, die Vales Mutter ihrer Tochter eingetrichtert hat. Wäre sie ein Mann, würde man leicht an Gevatter Ödipus denken müssen.

 

Über die Darstellung der Orishaner lässt sich trefflich streiten. Ich persönlich fand sie – ungeachtet einiger überflüssiger Anleihen bei den Xindi – nicht uninteressant dargestellt; zumindest ist es mal eines der ungewöhnlicheren Völker. Leider wurde ‚das Auge', das ihre Kultur so dominiert, nicht zu Genüge behandelt, weshalb auch hier mehr drin gewesen wäre. Insgesamt zeigt sich an nahezu jeder Front, dass Sword of Damocles sich einfach zu viel vorgenommen hat und nichts richtig entwickeln kann.

 

Bedauerlich ist auch die Tatsache, dass die Reise der Titan, dieses als Erneuerung des Explorationstraums gestartete und viel gepriesene Unterfangen, in Anbetracht der nun hereinbrechenden Destiny-Schatten schon wieder vorbei zu sein scheint. Vielleicht ist das nicht einmal schlimm. Denn abgesehen von einem wirklich guten dritten Band konnte mich die Reihe um Captain Rikers eigenes Kommando trotz einiger interessanter Ansätze nicht nachhaltig überzeugen. Darüber hinweg hilft nicht einmal, dass das Cover erstmals den gelungenen Titan-Entwurf von Designcontestgewinner Sean Tourangeau präsentiert oder man in der Mitte des Romans ein ausklappbares Centerfold vorfindet.

 

 

Fazit

 

Ein Buch, das definitiv hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt - und die Titan-Reihe nur wenig bereichert. Langatmig, kompliziert und im Kern doch wenig interessant. Zur Belohnung gibt's wieder einen Stammcharakter weniger.

 

4/10 Punkten.

8-2009